Politik

Russland warnt Ukraine vor weiterer Eskalation

Russland warnt die Ukraine nach der Verhängung des Kriegsrechts vor einer weiteren Eskalation. Bundeskanzlerin Merkel versucht zu vermitteln.
27.11.2018 23:14
Lesezeit: 3 min

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Die Verhängung des Kriegsrechts in der Ukraine "könnte möglicherweise zu einer Eskalation der Spannungen in der Konfliktregion im Südosten (der Ukraine) führen", sagte Russlands Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow am Dienstag vor Journalisten laut Reuters. In der EU wurden Forderungen nach schärferen Sanktionen gegen Russland lauter. Russland warnte umgehend vor neuen Strafmaßnahmen. Diese könnten neue Probleme schaffen, sagte der stellvertretende Außenminister Alexander Gruschko in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzt dagegen auf Krisendiplomatie: Neben einem Gespräch mit Ukraines Präsident Petro Poroschenko telefonierte die Kanzlerin auch mit Russlands Staatschef Wladimir Putin.

Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert betonte Merkel bei dem Telefonat am Montagabend die Notwendigkeit von "Deeskalation und Dialog". Erörtert worden sei mit Putin, den Vorfall vor der Krim unter Beteiligung russischer und ukrainischer Grenzschutzexperten untersuchen zu lassen. Poroschenko hatte mit Zustimmung des Parlaments das Kriegsrecht für 30 Tage in Teilen des Landes verhängt, um die Ukraine für die Abwehr einer möglichen russischen "Invasion" zu rüsten.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat im Telefongespräch mit Merkel die Hoffnung geäußert, dass Deutschland die Ukraine hinsichtlich der Lage in der Straße von Kertsch beeinflussen wird, um zu verhindern, dass Kiew voreilige Entscheidungen trifft, berichtet der Kreml-Pressedienst. "Wladimir Putin gab eine Einschätzung der provokanten Aktionen der ukrainischen Seite, einer groben Verletzung der Normen des Völkerrechts, als ihre Kriegsschiffe der Ukraine absichtlich die Regeln der friedlichen Durchfahrt durch die Hoheitsgewässer der Russischen Föderation ignorierten", so die Pressemitteilung laut TASS.

Der Konflikt erfasst nun auch das Bankenwesen: Die ukrainische Zentralbank erklärte, die ukrainische Tochtergesellschaft des russischen staatlichen Kreditgebers VTB sei wegen der abnehmenden Liquidität und der sich verschlechternden Finanzlage für zahlungsunfähig erklärt worden. Die Entscheidung folgte den Äußerungen der VTB, dass sie den ukrainischen Markt möglicherweise werde verlassen müssen, weil die Regierung in Kiew ihre Assets eingefroren hatte.

Die russische Mutter VTB hat unterdessen angekündigt, Präsident Petro Poroschenko verklagen zu wollen: Sie hatte die ukrainische PrivatBank für 70 Millionen Dollar von Poroschenko im Jahr 2006 gekauft. Nach einer Niederlage von einem Schiedsgericht hatte die Ukraine die Assets der VTB-Bank beschlagnahmt.

Der seit Jahren schwelende Konflikt um die von Russland besetzte Halbinsel war am Sonntag in der Straße von Kertsch eskaliert. Dort verwehrte Russland mit Hilfe eines Frachtschiffs drei ukrainischen Marinebooten die Einfahrt ins Asowsche Meer. Diese waren nach russischen Angaben ohne Vorankündigung in die Gewässer gefahren und wurden vom russischen Grenzschutz gestoppt.

Die Russen beschossen die ukrainischen Schiffe und verletzten dabei mehrere Matrosen. Dann beschlagnahmten sie die Boote und brachten sie mit ihren Besatzungen in den Hafen von Kertsch. Ein Gericht auf der Krim ordnete am Dienstag für zwei der 24 festgenommenen Seeleute eine zweimonatige Untersuchungshaft an.

Bei dem Vorfall am Sonntag wurde nach Angaben des ukrainischen Staatssicherheitsdienstes SBU einer ihrer Offiziere schwer verletzt. Eines der russischen Kampfflugzeuge habe zwei ungelenkte Raketen auf die ukrainischen Schiffe abgefeuert.

Der für die Grenzsicherung zuständige russische Inlandsgeheimdienst FSB hat nach eigenen Angaben Informationen, wonach die Aktion von der ukrainischen Regierung geplant wurde. Im russischen Staatsfernsehen gaben einige der festgenommenen ukrainischen Seeleute an, sie hätten eine geplante Provokation ausgeführt. Die Regierung in Kiew sprach von erzwungenen Aussagen.

Diskussion über neue EU-Sanktionen

Nach Ansicht der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl muss die Europäische Union über weitere Sanktionen gegen Russland sprechen. Sie verwies in Berlin darauf, dass am 10. Dezember ein EU-Außenministerrat ansteht. "Alles hängt von der Sachverhaltsdarstellung ab und vom weiteren Verhalten der beiden Kontrahenten", sagte sie.

Estland fordert bereits neue EU-Strafmaßnahmen gegen Russland. "Sanktionen sind der kraftvollste Weg, um Russland zu zeigen, dass wir es ernst meinen", sagte Verteidigungsminister Jüri Luik in einem Reuters-Interview. Allerdings müsse dies in der EU einstimmig beschlossen werden. Der polnische Präsident Andrzej Duda sagte, seine Regierung würde sich allen internationalen Initiativen zur Verstärkung der Sanktionen gegen Russland anschließen.

"Sanktionen werden kein einziges Problem lösen, sondern die Zahl der Probleme im Gegenteil erhöhen", sagte der russische Vize-Außenminister Gruschko am Rande einer Sicherheitskonferenz in Berlin. Die wirtschaftlichen Nachteile für Russland ebenso wie für die Europäische Union lägen auf der Hand. Sollte jemand den Zwischenfall als Vorwand für eine politische Eskalation nutzen wollen, so sei dies das falsche Signal. Es gebe ein gemeinsames Interesse, das Vorkommnis nicht zu einem neuen Hindernis für die Umsetzung des Minsker Abkommens zur Lösung des Konflikts in der Ostukraine werden zu lassen.

Die Europäische Union (EU), das US-Außenministerium, Großbritannien, Frankreich, Polen, Dänemark und Kanada haben allesamt die Ereignisse vor der Krim als "russische Aggression" verurteilt. Bundesaußenminister Heiko Maas forderte Russland auf, sich an internationale Spielregeln zu halten. Deutschland sei sich mit Frankreich darüber einig, dass das Vierer-Format der Gespräche mit Russland und der Ukraine zur Lösung des Krim-Konflikts verstärkt werden solle.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte, die Probleme zwischen beiden Ländern müssten im Dialog gelöst werden. Das Schwarze Meer müsse ein "Meer des Friedens" sein. UN-Generalsekretär Antonio Guterres forderte von beiden Seiten "höchste Zurückhaltung"

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