Gemischtes

Heiko Maas will die herrschende Weltordnung retten

Lesezeit: 3 min
29.05.2018 15:42
Bundesaußenminister Heiko Maas will in New York für den Bestand der herrschenden Weltordnung kämpfen.
Heiko Maas will die herrschende Weltordnung retten

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Bundesaußenminister Heiko Maas ist erst seit kurzem auf der politischen Weltbühne aktiv. Der Saarländer, der in Deutschland mit dem Netzdurchsetzungsgesetz einen wichtigen Beitrag zur Etablierung eines kontrollierten Nachrichtenflusses in Europa geleistet hat, will nun die ganze Welt in das Zentrum seiner Aktivitäten rücken: Deutschland werde den Kampf für den Multilateralismus in den Sicherheitsrat tragen, kündigte er auf der "Global Solutions"-Veranstaltung in Berlin an. Man wolle in New York die Themen auf die Agenda setzen, die "wichtig sind für den Erhalt der multilateralen Weltordnung", sagte Maas auf. Wegducken gehe dann nicht mehr: "Im Sicherheitsrat wird man Farbe bekennen müssen." US-Präsident Trump sei laut Reuters nach Einschätzung der deutschen Diplomatie dabei, die Weltordnung systematisch zu zerlegen, auf die eine Exportnation und Mittelmacht wie Deutschland besonders angewiesen ist. Derzeit habe das Recht des Stärkeren Konjunktur, nicht die Stärke des Rechts, klagte Maas.

Bundeskanzlerin Merkel will ebenfalls für die multilateriale Weltordnung kämpfen – obwohl diese nachweislich auch in vielen Bereichen schwere Schäden verursacht. "Deutschlands Bewerbung um einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen steht für unser Bekenntnis zur internationalen Ordnung – und dafür, dass wir bereit sind, Mitverantwortung zu tragen", betonte Merkel unlängst. Außenminister Maas wurde noch etwas deutlicher:

Die Transatlantiker reagieren mit Verwunderung auf die großen Ankündigungen der Deutschen – und betrachten die Ansprüche als Heuchelei: Der Europa-Experten beim German Marshall Fund, Jan Techau, sagte Reuters: "Das deckt sich 100 Prozent mit der deutschen Staatsräson, seit der Gründung der Bundesrepublik die Stärkung internationaler Strukturen voranzutreiben." Techau rekurrierte auf das bekannte Argument, dass deutsche Regierungen wegen der Verantwortung Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg immer besonders interessiert an einer regelbasierten internationalen Ordnung gewesen. "Das ist auch gut so. Aber dass die Bundesregierung ausgerechnet wegen Trump zur Verteidigung des Multilateralismus bläst, hat einen schalen Beigeschmack", kritisierte Techau. Denn Deutschland gleiche seit langem einem Schwergewichts-Boxer, der aus Angst vor Blessuren lieber in unteren Gewichtsklassen boxe.

Die Bundesregierung verhalte sich vor allem verbal, aber oft nicht in der Sache vorbildlich, sagte Techau mit Hinweis auf das deutsche Engagement etwa in NATO und EU. "Man singt gerne das Lied des Multilateralismus, aber es darf nichts kosten", sagte er auch mit Blick auf den Verteidigungsetat, den Techau einen "Abrüstungshaushalt" nennt. Tatsächlich hat Deutschland seine Militärausgaben in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesteigert.

Auch die Grünen sehen wenig Glaubwürdigkeit in den Aussagen der Bundesregierung. Sie finden, dass die Regierung sich zwar immer wieder laut zum Klimaschutz bekenne, aber wegen der starken Kohlenutzung längst kein Vorbild mehr sei. "Und bei Iran ist es zwar richtig, am Atomabkommen festzuhalten – aber man stellte sich lange taub zur amerikanischen Kritik an Teherans Rolle in der Region und das Raketenprogramm", kritisiert Techau. Reuters fügt noch weiteres Tatbestände im deutschen Sündenregister hinzu: "In der EU wiederum bemängeln Ökonomen und einige EU-Regierungen, dass man in Deutschland als Euro-Hauptprofiteur einfach nicht verstehen wolle, dass es mehr für die Stabilität der Euro-Zone tun müsse – auch wenn dies den Abschied von alten Positionen etwa bei der Bankenunion oder der bisher rein nationalen Kreditaufnahme bedeute."

"Es gibt nichts Besseres als den multilateralen Ansatz, um die Gestaltung der Globalisierung (...) nicht Akteuren zu überlassen, die ausschließlich ihre eigenen Interessen und nicht das Gemeinwohl im Sinn haben", hatte Merkel am Montag gesagt. Also müsse man dafür kämpfen. Bereits mit ihren Reisen nach Russland und China sowie dem Festhalten am Atomabkommen mit dem Iran hat die Kanzlerin klar gemacht, dass Deutschland und die EU dem Trump-Kurs trotzen wollen. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betont stets eine "Souveränität Europas" – denkt aber nicht daran, die nationalen Interessen Frankreichs aufzugeben.

Die Aussagen von Merkel und Maas sind als dezente Bewerbungsreden zu verstehen: Am 8. Juni steht die Wahl für den Sicherheitsrat an. Maas und Merkel setzen darauf, dass die ganz große Mehrheit der UN-Mitglieder einen multilateral ausgerichteten Staat in den seit Jahrzehnten von fünf Veto-Mächten kontrollierten Sicherheitsrat wählen will.

Allerdings droht bereits nach dem 1. Juni eine neue Eskalation, wenn die US-Regierung die EU tatsächlich mit Einfuhrzöllen für Stahl und Aluminium überziehen sollte. Dann kann die EU nicht anders, als mit Vergeltung zu reagieren. Aber auch dann, so Merkel, werde die EU ausschließlich Gegensanktionen in Einklang mit geltenden WTO-Regeln verhängen.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Osterfreude und EM-Fieber: Hoffnungsschimmer für Einzelhandel
28.03.2024

Das Ostergeschäft verspricht eine Wende für den deutschen Einzelhandel - nach einem düsteren Februar. Wird die Frühlingshoffnung die...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienkrise für Banken noch nicht überwunden
28.03.2024

Die deutschen (Pfandbrief-)Banken sind stark im Gewerbeimmobilien-Geschäft engagiert. Das macht sie anfällig für Preisrückgänge in dem...