Finanzen

Draghi nennt die Bedingungen für den Zerfall der Euro-Zone

EZB-Präsident Mario Draghi hat sich erstmals zu den Bedingungen eines Austritts aus dem Euro geäußert, Es geht um gewaltige Summen - die vor allem Deutschland verlieren könnte.
24.01.2017 01:18
Lesezeit: 2 min

Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hat sich erstmals öffentlich und relativ konkret zu möglichen Austritten von Mitgliedsstaaten aus der Eurozone geäußert. „Wenn ein Land das Eurosystem verlässt, müssen die Forderungen oder Verbindlichkeiten der jeweiligen nationalen Zentralbank gegenüber der EZB in ganzer Höhe beglichen werden“, schrieb Draghi an die Abgeordneten Marco Valli und Marco Zanni aus dem EU-Parlament, wie Reuters in seinem englischsprachigen Dienst berichtet.

Draghi führte nicht aus, in welcher Währung die Begleichung der Schulden oder Forderungen erfolgen soll. Auch äußerte sich der EZB-Präsident nicht dazu, wie die Zentralbank reagieren würde, falls sich die Regierung des austretenden Landes weigert, ihre Verbindlichkeiten zu bezahlen.

Der Hinweis Draghis auf das Eurosystem bezieht sich auf die sogenannten „TARGET 2“-Salden, welche die Zahlungsflüsse zwischen den nationalen Notenbanken im Eurosystem abbilden. Mit Abstand die höchsten Verbindlichkeiten gegen das System hat Italien, dessen Zentralbank ein Defizit von 358,6 Milliarden Euro verzeichnet. Die Bundesbank hingegen hat mit etwa 754 Milliarden Euro die höchsten Forderungen gegen das gemeinsame Zahlungssystem. In dem Brief schreibt Draghi, dass diese „Ungleichheiten Folgen des Anleihekaufprogramms der EZB“ seien. Weil „viele Verkäufer ausländische Investoren mit Konten in Deutschland“ seien, resultiere eine Verzerrung.

Die Kommentare Draghis sind unmissverständlich eine Warnung an Italien, wo die Euro-kritische Partei Fünf Sterne in den neuesten Umfragen vorne liegt. Die Partei strebt ein Referendum an, in dem über einen Austritt aus der Währungsunion abgestimmt werden soll.

Bisher war das Target 2-System als wasserdicht betrachtet worden, weil niemand mit einem Euro-Austritt eines Mitglieds gerechnet hatte. Allerdings war immer klar, dass der Austritt eines Landes das System zum Einsturz bringen könnte. Denn es wäre ein jahrelanger Rechtsstreit, mit dem die Gläubiger ihre Forderungen eintreiben müssten. Während das Verfahren für einen EU-Austritt rechtlich wenigstens im Rahmen geregelt ist, gibt es für den Euro-Austritt keinerlei rechtliche Regelungen. Es sind auch keine Pläne bekannt, eine solche eingedenk der zunehmenden Verwerfungen im Euro zügig zu entwickeln.

Ebenso fehlt nach wie vor eine Regelung für den Fall einer Staatspleite. Eine solche war 2011 im Zuge der Griechenland-Krise wortreich gefordert worden - geschehen ist jedoch nichts, weshalb ein Austritt ungeordnet und mit unabsehbaren Folgen geschehen müsste.

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