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Drei EU-Länder dementieren Flüchtlings-Deal mit Merkel

Lesezeit: 3 min
30.06.2018 18:18
Polen, Ungarn und Tschechien geben an, dass sie, anders als von der Bundeskanzlerin angegeben, keinen Flüchtlings-Deal mit Merkel geschlossen haben.
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Nach Ungarn hat auch Polen bestritten, ein Abkommen mit Deutschland zur beschleunigten Rückführung von Flüchtlingen geschlossen zu haben. "Es gibt keine neuen Vereinbarungen, die Aufnahme von Asylsuchenden von EU-Ländern betreffend", sagte der Sprecher des polnischen Außenministeriums, Artur Lompart, am Samstag. Zuvor hatte bereits Ungarn angegeben, dass es keinen derartigen Deal gäbe. Medienberichten zufolge wies auch die tschechische Regierung zurück, Merkel Zusagen zur beschleunigten Rückführung von Migranten gegeben zu haben.

Die drei Länder sind zusammen mit elf anderen Staaten in einem Reuters vorliegenden Papier genannt, das die Ergebnisse Merkels bei den Verhandlungen in Brüssel zusammenfasst. Zuvor gab es bereits Zusagen von Spanien und Griechenland. Daneben haben sich dem Schreiben zufolge noch Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Litauen, Lettland, Luxemburg, Niederlande, Portugal und Schweden zu entsprechenden Verwaltungsabkommen bereiterklärt. Dabei geht es darum, die Rücküberstellungen von Migranten zu beschleunigen, die unter die sogenannte Dublin-Verordnung fallen. Ziel sei es, Rückführungsprozesse zu beschleunigen und Hindernisse bei der Rücknahme zu beseitigen, hieß es in dem Papier.

Ungarn hat bestritten, ein Abkommen mit Deutschland zur beschleunigten Rückführung von Flüchtlingen geschlossen zu haben. "So eine Vereinbarung ist nicht erreicht worden", sagte der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs am Samstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Medienberichten zufolge wies zudem die tschechische Regierung zurück, Merkel Zusagen zur beschleunigten Rückführung von Migranten gegeben zu haben.

Beide Länder sind zusammen mit zwölf anderen Staaten in einem Reuters vorliegenden Papier genannt, das die Ergebnisse Merkels bei den Verhandlungen in Brüssel zusammenfasst. Dabei geht es darum, die Rücküberstellungen von Migranten zu beschleunigen, die unter die sogenannte Dublin-Verordnung fallen. Ziel sei es, Rückführungsprozesse zu beschleunigen und Hindernisse bei der Rücknahme zu beseitigen, hieß es in dem Papier.

Die flüchtlingspolitischen Vereinbarungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit anderen EU-Staaten sind deutlich weitgehender als zunächst bekannt. Wie die Kanzlerin den Koaltionspartnern SPD und CSU mitteilte, erreichte sie in Brüssel außer mit Spanien und Griechenland noch mit 14 weiteren EU-Staaten Absprachen über eine Rücknahme von dort bereits registrierten Flüchtlingen. SPD-Chefin Andrea Nahles begrüßte am Samstag die EU-Gipfelergebnisse, meldete aber zugleich Vorbehalte an.

Merkel hatte die Spitzen von SPD und CSU am Freitagabend über die Brüsseler Entscheidungen informiert. Laut einem Bericht der Kanzlerin, der AFP am Samstag vorlag, sollen es die mit den anderen beteiligten EU-Staaten geplanten bilateralen Verwaltungsvereinbarungen erleichtern, Flüchtlinge wieder zurückzuschicken, wenn diese bereits dort registriert wurden. Zusagen für solche Vereinbarungen gibt es demnach von Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Litauen, Lettland, Luxemburg, den Niederlanden, Polen, Portugal, Schweden, Tschechien und Ungarn.

Die zudem geplanten Abkommen mit Griechenland und Spanien sehen ebenfalls eine erleichterte Rücknahme von dort zuvor registrierten Flüchtlingen vor. Allerdings verpflichtet sich Deutschland im Gegenzug, die Aufnahme von Flüchtlingen aus diesen Ländern zu beschleunigen, von denen bereits Angehörige in Deutschland als schutzbedürftig anerkannt wurden. Entsprechende Fälle sollen "schrittweise abgearbeitet" werden.

Nahles bekräftigte in Berlin ihre grundsätzliche Unterstützung für die EU-Gipfelbeschlüsse, stellte aber klar, die geplanten Flüchtlingszentren in EU-Staaten dürften "keine geschlossenen Einrichtungen sein". Dies habe ihr Merkel auch zugesichert. Zudem solle sich mit einer stärkeren Verantwortungsübernahme durch die EU die humanitäre Lage in Aufnahmeeinrichtungen in einigen südeuropäischen Ländern, die "teilweise absolut katastrophal" sei, "deutlich verbessern". Nahles forderte auch, dass jeder Flüchtling dort einen Anwalt bekommen und seine Rechte wahrnehmen könne.

Zu ebenfalls geplanten Aufnahmeeinrichtungen in nordafrikanischen Staaten sagte Nahles: "Wir halten es nicht für wahrscheinlich, dass es dazu kommt und wir sind auch nicht überzeugt von dieser Idee." Zudem sei überhaupt noch nicht klar, ob einer der betroffenen Staaten zum Aufbau eines solchen Lagers bereit sei. Auch nach dem Papier Merkels soll die Möglichkeit dafür zunächst nur "ausgelotet" werden.

Vorsichtige Töne kamen von der CSU. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder legte sich auf einem CSU-Bezirksparteitag im oberfränkischen Heroldsbach hinsichtlich der Bewertung der Gipfelergebnisse nicht fest. Er räumte aber am Rande des Parteitags ein, es sei in Brüssel mehr erreicht worden "als ursprünglich gedacht". Allerdings sei Manches noch "ungenau und vage".

Die CSU will am Sonntag entscheiden, ob sie mit Blick auf die EU-Beschlüsse zugunsten eines härteren Kurses in der Flüchtlingspolitik auf einen nationalen Alleingang mit Zurückweisungen von bereits in anderen EU-Staaten registrierten Flüchtlingen an der deutschen Grenze verzichtet. Merkel hatte einen solchen Alleingang stets abgelehnt und stattdessen auf gemeinsamen europäischen Lösungen beharrt. Sie sieht sich darin durch die erreichten Absprachen auf EU-Ebene bestärkt.

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