Deutschland

Banken müssen ihre IT-Systeme grundlegend erneuern

Die IT vieler Großbanken ist veraltet. Werden die Systeme nicht bald grundlegend modernisiert, droht der Rückfall hinter Fintechs.
23.12.2017 18:27
Lesezeit: 2 min

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Kaum ein Außenstehender bekommt sie jemals zu Gesicht. Doch in atombombensicheren Rechenzentren entscheidet sich womöglich die Zukunft der Bankenbranche. Denn die oft jahrzehntealte Software vieler Institute kommt angesichts der fortschreitenden Digitalisierung an ihre Grenzen. „Wenn es die Banken nicht schaffen, die Fesseln einer veralteten Informatik zu lösen, werden sie durch agilere Anbieter ersetzt“, warnt Finanzrechtsexperte Hans Kuhn von der Universität Luzern. Viel Zeit bleibt nicht mehr, sagt ein Berater: „Die Banken haben noch drei bis fünf Jahre zum Handeln.“

Die Informatik ist Analysten zufolge mit einem Anteil von 15 bis 25 Prozent der zweitgrößte Kostenblock der meisten Geldhäuser. Bei Großbanken geht das in die Milliarden. Bis zu 80 Prozent der Informatik-Kosten geben die Institute aber für den Unterhalt der bestehenden Technologie aus, schätzt Ben Robinson von der Bankensoftwarefirma Temenos. Damit bleibt oft zu wenig Geld für neue Angebote. Die IT-Budgets dürften in Zukunft deshalb eher noch aufgestockt werden. Temenos geht davon aus, dass viele Institute sich das Geld auf anderen Wegen zurückholen – etwa indem sie noch mehr Filialen schließen und Mitarbeiter abbauen. Sparprogramme laufen überall.

Viele Häuser sind für die Umwälzungen schlecht gerüstet. „Große Finanzinstitute sind wie Museen der Technologie“, sagte einst der frühere Barclays-Boss Antony Jenkins. Das Rückgrat der Informatik, das Kernbankensystem, das Konten verwaltet und Transaktionen abwickelt, stammt in vielen Fällen ursprünglich aus der Vor-Internet-Zeit, als Bankgeschäfte noch in Filialen gemacht wurden.

Diese Software wurde im Laufe der Jahre nachgerüstet und mit immer mehr Anwendungen verkoppelt. Ältere Systeme haben inzwischen Hunderte von Verbindungen zwischen den einzelnen Komponenten. „Das kann man sich wie einen Topf voller Spaghetti vorstellen“, erklärt Martin Janssen, Chef der Softwarefirma Ecofin. „Ein solcher Aufbau der Informatik wird längerfristig nicht überleben.“

Denn die Systeme müssen immer mehr leisten. Einer Schätzung der Analysefirma IDC zufolge dürfte sich die Zahl der elektronischen Interaktionen zwischen einem Kunden und seiner Bank von 1,8 mal pro Monat im Jahr 2004 auf über 50 mal in 2020 vervielfachen. Mit Smartphones als ständige Begleiter handeln die Kunden inzwischen unterwegs an der Börse oder bezahlen in Geschäften. Gleichzeitig erwarten sie eine Echtzeitverarbeitung. Das können viele Systeme nicht leisten, weil wichtige Schritte in dem Prozess hinter der elektronischen Fassade immer noch von Hand gemacht werden.

Vielen Banken ist klar, dass sie kurzfristig massiv investieren müssen, um die Geschwindigkeit und die Leistungsfähigkeit der IT zu erhöhen. Am schnellsten haben Banken aus Skandinavien, angelsächsischen Ländern, Südostasien und Australien reagiert. „Die deutschen Institute liegen eher im Mittelfeld oder noch weiter zurück“, erklärt Klaus-Georg Meyer vom Technologie-Berater Capgemini.

Die Deutsche Bank arbeitet intensiv daran, ihre IT zu modernisieren. Der neue Chef John Cryan hatte die Computersysteme des größten deutschen Geldhauses kurz nach seinem Amtsantritt 2015 überaus deutlich als veraltet und „lausig“ kritisiert. Inzwischen haben die Frankfurter fast ein Drittel der damals 45 internen Betriebssysteme abgeschaltet und betreiben konzernweit noch 32. Der Umstieg auf professionellere, SAP-basierte Systeme macht Fortschritte.

Die skandinavische Nordea ist dabei, ihr altes Kernbankensystem durch ein Produkt von der Stange von Temenos zu ersetzen. Für andere Großbanken ist eine komplette Ablösung keine Lösung, denn Experten schätzen die Kosten für den Prozess, der bis zu sieben Jahre dauern kann, auf mehr als eine Milliarde Euro. „Das Kernbankensystem ist das digitale Herz einer Bank“, sagt Christian Appel vom Hamburger Softwareberater PPI. „Wenn man das wechseln möchte, ist das eine Operation am offenen Herzen.“

Die Credit Suisse hat sich entschieden, einzelne Komponenten fortlaufend ein- und auszutauschen. „Denn ein Produkt, das heute führend ist, kann in ein paar Jahren schon wieder verschwunden sein“, erklärt IT-Chef Claude Honegger. Um zu sparen, lotet die Schweizer Großbank Partnerschaften mit anderen Instituten aus.

Schaffen die Banken keine grundlegende Modernisierung, könnten ihnen die Kunden davonlaufen, warnt McKinsey. Gefahr droht dem Strategieberater zufolge weniger von Fintech-Firmen als von Internetgiganten wie Amazon, die immer neue Märkte aufrollen. In diese Kategorie gehören auch chinesische Konzerne, die bereits ins Finanzgeschäft vorgestoßen sind. „Technologie-Riesen wie Alibaba und Tencent könnten sich in gewisser Weise als Banken der Zukunft positionieren“, sagt UBS-Manager Dirk Klee. „Gemessen an der Reichweite ihrer Plattformen sind sie größer als alle Banken zusammen.“

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Kupferpreis explodiert: Was Trumps Zollfantasien auslösen
11.07.2025

Eine 50-Prozent-Zollandrohung von Trump lässt den Kupferpreis durch die Decke schießen – und sorgt für ein historisches Börsenchaos....

DWN
Politik
Politik Putins Imperium zerbröckelt: Aserbaidschan demütigt den Kreml – mit Hilfe der Türkei
10.07.2025

Aserbaidschan widersetzt sich offen Moskau, schließt russische Propagandakanäle und greift zur Verhaftung von Russen – ein Tabubruch in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Gasfeld vor Zypern könnte Europas Energiestrategie neu ausrichten
10.07.2025

Ein neues Erdgasfeld vor Zypern könnte zum Wendepunkt in Europas Energiepolitik werden.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Jahreszahlen zeigen das ganze Ausmaß der Krise beim Mischkonzern
10.07.2025

Jetzt ist der Milliardenverlust bei der Baywa amtlich: Das Minus von 1,6 Milliarden Euro ist vor allem auf Abschreibungen bei der...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Rechnung für die Private-Equity-Branche: 79 Milliarden
10.07.2025

Donald Trumps Zollkurs und globale Kriege setzen der Private-Equity-Branche massiv zu. Was hinter dem dramatischen Kapitalschwund steckt...

DWN
Politik
Politik „Kleiner Lichtblick für die Ukraine“ nach Trumps Kehrtwende
10.07.2025

Der Kurswechsel der USA beim Waffenlieferprogramm für die Ukraine dürfte die Gespräche europäischer Staats- und Regierungschefs in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende: Industriestandort gefährdet
10.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Schuldenkrise: Droht der Dollar-Kollaps? Was Anleger jetzt wissen müssen
10.07.2025

Die USA spielen mit dem Feuer: Zölle, Dollar-Schwächung und wachsende Schulden bedrohen das globale Finanzsystem. Doch es gibt Strategien...