Die griechische Regierung unter Premierminister Alexis Tsipras blockiert eine Fortführung der von der Europäischen Union eingeführten Sanktionen gegen die iranische Bank Saderat, berichtet das Wall Street Journal. Saderat bildet den Kern der größten Bankengruppe des Landes. Die im vergangenen Monat getroffene Entscheidung repräsentiert das erste Abweichen eines europäischen Landes von den Sanktionsbestimmungen, welche nach der Einigung im Atomstreit im Juli 2015 noch übriggeblieben waren. Die Strafmaßnahmen blieben gegen Saderat in Kraft, weil die amerikanische Regierung dem Geldinstitut die Finanzierung terroristischer Vereinigungen wie der Hamas und der Hisbollah vorwirft, schreibt das Wall Street Journal.
Selbst wenn die Weiterführung der EU-Sanktionen gegen Saderat an Griechenland scheitert, dürfte die Bank in Europa auf unabsehbare Zeit nicht Fuß fassen, weil die US-Führung al jenen Unternehmen, die mit ihr Geschäfte machen, Konsequenzen angedroht hat. Vergangenes Jahr drohte der amerikanische Finanzminister Jacob Lew für diesen Fall mit dem Entzug des Zugangs zum amerikanischen Finanzsystem, was in einem auf dem Dollar basierenden globalen Finanzsystem praktisch zur Illiquidität führt.
Selbst gegenüber iranischen Banken und Unternehmen, die von den USA im vergangenen Jahr ausdrücklich von der Sanktionsliste genommen wurden, halten sich europäische Firmen derzeit noch zurück. Sie fürchten, auf irgendeine Weise trotzdem gegen amerikanisches Recht zu verstoßen.
Institute wie die Deutsche Bank, die Commerzbank oder die französische BNP Paribas bekamen in den USA wegen Sanktionsverstößen in der Vergangenheit hohe Strafen aufgebrummt. Deshalb sind heute viele extra vorsichtig. „Wir sind weiterhin zurückhaltend bei der Finanzierung von Iran-Geschäften“, erklärt beispielsweise die Deutsche Bank gegenüber Reuters.
„Die deutschen Banken machen schon was, aber nicht viel und alles ganz vorsichtig“, sagt ein hochrangiger Bankenaufseher. Das sei angesichts der unklaren Gefechtslage in den USA auch völlig verständlich. US-Politiker wie Außenminister John Kerry haben zwar erklärt, sie hätten nichts gegen erlaubte Iran-Geschäfte ausländischer Banken. Andere US-Behörden haben sich dagegen noch nicht in die Karten schauen lassen. „Das ist noch kein durchgängiges Bild“, sagt ein hochrangiger deutscher Banker. „Und stellen Sie sich mal vor, Donald Trump wird neuer Präsident. Dann ist ohnehin alles wieder anders.“ Aus Sicht Trumps ist das Atom-Abkommen mit dem Iran „einer der schlechtesten Deals, der jemals gemacht wurde“. Für den Fall eines Wahlsiegs am 8. November hat er angekündigt, den Vertrag neu zu verhandeln.
Möglich ist, dass die Weigerung Griechenlands, die Sanktionen fortzusetzen, den Anfang einer schleichenden Abkehr europäischer Staaten vom US-Sanktionsregime bedeutet, spekuliert der Direktor der amerikanischen Denkfabrik „Foundation for Defense of Democracies“: „Dies ist ein frühes Zeichen, dass Europa sich über die Bestimmungen des Atomabkommens hinwegsetzt und sogar von den Terror-Sanktionen abweicht, welche sie durchsetzen wollten.“ Die Denkfabrik ist dafür bekannt, dass sie die im vergangenen Jahr mit dem Iran erzielte Einigung insgesamt ablehnt.
Auch die britische Regierung klagt inzwischen öffentlich über Hindernisse für Banken im Geschäft mit dem Iran. Handelsminister Liam Fox sagte am Mittwoch, es gebe zwar Anzeichen, dass der Handel zwischen beiden Ländern anziehe. Insbesondere Banken seien aber noch zurückhaltend. „Die Lösung dieser Probleme hat für die Regierung Priorität“, betonte Fox - ohne dabei auf die US-amerikanische Rechtsprechung zu verweisen. Der britische Handelsgesandte im Iran, Norman Lamont, bezeichnete die Lage der Finanzhäuser als „hochgradig unzufriedenstellend“.
Die Ziele der griechischen Regierung hingegen dürften darin liegen, die Beziehungen zum traditionell wichtigen Energielieferanten Iran schrittweise zu normalisieren. Tsipras gehörte zu den ersten westlichen Regierungschefs, welche nach Aufhebung der meisten Sanktionen im Februar dieses Jahres nach Teheran reisten. Bereits zuvor gab es Gespräche, die iranischen Öllieferungen nach Griechenland wiederaufzunehmen und die ausstehenden Schulden der griechischen Raffinerie Hellenic Petroleum in Höhe von etwa 500 Millionen Euro bei iranischen Zulieferern zu begleichen.