Politik

Schottland: Regierung will neues Referendum über Unabhängigkeit

Schottland will ein neues Referendum über die Unabhängigkeit von Großbritannien. Dieses könnte sich allerdings auch unversehens in ein Anti-EU-Referendum verwandeln und zu einem Scheitern der Brexit-Verhandlungen führen.
13.03.2017 17:07
Lesezeit: 2 min

Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon fordert ein neues Unabhängigkeitsreferendum. Die Abstimmung könnte Ende 2018 oder Anfang 2019 stattfinden, wenn die Bedingungen für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) absehbar seien, sagte Sturgeon am Montag. 2014 hatten sie sich noch gegen eine Loslösung vom Vereinigten Königreich ausgesprochen und auch bei dem EU-Referendum im vergangenen Sommer stimmten sie ebenso wie Nordirland mehrheitlich gegen einen Austritt aus der Staatengemeinschaft. Insgesamt votierten die Briten aber mit einer leichten Mehrheit für den EU-Austritt. Damit könnte der Brexit nach Einschätzung von Reuters zum Auseinanderbrechen des Vereinigten Königreichs führen.

Allerdings ist der Ausgang ungewiss: Denn die EU hat sich seit dem britischen Referendum deutlich verändert. Es ist zu erwarten, dass bis Anfang 2019 noch weitere Zerwürfnisse folgen und die Schotten am Ende ihre Entscheidung des ersten Referendums revidieren könnten. Umfragen haben in Großbritannien gezeigt, dass die Zahl der Leave-Befürworter nach dem Referendum tendenziell sogar gestiegen ist.

Vor allem sind bisher die apokalyptischen Prognosen des Remain-Lagers nicht eingetreten – im Gegenteil: Nach der Entscheidung über den EU-Ausstieg Großbritanniens im vergangenen Juni hatten viele Experten mit einem raschen Konjunktureinbruch gerechnet. Kauffreudige Verbraucher ließen das Bruttoinlandsprodukt 2016 aber um 1,8 Prozent wachsen – von den sieben großen Industrienationen schaffte nur Deutschland ein größeres Plus. Allerdings gibt es erste Hinweise, dass sich die Verbraucher angesichts der steigenden Inflation mit Käufen stärker zurückhalten. Nach dem Brexit-Votum ist das Pfund eingebrochen, was Importe verteuert und damit die Inflation ankurbelt.

Großbritannien hat die Wachstumsprognosen für die kommenden drei Jahre maßvoll nach unten revidiert. Das Bruttoinlandsprodukt werde 2018 statt der im November erwarteten 1,7 Prozent wohl nur um 1,6 Prozent zulegen, sagte Finanzminister Philip Hammond am Mittwoch. Für 2019 wurde die Prognose auf 1,7 Prozent und für 2020 auf 1,9 Prozent gesenkt, nachdem bislang jeweils 2,1 Prozent erwartet worden waren. Für dieses Jahr wurde die Vorhersage dagegen von 1,4 auf 2,0 Prozent angehoben. Die Regierung fertigt die Prognosen nicht selbst an, sondern stützt sich auf das unabhängige Institut Office for Budget Responsibility.

Sturgeon sagte, sie habe für Schottland die Möglichkeit eingefordert, eine eigene Vereinbarung mit der EU zu treffen. Damit habe sie in London aber auf Granit gebissen.

Ein Unabhängigkeitsreferendum in Schottland müsste vom Parlament in London zugelassen werden, in dem die Konservative Patei von Premierministerin Theresa May die Mehrheit hat. Kürzlich hatte May der Schottischen Nationalpartei vorgeworfen, nicht nur das Vereinigte Königreich, sondern auch Schottland mit ihrer Forderung nach Unabhängigkeit zu opfern.

Es wird erwartet, dass das britische Parlament in den nächsten Tagen die gesetzlichen Grundlagen für den Brexit beschließt. May könnte dann formell den Prozess des Austritts beginnen. Die Verhandlungen dürften mindestens zwei Jahre dauern.

Ein Zerwürfnis zwischen Schottland und London könnte auch für die EU zu massiver Ungewissheit führen: Die Briten bereiten sich jetzt schon auf einen Plan B vor, wollen der EU nichts für den Austritt zahlen und verlangen ihrerseits einige Milliarden von der EU. Sollten die Schotten sich tatsächlich vom Vereinigten Königreich lossagen, würde dies vermutlich zu einem Crash bei den Verhandlungen führen. Die Briten könnten sich wie die EU auf die Position zurückziehen, dass sich eine völlig neue Lage ergeben habe, in der bis dahin möglicherweise getroffenen Vereinbarungen die Grundlage entzogen wäre.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Elterngeld im Ungleichgewicht: Väter oft mit Höchstsatz, Mütter länger in Elternzeit
08.07.2025

Das Elterngeld bleibt ungleich verteilt: Während rund ein Drittel der Väter den Höchstsatz beziehen, nehmen Mütter deutlich häufiger...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsencrash, Blase oder Börsenrally? So brisant wird das zweite Halbjahr an den Aktienmärkten
08.07.2025

Zins-Chaos, Trump-Drohungen und eine Blase bei Rüstungsaktien: Drei Top-Strategen warnen vor einem explosiven Börsenhalbjahr – mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Exportflaute durch Handelsstreit: Unsicherheit belastet deutsche Firmen
08.07.2025

Trotz einer weiteren Fristverlängerung im Zollkonflikt mit den USA bleibt die Lage für deutsche Exportunternehmen angespannt. Die...

DWN
Politik
Politik Bundestag stimmt über Verfassungsrichter ab – Politische Debatte um Mehrheiten
08.07.2025

Im Bundestag steht eine wichtige Entscheidung an: Drei Kandidatinnen und Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht sollen gewählt...

DWN
Technologie
Technologie Wettlauf der Supermächte: Wer gewinnt das Milliarden-Quantenrennen?
08.07.2025

Quantencomputer gelten als Schlüsseltechnologie der Zukunft – und könnten bestehende Sicherheitsstrukturen weltweit aushebeln. Der...

DWN
Politik
Politik Recht auf Schutz: Gericht bestätigt Anspruch afghanischer Familie auf Visa
08.07.2025

Trotz der Einstellung des Bundesaufnahmeprogramms für gefährdete Afghanen hat das Verwaltungsgericht Berlin eine klare Entscheidung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Urlaub wird teurer: Flugkosten steigen auch bei Billig-Airlines
08.07.2025

Fliegen vom deutschen Flughafen ist deutlich kostspieliger geworden – und das nicht nur bei klassischen Airlines. Auch...

DWN
Politik
Politik Haushaltsstreit 2025: Klingbeils Pläne, Kritik und offene Milliardenlücken
08.07.2025

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat den Haushaltsentwurf für 2025 und die Finanzplanung bis 2029 in den Bundestag eingebracht....