Politik

Aufstand in der SPD-Basis gegen Große Koalition

Die erste Landes-SPD hat einen Beschluss gegen die Große Koalition gefasst. Auch in anderen Teilorganisationen wächst der Widerstand.
13.01.2018 21:44
Lesezeit: 2 min

In der SPD haben die Gegner einer großen Koalition einen ersten Sieg errungen. Auf einem Landesparteitag der SPD Sachsen-Anhalt in Wernigerode wurde am Samstag ein Antrag gegen eine Zusammenarbeit mit CDU und CSU im Bund mit 52 zu 51 Stimmen angenommen. Der Vorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation Jusos, Kevin Kühnert, hatte zuvor bereits eine "No-GroKo"-Tour angekündigt. Auch andere SPD-Linke wollen vor dem Sonderparteitag am kommenden Wochenende gegen das Vorhaben mobil machen. SPD-Chef Martin Schulz verteidigte indes die Ergebnisse der Sondierungen mit der Union, auf die sich die Parteien am Freitag geeinigt hatten. Andere GroKo-Befürworter wie Generalsekretär Lars Klingbeil rührten zudem die Werbetrommel für ein erneutes Bündnis.

"Der Spitzensteuersatz wird nicht erhöht, es gibt faktisch eine Obergrenze für Flüchtlinge, die Lösung zum Familiennachzug ist enttäuschend", begründete Juso-Chef Kühnert in der "Welt" seinen Widerstand gegen eine große Koalition, für die seine Parteispitze am Freitagmorgen den Weg geebnet hatte: "Unter dem Strich bleiben wir bei unserem Nein zur GroKo."

Die SPD-Linke Hilde Mattheis macht erheblichen Unmut an der Basis über das Ergebnis der Sondierungen aus. Bei vielen Parteimitgliedern herrsche große Skepsis, sagte die Vorsitzende der Linken-Gruppierung DL21 im Deutschlandfunk. So würden Bezieher hoher Einkommen nicht zur solidarischen Finanzierung der Infrastruktur herangezogen. "Der generelle Politikwechsel findet nicht statt und die Stärkung des rechten Randes darf nicht passieren." Mit dem Sondierungsergebnis würden die Fragen der Verteilungsgerechtigkeit nicht ausreichend beantwortet.

Parteichef Schulz nannte indes als wichtigste Erfolge seiner Partei unter anderem die Festschreibung des Rentenniveaus auf 48 Prozent, die paritätische Finanzierung der Krankenkassenbeiträge sowie Investitionen in mehr Bildung. Den Verzicht auf einen höheren Spitzensteuersatz rechtfertigte er damit, dass fast 90 Prozent der Bevölkerung künftig keinen Soli-Zuschlag mehr bezahlen müssten. Dass seine Partei die Bürgerversicherung nicht durchsetzen konnte, wird laut Schulz durch Erfolge in anderen Feldern aufgewogen. In der Flüchtlingspolitik wies er die Darstellung zurück, wonach die SPD eine Obergrenze akzeptiert habe. In der Sondierungsvereinbarung werde nur festgestellt, dass in den zurückliegenden Jahren - außer 2015 - jeweils 180.000 bis 220.000 Schutzsuchende nach Deutschland gekommen seien. Eine Festlegung für die Zukunft bedeute dies aber nicht.

Klingbeil sagte, 55 Punkte sollten einem Parteitagsantrag zufolge durchgesetzt werden. "47 davon haben wir in den Sondierungen erreicht." Ein wichtiges Thema wie die Bürgerversicherung sei zwar mit der CDU/CSU nicht zu machen gewesen. "Trotzdem werden wir in möglichen Koalitionsverhandlungen darauf drängen, dass zum Beispiel Wartezeiten verkürzt werden. Wir lassen da nicht locker."

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig erwartet kontroverse Debatten in ihrer Partei. "Die Skepsis in der SPD für eine erneute große Koalition ist groß", sagte sie im NDR. "Bei mir ist die Skepsis auch nicht ganz verflogen. Aber man muss jetzt den realistischen Bedingungen ins Auge schauen." Der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner twitterte, zwar gebe es viele Fortschritte bei Bildung, Pflege, Parität in der Krankenversicherung, Europa, Arbeit, Einwanderungsgesetz oder Rente, aber kein Vorankommen bei Themen wie Steuern und Bürgerversicherung. Dennoch werbe er für eine Zustimmung.

Am 21. Januar soll ein SPD-Parteitag über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen abstimmen. Verlaufen diese erfolgreich, sollen die SPD-Mitglieder befragt werden, ob sie einer erneuten großen Koalition zustimmen oder nicht. Jeder zweite Bundesbürger glaubt nicht daran, dass Schulz seine Partei für eine Neuauflage der großen Koalition gewinnen kann. In einer repräsentativen Civey-Umfrage für die Funke Mediengruppe beantworteten knapp 45 Prozent der Befragten eine entsprechende Frage mit "Eher nein" oder "Nein, auf keinen Fall".

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