Vor gut einem Jahr hätte sich vermutlich keiner der Chefs der europäischen Notenbanken und erst recht keiner der Ratsmitglieder der EZB zu einem Gedanken über das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone hinreißen lassen. Doch die Situation hat sich geändert. Die griechischen Bürger haben die linksradikale Syriza Partei mit ihrem Parteichef Alexis Tsipras zur zweitstärksten Partei gemacht. Eine Partei, die keine Koalition mit den etablierten Parteien eingehen will und das Sparpaket aufkündigen möchte. Nun, da weder die drei stärksten Parteien in der Lage waren, eine Regierung zu bilden, und auch die Gespräche zwischen dem griechischen Präsidenten und den griechischen Parteien bisher erfolglos verlaufen (hier), scheint sich Griechenland immer weiter von dem Euro zu entfernen.
Und genau diese Distanz spiegelt sich mittlerweile auch bei den Chefs der europäischen Zentralbanken wieder. Plötzlich ist ein Austritt Griechenlands kein Todesurteil mehr für die gemeinsame Währungsunion – und man kann und muss angesichts der politischen Lage in Griechenland nun offen darüber diskutieren. „Ich denke, eine einvernehmliche Trennung - wenn das überhaupt notwendig wäre - wäre das möglich, aber ich würde es immer noch bereuen“, sagte der Gouverneur der belgischen Zentralbank, Luc Coene, der FT. Ähnlich charmant drückte es auch Patrick Honohan von der irischen Zentralbank aus. „Es können Dinge vorkommen, die in den Verträgen nicht bedacht wurden“, erklärte er auf einer Konferenz in Estland, technisch könne ein Austritt Griechenlands bewältigt werden. Es sei nicht unbedingt „tödlich, aber es ist nicht attraktiv“.
Im Dezember vergangenen Jahres warte EZB-Chef Mario Draghi noch vor den „unabsehbaren Folgen“ für die Währungsunion und auch zurzeit lässt sich Mario Draghi zu keiner Diskussion über einen solchen Austritt hinreißen. Doch die Zentralbanker um ihn herum zeigen, dass sich die Meinung innerhalb der EZB doch zunehmend von der Mario Draghis abhebt. Bundesbankpräsident, Jens Weidmann, sagte am Wochenende, „die Folgen für Griechenland wären gravierender als für den Rest der Eurozone“. Zentralbanker in ganz Europa haben damit begonnen, die Möglichkeit eines Euro-Austritts Griechenlands und den Umgang mit den Konsequenzen daraus zu diskutieren, bestätigte Per Jansson von der Schwedischen Riksbank der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Doch auch auf rein politischer Ebene wird dies immer häufiger in Betracht gezogen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte vergangene Woche: „Wir haben in den letzten zwei Jahren viel gelernt und Schutzmechanismen eingebaut.“ Die Ansteckungsgefahren für andere Länder der Euro-Zone seien geringer geworden. EU-Währungskommissar Olli Rehn teilt diese Ansicht. In Tallinn erklärte er, dass die Region jetzt besser vorbereitet sei, als noch vor zwei Jahren. „Europa würde auch leiden, aber Griechenland würde mehr leiden“. Nichts desto trotz versucht man, Griechenland entgegenzukommen (mehr hier), denn interessanter Weise halten Analysten das Szenario eines Austritts noch immer für relativ gefährlich für die Eurozone. Die Ratingagentur Fitch erwägt sogar, in einem solchen Fall alle verbleibenden Länder der Eurozone herabzustufen (mehr hier) und auch Goldman Sachs warnt vor einem Austritt Griechenlands (hier).