Politik

Großbritannien will die Skripals von der Bildfläche verschwinden lassen

Großbritannien will den Skripals neue Identitäten verschaffen und sie in die USA schicken.
08.04.2018 12:35
Lesezeit: 3 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Großbritannien will dem früheren britisch-russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seiner Tochter Julia neue Identitäten verschaffen. Das berichtete die Sunday Times unter Berufung auf Geheimdienstkreise. Auch die britische Nachrichtenagentur Reuters greift den Bericht auf.

Demnach dürfte die beiden Personen unter neuem Namen mit neuen Papieren von der Bildfläche verschwinden. Damit wäre es unmöglich, dass unabhängige Ermittler die beiden zu den angeblichen Giftgas-Anschlägen befragen, deren Opfer die beiden ebenso angeblich am 4. März in Salisbury geworden sind. Bisher hat niemand von unabhängiger Seite mit einer der beiden Personen gesprochen. Ihnen waren, als sie nicht bei Bewusstsein waren, angeblich Blutproben entnommen worden. Diese Blutproben bilden die Grundlage von chemischen Analysen, die die britische Regierung bei der OPCW in Auftrag gegeben hat.

Auch die Bundesregierung, die sich die britische Position der "plausiblen" Schuld Russlands zu eigen gemacht hat, hätte im Fall des Verschwindens der Skripals keine Möglichkeit mehr, den Tathergang zu rekonstruieren. Deutschland war - anders als die zum Geheimdienst-Netzwerk Five Eyes gehörenden Staaten - von den britischen Geheimdiensten bisher nicht umfassend über die Erkenntnisse zu dem angeblichen Giftgas-Anschlag unterrichtet worden.

In den vergangenen Tagen waren die beiden Personen überraschend rasch von den schweren Vergiftungen genesen, die das angeblich verwendete Nervengas Nowitschok eigentlich verursacht.

Über die Vorgänge gibt es bisher lediglich widersprüchliche Darstellungen und die Aussage der britischen Regierung, dass es "keine andere plausible Erklärung" als die Schuld Russlands an dem angeblichen Giftgas-Anschlag gäbe. Das Chemiewaffen-Labor der britischen Armee hatte allerdings feststellen müssen, dass man eine eindeutige Urheberschaft Russlands bisher nicht belegen könne.

Sergej und Julia Skripal werden in Amerika neue Identitäten und ein neues Leben angeboten, um sie vor weiteren Mordversuchen zu schützen. Geheimdienstbeamte vom MI6 haben bereits Gespräche mit ihren Kollegen in der CIA über die Umsiedlung der beiden geführt. "Ihnen werden neue Identitäten angeboten", sagte eine hochrangiger, anonymer Whitehall-Offizieller.

Hochrangige anonyme Quellen sagten der Times, dass beide bei Bewusstsein waren und den Ermittlern vor ihrem Verschwinden in die USA noch bei ihren Ermittlungen zum angeblichen Angriff mit Giftgas helfen würden. Julia, 33, eine russische Staatsbürgerin, habe das Angebot der russischen Botschaft in London zurückgewiesen, sie und ihren Vater konsularisch zu unterstützen - ein Schritt, der britische Beamte davon überzeugt habe, dass sie dauerhaft in den Westen ziehen könnte.

Die beiden sollten in einem der Five-Eye-Staaten - USA, Kanada, Australien oder Neuseeland - ein neues Leben beginnen. Es sei den beiden nach den Ereignissen nicht möglich, weiter in Großbritannien zu leben, weil ihre Sicherheit massiv bedroht sei. Bisher hatte die britische Regierung stets versichert, dass alle in Großbritannien lebenden Personen von den britischen Sicherheitsbehörden angemessen geschützt werden können. Die Times schreibt nicht, wer den Skripals konkret nach dem Leben trachtet.

Die Times beruft sich auf hochrangige Geheimdienstkreise, wonach es wohl in den Vereinigten Staaten gehen dürfte. Dort sei es am unwahrscheinlichsten, dass die Skripals umgebracht würden. Der britische Geheimdienst MI6 führe dazu bereits Gespräche mit der CIA in den USA. "Der offensichtliche Ort, um sie wieder anzusiedeln, ist in Amerika, weil sie dort weniger leicht getötet werden können und es einfacher ist, sie dort unter einer neuen Identität zu beschützen", fügte eine mit den Verhandlungen vertraute Geheimdienstquelle hinzu.

Sergej Skripal, 66, ist wach, seine Genesung hinke jedoch hinter der seiner Tochter "weiter zurück", berichtet die Times. Ein anonymer Geheimdienstmitarbeiter sagte der Zeitung, dass die britische Regierung "hoffe, dass sie uns beide bei der Aufklärung unterstützen können, was geschehen ist". Trotz ihrer Genesung sagten leitende Beamte, dass das Leben für die Skripals "wahrscheinlich nie wieder dasselbe sein würde" und dass sie Verletzungen haben könnten, die "fortwährende medizinische Versorgung erfordern".

Großbritannien will offenbar weiter daran arbeiten, Beweise für die Schuld Russlands zu Tage zu fördern. Hochrangige Beamte in Downing Street versuchen laut Times, den nationalen Sicherheitsberater Mark Sedwill und die britischen Spionagechefs dazu zu bringen, mehr von den Geheimdienst-Erkenntnisse zu enthüllen, mit denen die Briten ihre Verbündeten davon überzeugt haben, dass der bei dem Angriff eingesetzte Nervenkampfstoff aus Russland gekommen sei.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung.  Bitte Unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Panorama
Panorama Grillmarkt in der Krise? Holzkohle wird teurer
03.07.2025

Grills verkaufen sich längst nicht mehr von selbst. Nach Jahren des Booms mit Rekordumsätzen schwächelt die Nachfrage. Händler und...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliarden für Dänemark – Deutschland geht leer aus
03.07.2025

Dänemark holt 1,7 Milliarden DKK aus Deutschland zurück – ohne die deutsche Seite zu beteiligen. Ein heikler Deal im Skandal um...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen im Visier: Schweiz plant Enteignung durch Erbschaftssteuer für Superreiche
03.07.2025

Die Schweiz steht vor einem Tabubruch: Kommt die 50-Prozent-Steuer auf große Erbschaften? Die Eidgenossen debattieren über ein riskantes...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Drogeriehandel: Wie dm, Rossmann und Müller den Lebensmittelmarkt verändern
03.07.2025

Drogeriemärkte verkaufen längst nicht mehr nur Shampoo und Zahnpasta. Sie werden für Millionen Deutsche zur Einkaufsquelle für...

DWN
Technologie
Technologie KI-Gesetz: Bundesnetzagentur startet Beratungsservice für Unternehmen
03.07.2025

Die neuen EU-Regeln zur Künstlichen Intelligenz verunsichern viele Firmen. Die Bundesnetzagentur will mit einem Beratungsangebot...

DWN
Panorama
Panorama Sprit ist 40 Cent teurer an der Autobahn
03.07.2025

Tanken an der Autobahn kann teuer werden – und das oft völlig unnötig. Eine aktuelle ADAC-Stichprobe deckt auf, wie groß die...

DWN
Politik
Politik Brüssel kapituliert? Warum die USA bei den Zöllen am längeren Hebel sitzen
03.07.2025

Die EU will bei den anstehenden Zollverhandlungen mit den USA Stärke zeigen – doch hinter den Kulissen bröckelt die Fassade. Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen USA dominieren die Börsen
03.07.2025

Die Börsenwelt bleibt fest in US-Hand, angeführt von Tech-Giganten wie Nvidia und Apple. Deutsche Unternehmen spielen nur eine...