Politik

Großbritannien: Schock-Umfrage schickt Pfund auf Talfahrt

Ein Schock-Umfrage sieht schwere Verluste für Theresa May. Allerdings dürfte die Umfrage vor allem Spekulanten gegen das Pfund nutzen.
31.05.2017 11:25
Lesezeit: 2 min

Eine spekulative Umfrage sorgt auf dem Devisenmarkt für Bewegung: Den Konservativen unter Premierministerin Theresa May droht bei der bevorstehenden Unterhauswahl in Großbritannien einer YouGov-Erhebung zufolge der Verlust ihrer absoluten Mehrheit. Nach einer am Dienstagabend veröffentlichten Berechnung des Instituts für die Times könnten die Konservativen nur noch auf 310 Mandate gegenüber bisher 330 kommen. Damit würden sie die bei 326 Sitzen liegende absolute Mehrheit um 16 Mandate verfehlen. Die oppositionelle Labour-Partei kann YouGov zufolge darauf hoffen, fast 30 Sitze hinzuzugewinnen. Das Pfund gab nach Bekanntwerden der Umfrage deutlich nach - und zwar gegenüber allen anderen Weltwährungen. Am Morgen fiel der Sterling am Mittag um 0,7 Prozent auf 1,2770 Dollar ab und notierte damit so niedrig wie zuletzt am 21. April. Der Euro zog um 0,3 Prozent auf 0,8722 Pfund an.

Bloomberg berichtet, dass Marktteilnehmer vor allem ein Patt fürchten, bei dem politische Entscheidungen in der komplexen Lage des Brexit verzögert oder gar verhindert werden könnten. Allerdings berichtet auch Bloomberg von Zweifeln an der Umfrage.

Die Zustimmung für die Konservativen sinkt seit Mitte Mai. Insgesamt sieben Umfragen innerhalb der vergangenen Woche ermittelten, dass sich der Abstand zu Labour verringert. Einen Verlust der absoluten Mehrheit hat bislang aber kein Institut prognostiziert.

Die Talfahrt in den Meinungsumfragen hatte mit der Ankündigung der Premierministerin begonnen, älteren Briten höhere Eigenleistungen bei der Pflege abverlangen zu wollen. Das Vorhaben wurde von Gegnern als "Demenzsteuer" bezeichnet. Nach dem Anschlag von Manchester mit 22 Toten in der vergangenen Woche setzte die oppositionelle Labour-Partei den Tories auch mit Kritik an den Stellenkürzungen bei der Polizei zu.

May hatte die vorgezogene Wahl im April völlig überraschend für den 8. Juni angesetzt, um ihre Mehrheit auszubauen und so ihre Position bei den Brexit-Verhandlungen mit der EU zu stärken. Ein Zurückfallen hinter die bisherigen Mehrheitsverhältnisse im Unterhaus würde May auch bei den Brexit-Verhandlungen mit den anderen EU-Staaten schwächen.

Die YouGov-Analyse basiert der Times zufolge auf Befragungen in der vergangenen Woche und einer Modellrechnung für jeden einzelnen Wahlkreis. Das Institut selbst räumte ein, das System sei umstritten. Allerdings sei das gleiche Modell bereits im Vorfeld des Referendums um einen EU-Austritt eingesetzt worden und habe stets eine Mehrheit für das Brexit-Lager ergeben.

Tatsächlich ist die Umfrage methodisch nicht Standard. Die Times selbst berichtet von mehreren anderen Umfragen, die die Tories alle mit einem Vorsprung von 100 Sitzen sehen. Bei den TV-Interviews von Jerermy Paxman mit ihm und mit Theresa May blieb Labour-Chef Jeremy Corbyn blass. Außerdem sorgte er für Aufregung, als er bei einer Radio-Talkshow auf eine Frage erst auf seinem iPad nach einer Antwort suchen musste.

Allerdings hat er auch Sympathien gewonnen, weil er nach dem Terror von Manchester darauf hingewiesen hatte, dass die Anschläge eine Folge der britischen Militär-Operationen seien. Der angebliche Attentäter soll aus Libyen stammen, soll laut Guardian Verbindungen zur Libyan Islamic Fighting Group (LIFG) gehabt haben, eine Terror-Gruppe, von der der Guardian schreibt, die Gruppe soll vom britischen Geheimdienst MI6 "unterstützt" worden sein. Corbyn war darauf von zahlreichen Tory-Politikern attackiert worden. Allerdings bekam er auch Unterstützung von ehemaligen MI6-Leuten, wie die Daily Mail berichtete.

Das grundsätzliche Problem mit Umfragen besteht darin, dass sie gezielt eingesetzt werden, um Stimmung zu machen oder um an den Märkten Wettgeschäfte zu begünstigen. In Großbritannien spielen Wetten eine große Rolle. So behauptete UKIP-Chef Nigel Farage, ein früherer Trader, zu Beginn der Stimmauszählung, dass die Briten gegen den Brexit gestimmt hätten - eine Falschmeldung, die jedoch erst Stunden später entlarvt wurde, das Pfund auf Talfahrt schickte und damit Insidern massive Wettgewinne an den asiatischen Märkten bescheren konnte.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...