Nach monatelanger Debatte verabschiedete der Bundestag dazu am Freitag mit den Stimmen von Union und SPD ein Gesetz, das die Betreiber von sozialen Netzwerken verpflichtet, offensichtlich strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde zu löschen oder zu sperren. Sonstige rechtswidrige Inhalte müssen „in der Regel“ innerhalb von sieben Tagen gelöscht oder gesperrt werden.
Was genau strafbare Inhalte sind, ist in vielen Fällen unklar. Vor allem ist unklar, wie es sich mit dem Grundgesetz verträgt, dass private Unternehmen mit der Beurteilung von Strafbarkeit beauftragt werden. Bisher war dies in Deutschland die Zuständigkeit der Gerichte. Dem Gesetz zufolge sollen darüber offenbar auch Dritte entscheiden, weil die sozialen Netzwerke die Entscheidung auch an gemeinsame Einrichtungen der Plattformbetreiber abgeben können, die unabhängig sein müssen. Diese müssen ebenfalls binnen sieben Tagen über die Strafbarkeit des gemeldeten Inhalts entscheiden.
Die Netzwerk-Betreiber werden mit dem Gesetz verpflichtet, den Nutzern ein leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden anzubieten. Nutzerbeschwerden müssen sie unverzüglich zur Kenntnis nehmen und auf strafrechtliche Relevanz prüfen. Wird ein Beschwerdemanagement nicht oder nicht richtig eingerichtet, droht eine Geldbuße. Diese kann fünf Millionen Euro gegen eine für das Beschwerdeverfahren verantwortliche Person betragen. Gegen das Unternehmen selbst kann die Geldbuße bis zu 50 Millionen Euro ausmachen.
Bundesjustizminister Heiko Maas sagte, mit dem Gesetz werde das „verbale Faustrecht“ im Netz beendet und die Meinungsfreiheit aller geschützt.
Kritik äußerte vor der Abstimmung unter anderem Linken-Parteichefin Katja Kipping. Fast alle Experten hätten die von der großen Koalition geplante Neuregelung vergangene Woche im Rechtsausschuss des Bundestages als „verfassungswidrig“ bezeichnet, sagte Kipping der Nachrichtenagentur AFP. Mit dem „Last-Minute-Gesetz“ werde die Unterscheidung zwischen strafbarer Hetze, Satire und freier Meinungsäußerung „nun faktisch an Drittdienstleister der Internetmonopolisten wie Facebook delegiert“.
Kipping warf Maas „bemerkenswerte Ignoranz"“ vor, weil dieser das Gesetz noch in dieser Woche durch den Bundestag peitsche. „Die grundlegenden Mängel des Gesetzes lassen sich in dem überstürzten Verfahren nicht mehr korrigieren“, sagte sie zu AFP.