Mit einer Einigung in der Renten-Politik haben Union und SPD einen weiteren Stolperstein auf dem Weg zu einem gemeinsamen Bündnis aus dem Weg geräumt. Geplant ist laut Unterhändlern ein Rentenpaket, das Mehrausgaben von mehreren Milliarden Euro für die Rentenversicherung umfasst. Gleichzeitig sind bei den Koalitionsverhandlungen zentrale Streitfragen etwa zum Umgang mit sachgrundlosen Befristungen von Arbeitsverträgen sowie in der Gesundheits- und Finanzpolitik weiter ungelöst. Bei Union und SPD wird inzwischen davon ausgegangen, dass die Verhandlungen nicht wie geplant am Sonntag abgeschlossen werden können, sondern noch Montag und Dienstag weiter verhandelt wird.
Unterdessen brachten Union und SPD mit dem Kompromiss zum Familiennachzug für Flüchtlinge eine erste Vereinbarung der Verhandlungen durch den Bundestag. Damit bleibt der Nachzug von Angehörigen von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus bis Ende Juli ausgesetzt. Von August an sollen dann pro Monat 1000 Ehepartner, minderjährige Kinder und Eltern von Flüchtlingen nachziehen dürfen. Hinzu kommt eine bereits bestehende Härtefallregelung, auf deren Grundlage 2017 aber weniger als 100 Visa vergeben worden sind.
Die SPD hatte beim Sonderparteitag Koalitionsverhandlungen mit der Union nur unter der Bedingung zugestimmt, dass es gegenüber dem Sondierungsergebnis weitere Verbesserungen beim Familiennachzug gibt. Parteichef Martin Schulz hatte nach der Einigung mit CDU und CSU betont, diese Bedingung sei erfüllt. Seine Stellvertreterin Manuela Schwesig sagte im ZDF dagegen, sie würde nicht von einem Erfolg sprechen. "Das wäre total übertrieben." Es handele sich für viele um einen schmerzhaften Kompromiss.
SPD-Fraktionsvize Eva Högl sprach sich dafür aus, die geplante Neuregelung im Bundestag sorgfältig zu beraten und zu formulieren. Zugleich müsse es Aufgabe sein, die Härtefallregelung "anders auszulegen und anders auszugestalten", sodass darunter mehr als die 66 Personen im Jahr 2017 fielen und das Kindeswohl im Mittelpunkt stehe. Innenminister Thomas de Maiziere verteidigte den Kompromiss, der für "Humanität und Verantwortung, für Integration und Begrenzung, für Großzügigkeit und Realismus" stehe.
Bei der Rente ist vorgesehen, dass bis zum Jahr 2025 ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent und ein Beitragssatz von nicht mehr als 20 Prozent garantiert wird. Zudem soll es eine neue Grundrente für langjährige Beitragszahler geben, die zehn Prozent über dem Grundsicherungsniveau liegen soll, wie CDU-Verhandlungsführer Karl-Josef Laumann mitteilte.
Mütter mit mindestens drei vor 1992 geborenen Kindern erhalten einen zusätzlichen Rentenpunkt für alle Kinder. Allein dies wird nach den Worten der CSU-Politikerin Barbara Stamm mit rund 3,4 Milliarden Euro jährlich zu Buche schlagen. Laut SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles wird es in der Gesetzgebung darum gehen, "einen guten Mix zu finden" aus einer Finanzierung durch Beiträge und Steuern.
Die Einigung ist bei der Renten-Versicherung auf Zurückhaltung und in der Linkspartei auf scharfe Kritik gestoßen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund forderte am Donnerstagabend, dass die Ausweitung der Mütterrente "sachgerecht in vollem Umfang aus Steuermitteln" finanziert werden müsse. Die verbesserte Absicherung Selbstständiger wie auch die doppelte Haltelinie für Beitragssatz und Rentenniveau seien dagegen "wichtige Elemente für die Verlässlichkeit des Systems". Eine abschließende Bewertung sei nicht möglich, da es kaum Informationen zur Finanzierung der Vorhaben gebe.
Der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Matthias Birkwald, sprach von "rentenpolitischem Unsinn". Mit der Ausweitung der Mütterrente werde die Rentenkasse geplündert. Bei der Erwerbsminderungsrente schauten" 1,8 Millionen kranke Rentner in die Röhre", weil die geplanten Verbesserungen nur neuen Rentnern zugutekämen. Die Verhandlungsführer von Union und SPD bei der Rente hatten zuvor ein Gesamtpaket vorgestellt, das Mehrausgaben in Höhe von mehreren Milliarden Euro für die Rentenversicherung bedeutet.