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Stress-Test: Große Banken in Europa geben Anlass zur Sorge

Lesezeit: 6 min
02.11.2018 23:36
Der EZB-Stresstest zeigt, dass die großen Banken in Europa im Falle einer neuen Krise anfällig für Verwerfungen sind.
Stress-Test: Große Banken in Europa geben Anlass zur Sorge

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Viele europäische Großbanken sind stabiler als noch vor ein paar Jahren - Schwachstellen gibt es aber in Großbritannien, Italien und Deutschland. Das ist das mit Spannung erwartete und teils überraschende Ergebnis des diesjährigen Fitness-Checks der Branche, dessen Ergebnisse die EU-Bankenaufsichtsbehörde EBA am Freitagabend in London veröffentlichte. Während die auf einem riesigen Berg fauler Kredite sitzenden italienischen Geldhäuser erwartungsgemäß bei dem Stresstest massiv Federn lassen mussten, hatten viele die Schwäche der britischen Traditionsinstitute so nicht auf dem Zettel. Bei den deutschen Banken lagen die NordLB und wie bereits bei früheren Tests die Deutsche Bank ganz hinten.

Bankenexperten wie Anat Admati warnen allerdings seit Jahren, dass die Kernkapitalquote bei den Banken insgesamt viel zu niedrig sei. Ein Stresstest hat daher nur begrenzte Aussagekraft.

Ein Überblick über die anfälligsten Geldhäuser in einer simulierten schweren Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt, dass auch die großen französischen Banken keine gute Ausgangslage haben:

Bank Stress (2020)

Barclays 6,37

Banco BPM 6,67

Lloyds 6,80

NordLB 7,07

UBI 7,46

Banco de Sabadell 7,58

Societe Generale 7,61

Deutsche Bank 8,14

La Banque Postale 8,22

Erste Group 8,45

BNP Paribas 8,64

Bei dem Stresstest mussten die Geldhäuser zeigen, wie robust ihre Kapitalpolster bei einer simulierten schweren Finanz- und Wirtschaftskrise sind. Die Rote Laterne bei der europaweiten Belastungsprobe trägt unerwartet das britische Bankhaus Barclays, gefolgt von der frisch fusionierten Banco BPM und der Llodys Banking Group. Die italienischen Häuser standen dieses Mal nicht zuletzt wegen des Haushaltsstreits zwischen der EU-Kommission und der Regierung in Rom besonders im Fokus. Auf der britischen Insel wiederum bibbern die Banker und viele ihrer Kunden vor dem nahenden Ausstieg des Landes aus der Europäischen Union. Um mehr Profit zu machen, sind die Institute im Königreich zuletzt riskantere Kreditengagements eingegangen, was sie - in einer simulierten Krise - anfälliger macht. Die Bank von England führt derzeit einen eigenen Stresstest durch, dessen Ergebnisse im Dezember veröffentlicht werden sollen.

Italiens Wirtschaftsminister Giovanni Tria erklärte, er nehme die Ergebnisse mit "Befriedigung" zur Kenntnis. Neben den beiden Großbanken Unicredit und Intesa Sanpaolo, die im Mittelfeld landeten, mussten die kleineren Banco BPM und UBI Banca ihre Stärke auch unter widrigen Bedingen beweisen. Allerdings war das Szenario für die italienischen Häuser weniger streng als für die deutschen Institute.

EZB mit Test zufrieden

Die Chefbankenaufseherin der Europäischen Zentralbank (EZB), Daniele Nouy zog ein positives Fazit des Stresstests, der die Aufseher und die Finanzwirtschaft seit Monaten in Atem gehalten hatte: "Das Ergebnis bestätigt, dass die teilnehmenden Banken in Bezug auf makroökonomische Schocks widerstandsfähiger sind als vor zwei Jahren", sagte die Französin, deren Amtszeit Ende des Jahres nach fünf Jahren endet.

Deutschland

Unter den deutschen Banken war die NordLB mit einer harten Kernkapitalquote von 7,07 Prozent im härtesten Szenario das Schlusslicht. Europaweit ist das der viertletzte Platz. Die Träger der Bank, die Länder Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und diverse Sparkassen, suchen seit Monaten fieberhaft nach Wegen, die Kapitalpolster zu stärken. Das Haus sitzt auf einem Milliardenberg fauler Schiffskredite.

Die Deutsche Bank hat im EU-weiten Stresstest für die Finanzbranche abermals einen Dämpfer bekommen, will sich jedoch in ihrem Kurs nicht beirren lassen. "Wir werden nach dem Stresstest nichts daran ändern, wie wir die Bank managen. Wir machen das mit internen Stresstests und im Einvernehmen mit unseren Aufsehern", sagte Finanzchef James von Moltke am Freitagabend der Nachrichtenagentur Reuters. Zuvor war bekannt geworden, dass die Kapitalquote der größten deutschen Bank in der mit Spannung erwarteten Belastungsprobe im härtesten Szenario bis auf 8,1 Prozent abgesackt war. Das Institut war mit einer Kapitalquote von rund 14 Prozent in den branchenweiten Test gegangen - der Rückgang ist also ziemlich deutlich.

Von Moltke erwartet dennoch nicht, dass die Aufseher von dem Geldhaus künftig fordern werden, noch mehr Kapital für den Krisenfall vorzuhalten. Bei dem Fitness-Check sei im Falle der Deutschen Bank zudem viel Positives nicht berücksichtigt worden beziehungsweise viele bereits abgearbeitete Probleme in den Test mit einbezogen worden, bemängelte von Moltke. 2016, bei der letzten großen EU-weiten Simulation, war das harte Kernkapital der Deutschen Bank auf 7,8 Prozent abgesackt.

Nach Einschätzung von Moltkes hätte es dieses Mal deutlich besser für die Frankfurter ausgesehen, wenn beispielsweise der schon weit fortgeschrittene Abbau des Derivateportfolios oder der Verkauf der polnischen Tochter im vergangenen Jahr anders berücksichtigt worden wäre. Letzterer hatte zum Beispiel zu einem Verlust geführt, den die Bank in dem Test nun während des ganzen simulierten Zeitraums bis 2020 mitschleppt. Hinzu kommt noch ein Basiseffekt, der dadurch entsteht, dass das Jahr 2017 - das als Grundlage für den Test genommen wurde - für die Deutsche Bank ein Verlustjahr war. Finanzkreisen zufolge summierten sich all diese Effekte auf rund 400 Basispunkte, die die Bank womöglich besser hätte abschneiden können.

Zusätzlich hatte die Deutsche Bank laut von Moltke wie andere heimische Kreditinstitute auch unter dem Design des Tests zu leiden. Die deutsche Volkswirtschaft sei mit einem "Stress" von 8,6 Prozent belastet worden. "Viel mehr als andere europäische Volkswirtschaften wie etwa Italien mit 6,5 Prozent oder Frankreich mit 6,4 Prozent." Ohne diese Aspekte hätte das Ergebnis der Deutschen Bank seiner Meinung nach "sehr viel vorteilhafter" ausgesehen.

Bei der Commerzbank, die beim Stresstest vor zwei Jahren noch das Schlusslicht bei den heimischen Banken war, sank die Kernkapitalquote unter Stress auf 9,93 Prozent - Grund zur Freude bei der zweitgrößten börsennotierten deutschen Bank. "Der konsequente Abbau der Risiken in den vergangenen Jahren zahlt sich aus", erklärte Risikovorstand Marcus Chromik. "Wir haben unser Ergebnis im Stresstest trotz eines nochmals verschärften Krisenszenarios deutlich verbessert."

Bundesbank zu deutschen Banken

Aus Sicht von Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling haben die deutschen Institute den Gesundheitscheck gut überstanden. Der simulierte Einbruch der Weltwirtschaft habe sich besonders stark auf die exportlastige deutsche Wirtschaft ausgewirkt. "Die positive Nachricht ist, dass die deutschen Banken diesen Stress gut verkraften können." Wuermeling ist bei der deutschen Notenbank für die Bankenaufsicht zuständig.

Nach Ansicht von Philipp Wackerback, Bankenexperte bei PwC, fielen die Ergebnisse europaweit nur wenig schlechter aus als beim Stresstest 2016, obwohl das Krisenszenario dieses Mal deutlich härter war. "An einzelne europäische Banken dürften die Regulatoren dennoch herantreten und eine Kapitalstärkung oder einen Risikoabbau verlangen." Wie schon beim vorangegangenen Stresstest 2016 konnte auch dieses Mal offiziell niemand durchfallen. Dennoch schauen sich Investoren sehr genau an, wie die Geldhäuser im Vergleich zur Konkurrenz abschneiden. Ingesamt wurden 48 Banken aus der EU und Norwegen geprüft, davon allein 37 aus der Währungsunion.

Italien

Die Ratingagentur DBRS hält die italienischen Banken im Falle anhaltender Turbulenzen an den Kapitalmärkten für anfällig. Eine längere Zeit von Börsenschwankungen und hohen Risikoaufschlägen könne für sie eine Herausforderung sein, teilten die kanadischen Bonitätswächter am Freitag mit. Unter anderem dürften dann das Geschäftsvertrauen und das Kreditwachstum beeinträchtigt werden. Vorläufig scheinen aus DBRS-Sicht aber die Gefahren für die Finanzstabilität eingedämmt, die durch den Rendite-Anstieg bei den italienischen Staatsanleihen ausgelöst worden seien. DBRS gehört zu den vier Agenturen, auf sich die EZB bei der Bewertung von Anleihen im Rahmen ihres billionenschweren Kaufprogramms stützt.

Die Ratingagentur rechnet kurzfristig mit keiner starken Belebung der Konjunktur in Italien. Künftig gehe es vor allem darum, ob die Regierung mit ihrer Politik das Wirtschaftwachstum unterstützen und nicht bremsen werde. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte in Italien im dritten Quartal zum Vorquartal. Weder der Außenhandel noch die Binnennachfrage lieferten Impulse.

Italiens Regierung aus rechter Lega und populistischer 5-Sterne-Bewegung liegt mit ihren Haushaltsplänen mit der EU-Kommission über Kreuz. Sie peilt für 2019 eine Neuverschuldung von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung an. Das ist drei Mal so viel wie es die Vorgängerregierung geplant hatte. Die neue Koalition will das Wachstum der drittgrößten Volkswirtschaft im Euro-Raum unter anderem mit Steuersenkungen und höheren Sozialausgaben ankurbeln. Die EU-Kommission fordert ein niedrigeres Defizit, die Finanzmärkte fürchten eine neue Schuldenkrise in Europa. Italien ist nach Griechenland der am höchsten verschuldete Staat in der Euro-Zone.

Großbritannien

Die britischen Banken Lloyds und Barclays demonstrieren nach ihrer Schwäche beim Stresstest Gelassenheit. Lloyds erklärte, die eigenen Kapitalpolster seien weiterhin stark. Das Traditionsinstitut erwarte, im Gesamtjahr zwei Prozentpunkte bei der harten Kernkapitalquote zuzulegen. Der Fitness-Test europäischer Banken hatte für Lloyds ergeben, dass dieser Wert in einem simulierten Stress-Szenario auf 6,8 Prozent zusammenschmilzt. Bei dem Rivalen Barclays waren es 6,37 Prozent. Barclays erklärte, das Geldhaus strebe weiterhin das Ziel von einer Quote von rund 13 Prozent an. Bei dem Stresstest mussten die Geldhäuser zeigen, wie robust ihre Kapitalpolster bei einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise wären.

Die beiden britischen Banken bestanden die Prüfung, schnitten aber überraschend schwach ab. In Großbritannien zittern die Banker und viele ihrer Kunden vor dem nahenden Ausstieg des Landes aus der EU. Um mehr Profit zu machen, sind die britischen Institute zuletzt riskantere Kreditengagements eingegangen, was sie in einer Krise anfälliger macht.

Österreich

Das Wiener Geldhaus Erste Group müsste im Falle einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise kräftig Federn lassen. Das Institut zählte beim europaweiten Stresstest der Finanzbranche zu den zehn schwächsten Banken. Die harte Kernkapitalquote würde im härtesten Krisenszenario von 12,9 Prozent per Jahresende 2017 auf 8,5 Prozent abschmelzen, wie die Bankenbehörde EBA am Freitagabend mitteilte. An der Prüfung nahm auch die Raiffeisen Bank International (RBI) teil, sie schnitt aber besser ab und landete im Mittelfeld. Bei der RBI fiel die harte Kernkapitalquote von 12,7 Prozent auf 9,7 Prozent.

Während sich die RBI zufrieden äußerten, nahm die Erste Group das Ergebnis "zur Kenntnis". Der Stresstest sei eine nützliche Übung zur Erhöhung der Transparenz. "Unsere harte Kernkapitalquote ist derzeit auf dem komfortablen Stand von 13,2 Prozent", sagte Bankchef Andreas Treichl. Die Bank habe dies vor allem durch ein Wachstum in Kerngeschäft in den osteuropäischen Ländern erreicht. Das Institut hatte am Morgen die Ergebnisse für das dritte Quartal veröffentlicht.

RBI-Chef Johann Strobl erklärte, sein Haus habe sich im Vergleich zum letzten Test deutlich verbessert. "Obwohl das Stressszenario diesmal noch strenger war und die positiven Kapitaleffekte aus dem Verkauf unserer polnischen Tochterbank noch nicht berücksichtigt sind." Die ehemalige RBI-Mutter, Raiffeisen Zentralbank (RZB), gehörte beim vorangegangenen Stresstest vor gut zwei Jahren noch zu den Schlusslichtern der geprüften Geldhäuser. Allerdings waren damals die eingeleiteten Schritte für einen Konzernumbau noch nicht berücksichtigt. Mittlerweile sind die beiden Institute verschmolzen und die Bank hat sich von einigen Töchterbanken getrennt.

Die Oesterreichische Nationalbank erklärte, im europäischen Vergleich lägen die beiden heimischen Institute noch immer unter dem Durchschnitt. "Die Stresstest-Ergebnisse zeigen somit einmal mehr, wie wichtig es war, dass die österreichischen Banken ihre Kapitalbasis über die letzten Jahre gestärkt haben", sagte Vize-Gouverneur Andreas Ittner. Die Vorstände der Finanzmarktaufsicht (FMA) mahnten die Institute, nun nicht nachzulassen: "Die Ergebnisse zeigen auch, dass sich die österreichischen Banken auf der in den vergangenen Jahren erreichten Eigenkapitalstärkung nicht ausruhen dürfen, sondern weiterhin große Anstrengungen unternehmen müssen, ihre Kapitalbasis aufzustocken", erklärten Klaus Kumpfmüller und Helmut Ettl.

Insgesamt mussten sich 48 Großbanken aus 15 EU-Ländern und Norwegen dem Stresstest unterziehen. Durchfallen konnte zwar niemand, die Aufseher werden die Ergebnisse jedoch nutzen, um einzelnen Banken bei Bedarf zusätzliche Auflagen zu machen.

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