Finanzen

Deutsche Autobauer stützen bankrotten Zulieferer Takata

Lesezeit: 2 min
26.06.2017 15:50
14 große Autobauer haben sich auf beträchtliche Finanzspritzen für den bankrotten Airbag-Hersteller Takata geeinigt, darunter auch deutsche Produzenten.
Deutsche Autobauer stützen bankrotten Zulieferer Takata

Der Verursacher des weltweit größten Massenrückrufs in der Autoindustrie, der japanische Airbag-Hersteller Takata, geht mit Hilfe von Autobauern in eine kontrollierte Pleite, berichtet Reuters. Der Zulieferer beantragte am Montag in Japan und den USA wegen der durch defekte Airbags entstandenen Milliardenkosten Gläubigerschutz.

Die Europa-Aktivitäten des Konzerns, darunter acht Standorte in Deutschland, sind davon nicht betroffen. Der US-Autoteileproduzent Key Safety Systems (KSS) kauft nun für umgerechnet rund 1,4 Milliarden Euro das von der Familie Takada kontrollierte Unternehmen. An der Auffanglösung arbeitete der Zulieferer nach eigener Darstellung seit Februar 2016 mit seinen Kunden aus der Autoindustrie. Insgesamt 14 Hersteller haben demnach Finanzhilfen ungenannter Höhe für eine Restrukturierung zugesagt. Auch die von den Rückrufen betroffenen deutschen Konzerne Volkswagen, Daimler und BMW seien beteiligt, hieß es in Branchenkreisen. Die Unternehmen gaben dazu keine Stellungnahmen ab.

Die weltweite Geschäftstätigkeit und Lieferungen an Kunden sollen ohne Unterbrechung fortgeführt werden. Takata will demnach weiterhin Ersatzteile für zurückgerufene Fahrzeuge herstellen. In Europa sollen keine Insolvenzverfahren eingeleitet werden. Dort agiere Takata eigenständig von anderen Regionen und verfüge weiterhin über eine solide finanzielle Basis. Die Verfahren und der bis Anfang 2018 geplante Verkauf sollten keine Folgen für Geschäftspartner und die rund 15.000 Mitarbeiter in der Region haben. In Deutschland hat Takata rund 3000 Mitarbeiter.

Die Japaner sehen sich mit Milliardenforderungen aus dem Airbag-Skandal konfrontiert, mit dem mindestens 17 Todesfälle in den USA und Asien wegen defekter Aufblasvorrichtungen in Verbindung gebracht werden. Die Gasgeneratoren in den Luftkissen können in Regionen mit feucht-heißem Klima nach längerer Zeit explodieren. Mehr als 100 Millionen Airbags wurden zurückgerufen, davon allein in den USA 70 Millionen. Takata fuhr zuletzt den dritten Jahresverlust in Folge ein mit einem Minus von 640 Millionen Euro. Durch Rückrufe und Gerichtsverfahren über ein Jahrzehnt liefen zig Milliarden Dollar an Kosten auf. Die gesamten Schulden belaufen sich nach Schätzung von Analysten auf 15 Milliarden Dollar. Die reinen Rückrufkosten könnten auf zehn Milliarden Dollar steigen, hieß es in Branchenkreisen. Die endgültige Summe hänge von der Vereinbarung mit den Autoherstellern ab, die bisher den Großteil der Rückrufkosten selbst getragen hätten, erklärte ein Anwalt von Takata. Von den japanischen Autobauern hat Takata schon eine Zusage für Finanzhilfen. Auf globaler Ebene sei eine solche Vereinbarung noch in Arbeit, erklärte der Zulieferer

Einige Autobauer hätten sich in den Gesprächen über den Rettungsplan gegen eine Pleite ausgesprochen, weil sie dann weitgehend auf den für die Rückrufe vorgestreckten Kosten sitzen blieben, hatte Reuters früher von Insidern erfahren. Daimler erklärte, für die Reparaturkosten der rund 1,5 Millionen betroffenen Mercedes-Fahrzeuge entsprechend Rückstellungen gebildet zu haben. „Regressansprüche bleiben davon unberührt“, ergänzte ein Sprecher. Der Stuttgarter Konzern legte 2015 und 2016 zusammen rund 900 Millionen Euro dafür beiseite. Der Rückruf sei vorsorglich, denn in keinem Modell sei der beschriebene Defekt bisher gefunden worden.

BMW wies die Takata-Kosten im Geschäftsbericht nicht separat aus. Einem Sprecher zufolge handelt es sich um einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag. Volkswagen stellte in den vergangenen beiden Jahren 600 Millionen Euro zurück. „Wir gehen davon aus, dass diese Insolvenzen keine wesentlichen Auswirkungen auf die Produktion des Volkswagen-Konzerns haben wird“, erklärte ein Sprecher.

Der Erlös aus dem Verkauf an KSS soll den in den USA beschlossenen Entschädigungsfonds für die Autobauer von 850 Millionen Dollar finanzieren. Insgesamt kostete der Vergleich mit den US-Behörden, der auch Entschädigungen für Privatpersonen beinhaltet, die Japaner eine Milliarde Dollar. Im Vergleich zum Dieselskandal von Volkswagen ist das trotz der ungleich höheren Zahl an von dem Airbag-Rückruf betroffenen Fahrzeugen wenig: VW büßt für die Manipulation von Dieselabgasen in den USA mit bis zu 21 Milliarden Dollar bei 560.000 Fahrzeugen, die repariert oder zurückgekauft werden sollen. Konkrete Todesfälle durch gesundheitsschädliches Stickoxid sind nicht nachgewiesen.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

DWN
Politik
Politik Im Kosovo rächen sich jetzt alte Fehler des Westens
04.06.2023

Die jüngsten Ausschreitungen im Kosovo hatten zwar einen aktuellen Anlass. Doch die Lunte an das Pulverfass war schon viel früher gelegt....

DWN
Finanzen
Finanzen Amerikas Bankenkrise, Teil 2: Welche Schäden verursachen die Zinsanstiege?
04.06.2023

DWN-Finanzexperte Michael Bernegger beschreibt, welche strukturellen Gründe hinter der Bankenkrise in den USA stehen - und warum diese...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Diebstahl und Gewalt machen US-Einzelhandel unprofitabel
04.06.2023

Der US-Einzelhandel leidet unter der ansteigenden Kriminalität. Der massive Anstieg von Diebstahl und Gewalt vernichtet den Profit. Das...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietnomaden: So prüfen Vermieter die Bonität
04.06.2023

Die Qualität der Mieter hat großen Einfluss darauf, ob sich eine Mietimmobilie rechnet. Doch wie wählt man einen Mieter richtig aus? Wir...

DWN
Immobilien
Immobilien Die EU will ultimativ alle Häuser ruinieren
03.06.2023

Mit immer strengeren Vorschriften treibt die EU das Dämmen der Häuser voran. Selbst Strafen wie Wohn-Verbote werden diskutiert, damit die...

DWN
Immobilien
Immobilien Europas Immobilienmarkt droht weiteres Ungemach
03.06.2023

Die Immobilienunternehmen in Europa haben bereits historische Wertverluste hinnehmen müssen, doch wegen der steigenden Kreditkosten drohen...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktienmärkte: Unter der glitzernden Oberfläche brodelt es
04.06.2023

Oberflächlich betrachtet schlagen sich die US-Aktienmärkte gut. Das Fundament für den Aufschwung ist allerdings schwach. In vielen...

DWN
Finanzen
Finanzen Zinswende: Kommt eine zweite Inflationswelle – und wie schützen sich Anleger?
04.06.2023

Der Markt rechnet mit Zinssenkungen in diesem Jahr. Kritische Ökonomen befürchten eine Rezession und eine zweite Inflationswelle. Was...