Finanzen

Schulden-Konditionen für Europas Unternehmen verschärfen sich

Die Finanzierungsbedingungen für europäische Unternehmen verschärfen sich erstmals seit Jahren wieder. Die Schuldenstände sind inzwischen so hoch wie nie zuvor.
14.05.2018 17:24
Lesezeit: 2 min

Die Finanzierungsbedingungen für europäische Unternehmen verschärfen sich erstmals wieder, seitdem die Europäische Zentralbank im Juni 2016 damit begonnen hatte, Unternehmensanleihen aufzukaufen. Diese Entscheidung der Notenbank hatte bislang garantiert, dass die von Unternehmen aus dem Euroraum zu zahlenden Zinsen auf Anleihen künstlich gedrückt wurden.

Wie der englischsprachige Dienst von Reuters berichtet, haben sich die Finanzierungsbedingungen zur Aufnahme neuer Schulden oder zur Rückzahlung alter Kredite in den vergangenen Wochen nun erstmals merklich verschärft. So stiegen die Zinsen im Iboxx-Index – welcher die durchschnittlichen Renditen in verschiedenen Anleiheklassen darstellt – auf aktuell etwa 1,18 Prozent. Im Jahr 2016 hatten sie hingegen mit 0,69 Prozent ihren bisherigen Tiefstand erreicht.

Erste Vermögensverwalter beginnen deshalb damit, sich aus Unternehmensanleihen zurückzuziehen oder sogar auf sinkende Kurse zu wetten, berichtet Reuters. Zudem sei es in letzter Zeit vermehrt vorgekommen, dass Unternehmen nicht genügend Käufer für Anleihen gefunden haben – etwas, was in den vergangenen beiden Jahren der EZB-Interventionen praktisch nicht vorkam.

Der Hintergrund für sie Skepsis der Geldgeber besteht darin, dass die EZB offenbar schleichend ihre Käufe von Unternehmensanleihen zurückfahren will. Wie der Finanzblog Wolfstreet berichtet, ist der Umfang der Käufe im April überraschend deutlich zurückgegangen. „Die Kauf-Rate im Zuge des Corporate Sector Purchase Programme sank im April um 50 Prozent auf rund 700 Millionen Euro von einem Umfang von etwa 1,4 Milliarden Euro in den Monaten des ersten Quartals, wie aus einer Analyse der Deutschen Bank hervorgeht. Das könnte bedeuten, dass die EZB einen ‚verdeckten Rückzug‘ gestartet hat, um den europäischen Anleihemarkt langsam und unscheinbar von den Unterstützungen durch die EZB zu entwöhnen.“

Für viele Unternehmen könnte ein Rückzug der EZB jedoch bedrohlich werden. Die Bank of America schätzt, dass bis zu 50 der 600 größten Unternehmen der Eurozone als „Zombie-Firmen“ eingestuft werden können, berichtet CNBC. Dies sind Unternehmen, welche den Betrieb nur noch mithilfe fortgesetzt aufgenommener Neuschulden aufrechterhalten können.

Die EZB hat seit Anfang 2016 Anleihen europäischer Unternehmen im Gesamtumfang von etwa 143 Milliarden Euro gekauft und die Renditen der Papiere dadurch künstlich gedrückt. Sollte sich die EZB zurückziehen, dürften die Zinsen deutlich steigen und zahlreiche Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Denn diese hatten in den vergangenen Jahren so viel neue Schulden aufgenommen wie nie zuvor. „Im Markt für Unternehmensanleihen herrscht derzeit große Unsicherheit. In Europa hatte die EZB den Markt gestützt und in den USA und China ist der Verschuldungsgrad der Unternehmen recht hoch. Wenn man die wenigen Konzerne – welche über große Barreserven verfügen – herausrechnet, sehen die Zahlen noch düsterer aus“, wird eine Analyst von Allianz Global Investors zitiert, welche Vermögenswerte von insgesamt fast 500 Milliarden Dollar verwalten.

Das größte Problem dürften tatsächlich Unternehmen aus den USA bekommen. Diese haben sich seit der Finanzkrise 2008 in enormem Umfang verschuldet. Angetrieben von der expansiven Geldpolitik der Zentralbank Federal Reserve stieg das Verhältnis von Unternehmensschulden zum Bruttoinlandsprodukt auf 152 Prozent. In China soll es über 200 Prozent betragen und in der Eurozone um die 160 Prozent.

„US-Unternehmen haben ihre Verschuldung deutlich gesteigert, aber viele haben das Geld dazu verwendet, um ihre eigenen Aktien zurückzukaufen. Also könnte sie unter Druck geraten“, wird ein Analyst der französischen Großbank BNP Paribas zitiert. „Der Druck im Markt für Unternehmensanleihen ist in den USA größer, könnte aber auch Europa betreffen.“

Ein Zeichen dafür, dass die Geldgeber zunehmend vorsichtiger werden, ist die sinkende Nachfrage von Investoren bei Anleiheemissionen in Europa. Der britische Technologiekonzern Relx kündigte am 15. März die Aufnahme von 600 Millionen Euro durch Anleihen an, musste diesen Wunsch aber auf 500 Millionen Euro zurückstufen. „In einem Markt, auf dem es bislang zwei- bis dreimal soviel Kredit-Angebot als Nachfrage gab, war das nichts weniger als ein Schock“, schreibt Reuters.

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