Politik

Handelskrieg: Deutsche Auto-Aktien geraten unter Druck

Die Gewinnwarnung von Daimler ist ein erstes Anzeichen, dass die deutschen Autobauer den Handelskrieg der US-Regierung zu spüren bekommen.
21.06.2018 11:05
Lesezeit: 3 min

Als erster Dax-Konzern rechnet Daimler mit einem Gewinnrückgang und hat eine entsprechende Warnung ausgegeben.

Daimlers Gewinnwarnung im Zuge des amerikanisch-chinesischen Handelsstreits hat am Donnerstag die Anleger an den Aktienbörsen verprellt. Der Dax fiel um 1,4 Prozent auf 12.512 Punkte, der EuroStoxx50 verlor gut ein Prozent. Auch in New York sanken die Kurse. Bis zum Handelsschluss in Europa verlor der Dow Jones etwa 0,6 Prozent. "Die heutige Gewinnwarnung von Daimler könnte nur der Anfang sein in einer Kette von negativen Effekten des Handelsstreits auf die Weltwirtschaft, so die Angst an der Börse", sagte Marktanalyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets.

Der Autobauer rechnet damit, dass die angekündigten höheren Importzölle in China auf Einfuhren aus den USA Absatz und Gewinnbeitrag von Mercedes-Benz-SUVs drücken könnten. Die Daimler-Aktien fielen um 4,3 Prozent auf ein Zwei-Jahres-Tief von 57,84 Euro. Experten fürchten, andere Autobauer könnten bald dem Beispiel folgen und ihre Prognosen senken. Ohnehin sei die Branche nach der Verhaftung des Chefs der VW-Tochter Audi im Sog der Dieselaffäre in dieser Woche in Aufruhr. "Wir glauben nicht, dass Daimler der einzige Autobauer bleibt, der seinen Ausblick senkt", erklärten die Analysten von Morgan Stanley.

BMW kündigte an, seine strategischen Optionen zu prüfen. Die Aktien von BMW, von Volkswagen und des Reifenherstellers Continental verloren je etwa drei Prozent. Einige Autozulieferer standen noch stärker unter Druck. So fielen die Papiere des Scheinwerferherstellers Hella im MDax um über fünf Prozent. Die Aktien ausländischer Konkurrenten wie Peugeot in Paris sowie Ford, GM und Tesla in New York verloren zwei bis drei Prozent.

Die noch gar nicht geltenden höheren Importzölle in China auf Einfuhren aus den USA könnten Absatz und Gewinnbeitrag von Mercedes-Benz-SUVs drücken, wie der Autobauer am Mittwochabend per Pflichtmitteilung erklärte. Der operative Konzerngewinn (Ebit) werde leicht unter Vorjahr liegen statt leicht darüber. Analysten warnten, auch andere Autokonzerne - vor allem BMW - könnten Gewinneinbußen erleiden. Wegen des befürchteten Dämpfers der Zölle für die hoch exportabhängige deutsche Wirtschaft haben schon mehrere Forschungsinstitute ihre Wachstumsprognosen für 2018 und 2019 auf weniger als zwei Prozent gesenkt.

"Es gibt eindeutig viel Gegenwind", erklärten die Analysten vom Investmentberater Evercore ISI der Nachrichtenagentur Reuters. "In der Regel bleibt die erste Gewinnwarnung nicht die letzte." Auch die Analysten von Morgan Stanley rechnen damit, dass die SUV-Exporte von BMW aus den USA ähnlich unter den Entwicklungen im Zollstreit leiden dürften. Um die US-Wirtschaft gegen Importe abzuschotten, haben die USA unter Trump Zölle auf zahlreiche chinesische Produkte erlassen, was China mit höheren Abgaben auf US-Waren beantwortete. Derzeit drohen die USA, die Spirale des Protektionismus weiter zu drehen - China hat für diesen Fall Vergeltung angekündigt, zum Beispiel mit 25 Prozent Zoll auf Autoimporte aus den USA. Die deutschen Hersteller mit ihren Werken in den USA haben einen großen Anteil an den dann betroffenen etwa 270.000 Exportfahrzeugen, und zwar in erster Linie die besonders profitablen Geländewagen.

Immer mehr Länder wehren sich gegen höhere US-Zölle, zuletzt kündigten die Türkei und Indien Vergeltungsmaßnahmen an. Auch zwischen den USA und Europa eskaliert der Handelsstreit weiter. Trump hat schon seit Beginn seiner Amtszeit die deutschen Autobauer im Visier und schimpfte mehrmals über die vielen Mercedes-Pkw auf den Straßen von New York. Die EU ist gerade dabei, die Vergeltungszölle für die von den USA verhängten Abgaben auf Stahl und Aluminium einzuführen.

Nach einem Bericht des Wall Street Journal ist die deutsche Autoindustrie bemüht, mit dem US-Botschafter in Deutschland Richard Grenell ins Gespräch zu kommen. Demnach will sie sich für eine Abschaffung der Autozölle in der EU einsetzen, damit die Amerikaner auf die Handelshürde verzichten. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) erklärte, einen Vorschlag ausschließlich zum Abbau der Autozölle gebe es nicht. Doch plädiere die deutsche Autoindustrie dafür, im Dialog zu bleiben und Handelshürden über ein Abkommen nach Regeln der Welthandelsorganisation WTO abzubauen.

Über der Autoindustrie brauen sich dunkle Wolken zusammen - nicht nur durch Zölle, steigende Rohstoffkosten und ungünstigeren Wechselkurs. Die deutschen Hersteller haben in Europa auch mit der Umstellung auf strengere Abgaswerte durch das ab September geltende neue Messverfahren WLTP zu kämpfen, weil nicht alle Modelle rechtzeitig mit Benzin-Partikelfilter ausgestattet werden können und im Angebot fehlen. Am deutlichsten warnte bisher Volkswagen vor Belastungen dadurch. Daimler führte ebenfalls WLTP als gewinndämpfenden Faktor an, obwohl das Unternehmen bisher erklärte, nur wenige Modellvarianten seien betroffen.

Zu Buche schlagen laut Daimler außerdem die Kosten für den Rückruf von rund 4900 Exemplaren des Diesel-Transporters Mercedes Vito, den das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) kürzlich anordnete. Insgesamt muss der Stuttgarter Autobauer 774.000 Pkw-Modelle wegen überhöhter Stickoxid-Emissionen in die Werkstätten rufen - ein Großteil davon war aber schon bei der 2017 angekündigten freiwilligen Rückrufaktion eingeplant. Noch nicht absehbar ist, wie sich das auf Rückstellungen für Rechtskosten auswirken könnte, denn das KBA wirft Daimler vor, die Abgasreinigung durch eine unzulässige Abschalteinrichtung gedrosselt zu haben. Der Autokonzern will dagegen rechtlich vorgehen. Ein Ordnungsgeld von 5000 Euro pro Fahrzeug steht dem Verkehrsministerium zufolge entgegen der Aussage von Daimler-Chef Dieter Zetsche noch immer im Raum. In den USA laufen die Ermittlungen zu Abgasmanipulation noch, ein Bußgeld ist auch hier nicht ausgeschlossen.

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