Politik

Chefanklägerin: Mögliche US-Kriegsverbrechen in Afghanistan

US-Soldaten und Agenten des US-Geheimdienstes CIA sollen nach Einschätzung internationaler Ermittler in Afghanistan Kriegsverbrechen begangen haben.
16.11.2016 02:19
Lesezeit: 1 min

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US-Soldaten und Agenten des US-Geheimdienstes CIA sollen nach Einschätzung internationaler Ermittler in Afghanistan Kriegsverbrechen begangen haben. Dies geht laut Reuters aus einer umfassenden Untersuchung zu den Geschehnissen in Afghanistan seit dem Mai 2003 hervor, deren Ergebnisse die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH), Fatou Bensouda, am Montagabend in Den Haag veröffentlichte.

Demnach gebe es "eine vernünftige Grundlage zu glauben", dass Angehörige der afghanischen Regierungstruppen, Taliban-Kämpfer und deren Verbündete, aber auch US-Soldaten und CIA-Agenten in Afghanistan Kriegsverbrechen begingen. Die Taliban und deren Verbündete seien höchstwahrscheinlich für den Tod von rund 17.000 Zivilisten zwischen 2007 und Ende 2015 verantwortlich, indem sie zahlreiche Angriffe auf Schulen, Krankenhäuser und Moscheen verübten, sagte Bensouda.

Erstmals aber beleuchtete die Chefanklägerin im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen auch im Detail die Rolle der US-Streitkräfte. Auf Grundlage der Untersuchungen kam Bensouda zu dem Ergebnis, dass Angehörige der US-Streitkräfte auf afghanischem Boden mindestens 61 Gefangene mit Folter, Misshandlungen oder durch Verletzung ihrer Menschenwürde gequält haben könnten. Womöglich seien überdies mindestens 27 Häftlinge von CIA-Agenten misshandelt worden, nicht nur in Afghanistan, sondern auch in Geheimgefängnissen in Polen, Rumänien und Litauen.

Bei den Verhören hätten Angehörige der US-Streitkräfte und der CIA vermutlich auf Techniken zurückgegriffen, die "auf die Verübung des Kriegsverbrechens Folter hinauslaufen". Es handele sich nicht um Einzelfälle, sondern offenbar um das Ergebnis einer vorsätzlich betriebenen Politik. Sie werde demnächst entscheiden, ob sie umfassende Ermittlungen beantragen werde, sagte Bensouda.

Die Sprecherin des US-Außenamts wies die Vorwürfe am Dienstag zurück. "Wir glauben nicht", dass die Anschuldigungen "gerechtfertigt oder angemessen" seien, erklärte Elizabeth Trudeau. Im Übrigen würden die USA selbst gegen Verstöße vorgehen.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington waren die US-Streitkräfte in Afghanistan einmarschiert und hatten die radikalislamischen Taliban von der Macht vertrieben. Im Zuge des von dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush eingeleiteten weltweiten Kampfes gegen den Terror hatte die CIA in Afghanistan und einigen europäischen Ländern geheime Gefängnisse eingerichtet, in denen Terrorverdächtige festgesetzt und verhört wurden.

Die Bush-Regierung erlaubte sogenannte erweiterte Verhörtechniken, zu denen auch die Foltermethode des Waterboarding gehörte. US-Präsident Barack Obama stoppte dies mit seinem Amtsantritt im Januar 2009.

Sollte Bensouda umfassende Ermittlungen beantragen, so würde der seit 2002 tätige Internationale Strafgerichtshof Neuland betreten und die bisher wohl komplexesten und umstrittensten Untersuchungen zu leisten haben. Die USA haben das Römische Statut zur Gründung des Gerichtshofs in Den Haag aber nicht ratifiziert; es gilt als unwahrscheinlich, dass sie bei Ermittlungen kooperieren, die US-Soldaten am Ende vor Gericht bringen könnten.

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