Der im Januar 2019 neu zu besetzende Posten soll nach einer Entscheidung des EZB-Rats vom Mittwoch mit Andrea Enria besetzt werden, dem langjährigen Chef der EU-Bankenbehörde EBA. Er setzte sich im Rennen gegen Sharon Donnery aus Irland durch und wird damit neben EZB-Präsident Mario Draghi der zweite Italiener an einem der Schalthebel der EZB sein. Die Aufsicht ist jedoch von der Geldpolitik innerhalb der Zentralbank strikt getrennt.
Draghi hatte Italiens Finanzminister Giovanni Tria nach Informationen aus EU-Kreisen jüngst zu strenger Haushaltsdisziplin gemahnt. Dies sei aus Draghis Sicht wegen der hohen Schulden Italiens und des geringen Wirtschaftswachstums wichtig, sagten zwei EU-Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Die EU-Kommission lehnt den italienischen Haushaltsentwurf ab. Er sieht eine höhere Neuverschuldung vor, um kostspielige Wahlversprechen wie Steuersenkungen und ein niedrigeres Renteneintrittsalter zu finanzieren. Der Streit darüber hat an den Finanzmärkten zum Ausverkauf italienischer Staatsanleihen geführt.
Laut Draghi belastet der Kursverfall die Kapitalausstattung italienischer Banken. Diese haben heimische Staatstitel im Wert von insgesamt etwa 375 Milliarden Euro in ihren Bilanzen. Der italienische Vizeregierungschef Matteo Salvini von der rechten Liga geht jedoch nicht davon aus, dass eine heimische Bank in Schwierigkeiten geraten wird. Doch wenn es dazu komme, werden die Regierung blitzschnell "binnen einer Viertelstunde" einschreiten und die Sparguthaben der Bürger schützen.
Kurz bevor die Würfel bei der EZB in der Personalie Enria gefallen waren, hatten sich mehrere EU-Parlamentarier, darunter der CSU-Politiker Markus Ferber und der Grüne Sven Giegold, laut dem Magazin "Politico" in einem Brief an Draghi für Donnery ausgesprochen. Der italienische Chef des Parlamentsausschusses für Wirtschaft und Geldpolitik, Roberto Gualtieri, rügte den Vorstoß umgehend als "unangemessen". Das Komitee hatte keine Präferenzen für einen der beiden Bewerber erkennen lassen. Nach der Entscheidung des EZB-Rats ist nun das EU-Parlament am Zug, das bei der Auswahl ein Mitspracherecht hat. Es muss nach einer Anhörung dem Ernennungsvorschlag der EZB zustimmen, bevor dann die europäischen Regierungen endgültig grünes Licht geben können.
Die bisherige Amtsinhaberin, die Französin Daniele Nouy, scheidet Ende Dezember nach fünf Jahren aus dem Amt. Mehrere mit der Situation vertraute Personen hatten zuletzt gesagt, manche Staaten aus dem Süden seien gegen Donnery wegen ihrer harten Haltung zu faulen Krediten. Banken in der Euro-Zone schleppten zuletzt immer noch ausfallgefährdete Kredite im Volumen von 657 Milliarden Euro mit sich herum. Stark betroffen sind südeuropäische Länder - insbesondere Italien. Länder aus dem Norden würden dagegen sowohl mit Enria als auch mit der Irin gut leben können, hieß es. Es sei zudem kein Stolperstein, dass mit Enria und Draghi dann zwei Italiener für einige Monate Top-Positionen in der Notenbank innehätten. Draghi scheidet Ende Oktober 2019 aus dem Amt.
Die EZB-Bankenaufsicht überwacht die größten Institute des Währungsraums - darunter in Deutschland die Deutsche Bank und die Commerzbank. Insgesamt sind es zur Zeit 118 Banken. Bei den kleineren Geldhäusern haben die nationalen Behörden der Euro-Länder den Hut auf.