Politik

Italien erhöht den Druck auf NGOs im Mittelmeer

Italien erhöht den Druck auf NGOs im Mittelmeer.
04.08.2017 00:33
Lesezeit: 2 min

Catherine Marciano von der AFP berichtet:

Im Streit mit privaten Seenotrettungsorganisationen verschärft die italienische Regierung den Ton. Innenminister Marco Minniti sagte in einem Interview mit der Zeitung "La Stampa", sollten die Helfer ihre Unterschrift unter den von seiner Regierung vorgelegten Verhaltenskodex verweigern, könnten sie ihre Arbeit nicht fortsetzen. Die deutschen Flüchtlingshelfer von Jugend Rettet forderten die Herausgabe ihres in Lampedusa festgesetzten Schiffs "Juventa".

Eine Sprecherin der 2015 in Teltow bei Berlin gegründeten Organisation sagte der Nachrichtenagentur AFP, ihr italienischer Anwalt werde gegen die Festsetzung vorgehen. Jugend Rettet twitterte zudem, es sei "äußerst schwierig", tatenlos zuzusehen, während im Mittelmeer weiter Menschen ums Leben kämen.

Jugend Rettet und andere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) lehnen den Kodex ab, mit dem Italien die Zahl der ankommenden Flüchtlinge verringern will. Roms Regeln sehen vor, dass bewaffnete Polizisten an Bord von Rettungsschiffen mitgenommen werden. Außerdem dürfen demnach auf hoher See in Sicherheit gebrachte Flüchtlinge nicht von einem Schiff auf ein anderes transferiert werden.

Vier weitere Organisationen sagten Italien dagegen ihre Unterstützung zu. Dabei handelt es sich um Save the Children, Moas mit Sitz in Malta, Proactiva Open Arms aus Spanien und die deutsche Sea Eye.

Der italienische Marineeinsatz vor der libyschen Küste und das Vorgehen der Behörden gegen deutsche Flüchtlingshelfer stoßen zum Teil auf scharfe Kritik. Für die Organisation Pro Asyl sowie für Grüne und Linkspartei betreibt die Regierung in Rom eine Politik auf Kosten der Flüchtlinge und ihrer Helfer.

Pro Asyl warf Italien "Völkerrechtsbruch" vor. Die Organisation begründete dies mit dem "Eindringen in libysche Hoheitsgewässer" und der Rückführung von Fliehenden in das nordafrikanische Bürgerkriegsland. Laut Europareferent Karl Kopp herrschen in Libyen "Rechtlosigkeit und Willkür". In den dortigen Flüchtlingshaftlagern seien "Folterung und Vergewaltigungen" an der Tagesordnung.

Ein Bericht der Vereinten Nationen vom Juni dokumentiere, dass die libysche Küstenwache mehrfach Flüchtlingsboote beschossen habe und gerettete Flüchtlinge "schwer misshandelt" worden seien. Italien und die EU sprächen im Zusammenhang mit ihrem Militäreinsatz "Sophia" von einem "Krieg gegen Schlepper", tatsächlich handele es sich jedoch um einen "Krieg gegen Flüchtlinge".

Der Verhaltenskatalog widerspreche teilweise Regeln des Seenotrettungsrechts, kritisierte Pro Asyl weiter. Italien wolle die Arbeit der Hilfsorganisationen mit "Rückendeckung" der EU massiv beschränken.

Die deutschen Helfer werden der "Beihilfe zur illegalen Migration" beschuldigt. Ihr Schiff "Iuventa" wurde nach Polizeiangaben vor der zwischen Libyen und Italien gelegenen Insel Lampedusa "vorsorglich" aus dem Verkehr gezogen. Die entsprechende Anordnung erließ die Staatsanwaltschaft im sizilianischen Trapani.

Laut Staatsanwalt Ambrogio Cartosio werden die deutschen Helfer aufgrund von seit 2016 geführten Ermittlungen verdächtigt, mindestens zwei Mal von Schleppern eskortierte Flüchtlinge an Bord genommen zu haben, deren Leben nicht in Gefahr gewesen sei.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke nannte die Festsetzung der "Iuventa" ein "billiges und durchschaubares Erpressungsmanöver". Sie forderte Italien auf, das Schiff umgehend freizugeben.

Für die Grünen erklärten deren Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und die Sprecherin für Flüchtlingspolitik, Luise Amtsberg, es gebe "keine Belege" für ein Fehlverhalten der privaten Seenotrettungsorganisationen. Die NGOs hätten zehntausende Menschen im Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet. Ihnen gebühre "Respekt und Solidarität".

Laut einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages haben die EU-Staaten die völkerrechtliche Pflicht, bei der Rettung von Menschen aus Seenot zusammenzuarbeiten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...