Politik

Höchstes EU-Gericht stärkt Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern

Der EuGH hat die Rechte von Arbeitnehmern beim Urlaub in mehreren Fällen gestärkt.
06.11.2018 16:25
Lesezeit: 2 min

Die dpa-AFX analysiert ein aktuelles Urteil des EuGH:

Was geschieht mit dem Resturlaub eines gestorbenen Ehepartners? Und verfällt der Jahresurlaub automatisch, wenn ein Arbeitnehmer ihn nicht beantragt? Der Europäische Gerichtshof hat die Rechte von Arbeitnehmern am Dienstag in diesen Fragen deutlich gestärkt. Hintergrund der Urteile waren mehrere Fälle, die derzeit vor deutschen Gerichten verhandelt werden (Rechtssachen C-619/16, C-684/16, C-569/16 und C-570/16). Gewerkschafter reagierten erfreut.

Vor allem die Entscheidung zum etwaigen Verfall des Jahresurlaubs dürfte wohl fast jeden Arbeitnehmer - und somit auch jeden Arbeitgeber - betreffen. Dabei ging es um die Frage, ob nicht genommener Urlaub automatisch verfällt, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht beantragt hat. Das höchste EU-Gericht verneint dies und nimmt den Arbeitgeber in die Pflicht.

Dieser müsste nachweisen, dass er seinen Angestellten angemessen aufgeklärt und in die Lage versetzt habe, den Urlaub zu nehmen. Nur dann könne der Anspruch auf Urlaub oder Ausgleichszahlungen erlöschen, falls der Urlaub nicht genommen wird. Dies gelte sowohl für öffentliche als auch für private Arbeitgeber. Der EuGH begründete sein Urteil auch damit, dass die Arbeitnehmer im Verhältnis zum Chef in der schwächeren Position seien. Deshalb könnten sie davon abgeschreckt sein, auf ihr Urlaubsrecht zu bestehen.

"Das Urteil wird viele Arbeitgeber dazu veranlassen, die bisherige Urlaubspraxis zu hinterfragen", sagte Michael Fuhlrott, Professor für Arbeitsrecht an der Fresenius-Hochschule in Hamburg. "Arbeitgeber werden ihre Mitarbeiter womöglich künftig bereits zu Jahresbeginn verpflichten, die Urlaubszeiten festzulegen."

Annelie Buntenbach aus dem Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds begrüßte das Urteil: "Der EuGH hat klargestellt, dass es der Verantwortung des Arbeitgebers obliegt, den Urlaub zu gewähren. Das ist eine wichtige Grundsatzentscheidung zum Schutz der Arbeitnehmerrechte." Nach deutschem Recht erlischt der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub in der Regel am Ende des Arbeitsjahres, falls der Arbeitnehmer zuvor keinen Urlaubsantrag gestellt hat. Dadurch würden viele Firmen bevorteilt, sagte Buntenbach.

Hintergrund der EuGH-Entscheidung waren zwei Fälle aus Deutschland. Ein ehemaliger Rechtsreferendar des Landes Berlin hatte entschieden, in den letzten fünf Monaten seines Referendariats keinen Urlaub zu nehmen. Dafür fordert er vor Gericht finanziellen Ausgleich. Ein früherer Angestellter der Max-Planck-Gesellschaft streitet zudem für eine Auszahlung nicht genommenen Urlaubs aus zwei Jahren.

In einem weiteren Urteil entschieden die Luxemburger Richter, dass Erben Ausgleichszahlungen für nicht genommenen Urlaub eines Gestorbenen von dessen ehemaligem Arbeitgeber verlangen können - auch dann, wenn nationales Recht diese Möglichkeit wie in Deutschland eigentlich ausschließt.

Der EuGH betonte, der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub verfolge zweierlei Ziele. Zum einen solle er dem Arbeitnehmer Erholung ermöglichen. Die Richter räumten zwar ein: "Der Tod des Arbeitnehmers hat zwar (...) unvermeidlich zur Folge, dass ihm jede tatsächliche Möglichkeit genommen ist, die Entspannungs- und Erholungszeiten wahrzunehmen." Zudem bestehe aber der Anspruch auf Bezahlung während des Urlaubs. Dieser könne dem Arbeitnehmer und später auch den Erben nicht rückwirkend entzogen werden. Daran müssten sich sowohl staatliche als auch private Arbeitgeber halten. Zwei Witwen fordern vor deutschen Gerichten Ausgleichszahlungen für den nicht genommenen Jahresurlaub ihrer gestorbenen Ehemänner. In den konkreten Fällen müssen die nationalen Gerichte noch urteilen.

Christoph Kurzböck, der als Fachanwalt für Arbeitsrecht für die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Rödl & Partner arbeitet, sieht in den Urteilen eine deutliche Stärkung der Arbeitnehmer. "Die Bedeutung des Urlaubs als solches soll gestärkt und geschützt werden."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Alt gegen Jung: Wie die Generation Z das Arbeitsleben umkrempelt – und was zu tun ist
01.07.2025

Alt gegen Jung – und keiner will nachgeben? Die Generationen Z und Babyboomer prallen aufeinander. Doch hinter den Vorurteilen liegen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt ohne Erholung im Juni: Warten auf den Aufschwung
01.07.2025

Die erhoffte Belebung des Arbeitsmarkts bleibt auch im Sommer aus: Im Juni ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland nur minimal um...

DWN
Politik
Politik Schlachtfeld der Zukunft: Die Ukraine schickt ihre Kampfroboter ins Gefecht
01.07.2025

Die Ukraine setzt erstmals schwere Kampfroboter an der Front ein. Während Kiew auf automatisierte Kriegsführung setzt, treiben auch...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen bleibt Luxus: Immobilienpreise steigen weiter deutlich
01.07.2025

Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland sind erneut gestiegen. Laut dem Statistischen Bundesamt lagen die Kaufpreise für Häuser und...

DWN
Politik
Politik Trump und Musk im Schlagabtausch: Streit um Steuerpläne und neue Partei eskaliert
01.07.2025

Die Auseinandersetzung zwischen US-Präsident Donald Trump und dem Tech-Milliardär Elon Musk geht in die nächste Runde. Am Montag und in...

DWN
Politik
Politik Dänemark übernimmt EU-Ratsvorsitz – Aufrüstung dominiert Agenda
01.07.2025

Dänemark hat den alle sechs Monate rotierenden Vorsitz im Rat der EU übernommen. Deutschlands Nachbar im Norden tritt damit turnusmäßig...