Politik

IWF liefert pessimistische Prognose für Konjunktur ab

Der IWF gibt eine erstaunlich pessimistische Prognose ab. Die deutschen Wirtschaftsverbände schließen sich der Einschätzung an.
09.10.2018 23:57
Lesezeit: 3 min

Im Sog einer schwächeren Weltwirtschaft wird auch Deutschland die Folgen des von den USA angezettelten Handelsstreits stärker zu spüren bekommen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) kappte am Dienstag angesichts dieser und weiterer Risiken wie dem Brexit seine Wachstumsprognosen. So dürfte Europas größte Volkswirtschaft 2018 und 2019 jeweils nur noch um 1,9 Prozent zulegen. Damit würden 0,3 beziehungsweise 0,2 Prozentpunkte weniger herausspringen als bislang geschätzt.

Dazu passt, dass in Deutschland der lange Zeit als Wachstumstreiber fungierende Export inzwischen deutlich an Fahrt verliert. Die Firmen lieferten im August 0,1 Prozent weniger ins Ausland als im Vormonat und mussten damit überraschend ein Minus wegstecken. "Der Export dümpelt vor sich hin", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Mit Blick auf den Zollstreit zwischen den USA und China fügte er hinzu: "Und das dicke Ende kommt wohl erst noch."

Nach zuletzt ebenfalls schwachen Produktionsdaten äußerte sich DekaBank-Experte Andreas Scheuerle ähnlich skeptisch: "Es läuft derzeit nicht rund für die deutsche Konjunktur." Im dritten Quartal dürfte die Wirtschaft wohl nur noch um 0,1 Prozent zugelegt haben, nach 0,5 Prozent im Frühjahr. Der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts IMK, Gustav Horn, sieht den Aufschwung dennoch intakt: "Und wir haben gute Aussichten darauf, dass er der längste im vereinigten Deutschland wird."

Diese Stabilität beruhe darauf, dass die Abhängigkeit vom Außenhandel nicht mehr so hoch sei wie noch vor einem Jahrzehnt. "Deutschland ist weiterhin exportorientiert, aber es ist nicht mehr die Fahne im Wind der Weltkonjunktur." Der IWF sieht auch die Aussichten für die globale Wirtschaft nicht mehr so rosig: Der Fonds senkte seine Vorhersage am Dienstag um jeweils 0,2 Prozentpunkte auf 3,7 Prozent in diesem und im nächsten Jahr. Der Welthandel werde in diesem Jahr mit 4,2 Prozent um 0,6 Prozentpunkte und im nächsten mit vier Prozent um 0,5 Prozentpunkte weniger stark ansteigen als bisher erwartet.

Die Weltwirtschaft wird laut IWF damit das Wachstumstempo des Jahres 2017 zwar halten: "Zugleich ist die Expansion aber unausgewogener geworden und dürfte in einigen wichtigen Volkswirtschaften den Höhepunkt überschritten haben." Die größte Belastung seien die Handelskonflikte, allen voran der Streit USA/China. Die beiden weltgrößten Volkswirtschaften überziehen sich seit Monaten mit Straf- und Vergeltungszöllen auf Waren im Wert von hunderten Milliarden Dollar. An den Märkten schürte das Sorgen vor einem Handelskrieg, der weltweit zu wirtschaftlichen Turbulenzen führen könnte.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte US-Präsident Donald Trump, der China Marktabschottung, unfaire Beihilfen für die eigene Wirtschaft und Technologiediebstahl vorwarf. Trump liegt auch mit anderen Wirtschaftsregionen beim Thema Handel über Kreuz, unter anderem mit der EU. Laut IWF kommen zu den konjunkturellen Risiken durch den Handelskonflikt auch weitere Unsicherheiten hinzu - etwa der 2019 anstehende EU-Ausstieg Großbritanniens. Sollten die Briten die EU ohne Freihandelsabkommen verlassen, würden auf die hiesigen Firmen Zölle von mehr als drei Milliarden Euro jährlich zukommen, hieß es in einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).

Besonders die Autoindustrie dürfte leiden: Auf sie würden rund 60 Prozent der deutschen Mehrkosten entfallen. Auf lange Sicht dürfte die Wirtschaft jedoch reagieren, also etwa die Preise anheben und Warenströme verlagern. "Dieses Horrorszenario sollte die Politik zum konstruktiven Handeln antreiben", sagt IW-Wissenschaftler Markos Jung. Rund fünf Prozent des deutschen BIP würden direkt und indirekt am Handel mit den Briten hängen. Das Königreich ist laut Statistischem Bundesamt 2017 der fünftgrößte Handelspartner Deutschlands gewesen - nach China, den Niederlanden, USA und Frankreich.

Die Prognosen des IWF haben am Dienstag die Anleger an der Wall Street verunsichert. Der Dow Jones der Standardwerte schloss 0,2 Prozent tiefer auf 26.430 Punkten. Der breiter gefasste S&P-500 sank 0,1 Prozent auf 2880 Zähler. Der Index der Technologiebörse Nasdaq trat bei 7738 Punkten in etwa auf der Stelle.

"Die gesenkten Wachstumsprognosen des IWF zeigen, wie groß die Gefahren für die Weltwirtschaft im Moment sind", sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners der Nachrichtenagentur Reuters.

Belastend wirkten sich auch weiterhin Spekulationen auf schneller anziehende US-Zinsen aus. "Steigende Zinsen sind ein doppelter Schlag für Aktien", sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Sie verteuerten Firmenkredite und machten Aktien im Vergleich zu den als sicherer geltenden Staatsanleihen weniger attraktiv. Die Allianz-Fondstochter Pimco stieß ins gleiche Horn. Pimco-Manager Mark Kiesel sagte in einem CNBC-Interview, dass Bonds verglichen mit Aktien zunehmend ansprechend aussähen. Zudem dürfte sich die Stärke des Dollar negativ auf die Gewinne der Unternehmen auswirken.

Auch der schwelende Handelsstreit bremste die New Yorker Börsen. Die chinesische Regierung ist Trump zufolge noch nicht bereit für eine Einigung. Einige Treffen mit chinesischen Vertretern seien deswegen abgesagt worden. Der US-Präsident drohte erneut mit einer weiteren Runde von Sonderzöllen auf chinesische Waren im Wert von 267 Milliarden Dollar.

Übernahmespekulationen trieben die Aktien von Papa John's um fast neun Prozent in die Höhe. Laut "Wall Street Journal" erwägt der aktivistische Fonds Nelson Peltz's Trian eine Übernahme der Pizzakette. Die Aktien von Walmart stiegen nach einer Kaufempfehlung der Deutschen Bank um 2,5 Prozent.

Die Papiere von American Airlines fielen dagegen um über sechs Prozent. Die Fluggesellschaft hatte mitgeteilt, dass die Kosten für Kerosin im dritten Quartal unerwartet hoch ausgefallen sind. Händler befürchten, dass die Anhebung der Ticketpreise nun nicht ausreicht, um die steigenden Energiekosten wettzumachen.

In Frankfurt schoben Schnäppchenjäger den Dax an. Der deutsche Leitindex, der noch in der Mittagszeit auf einem Sechs-Monats-Tief gelegen hatte, drehte ins Plus und schloss bei 11.977 Zählern 0,3 Prozent höher.

An der New York Stock Exchange wechselten rund 800 Millionen Aktien den Besitzer. 1650 Werte legten zu, 1869 gaben nach und 209 blieben unverändert. An der Nasdaq schlossen bei Umsätzen von 2,4 Milliarden Aktien 1216 im Plus, 1839 im Minus und 152 unverändert.

Die US-Kreditmärkte legten zu. Die zehnjährigen Staatsanleihen gewannen 5/32 auf 97-7/32. Die Rendite sank auf 2,2063 Prozent. Der 30-jährige Bond erhöhte sich um 16/32 auf 93-3/32 und rentierte mit 3,3685 Prozent.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kaffeepause statt Burn-out: Warum Müßiggang die beste Investition ist
12.07.2025

Wer glaubt, dass mehr Tempo automatisch mehr Erfolg bringt, steuert sein Unternehmen direkt in den Abgrund. Überdrehte Chefs,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Kapitalmarktunion im Rückstand: Banker fordern radikale Integration
12.07.2025

Europas Finanzelite schlägt Alarm: Ohne eine gemeinsame Kapitalmarktunion drohen Investitionen und Innovationen dauerhaft in die USA...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauzinsen aktuell weiterhin hoch: Worauf Häuslebauer und Immobilienkäufer jetzt achten sollten
12.07.2025

Die Zinsen auf unser Erspartes sinken – die Bauzinsen für Kredite bleiben allerdings hoch. Was für Bauherren und Immobilienkäufer...

DWN
Finanzen
Finanzen Checkliste: So vermeiden Sie unnötige Kreditkarten-Gebühren auf Reisen
12.07.2025

Ob am Strand, in der Stadt oder im Hotel – im Ausland lauern versteckte Kreditkarten-Gebühren. Mit diesen Tricks umgehen Sie...

DWN
Technologie
Technologie Elektrische Kleinwagen: Kompakte Elektroautos für die Innenstadt
12.07.2025

Elektrische Kleinwagen erobern die Straßen – effizient, kompakt und emissionsfrei. Immer mehr Modelle treten an, um Verbrenner zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Elterngeld: Warum oft eine Steuernachzahlung droht
12.07.2025

Das Elterngeld soll junge Familien entlasten – doch am Jahresende folgt oft das böse Erwachen. Trotz Steuerfreiheit lauert ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto ersetzt Börse: Robinhood bietet Token-Anteile an OpenAI und SpaceX
12.07.2025

Die Handelsplattform Robinhood bringt tokenisierte Beteiligungen an OpenAI und SpaceX auf den Markt. Doch was wie ein Investment klingt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Meta-KI: Facebook-Mutter wirbt KI-Top-Talente von OpenAI ab – Altman schlägt Alarm
12.07.2025

Der KI-Krieg spitzt sich zu: Meta kauft sich Top-Talente, OpenAI wehrt sich mit Krisenurlaub – und Europa droht im Wettrennen um die...