Das Schweizer Bundesgericht hat in einem Rechtsstreit um verschollene DDR-Vermögen in den Hauptpunkten im Sinne der deutschen Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) entschieden, berichtet die Schweizer Nachrichtenagentur sda.
Die BvS verlangt von der Bank Julius Bär über 100 Millionen Franken nebst Zins. Die BvS (ehemals Treuhandanstalt Berlin) versucht seit Jahren, Gelder ausfindig zu machen und wiederzubeschaffen, die während der Wende von Parteimitgliedern der SED beiseite geschafft wurden.
In einer Klage machte die BvS geltend, dass die Bank Julius Bär als Nachfolgerin der ehemaligen Bank Cantrade vom Konto einer ostdeutschen Gesellschaft unzulässige Auszahlungen und Überweisungen vorgenommen habe.
Diese Sicht stützt das Bundesgericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil. Es hat ein Urteil des Zürcher Obergerichts vom April vergangenen Jahres aufgehoben und zur neuen Entscheidung zurückgewiesen.
Keine Fragen gestellt
Damit geklärt werden konnte, inwiefern das riesige Vermögen der SED dem Staat oder anderen Berechtigten gehört, ergänzte die Volkskammer der DDR per 1. Juni 1990 das Parteigesetz. Das SED-Vermögen wurde somit unter treuhänderische Verwaltung gestellt. Mit der Ergänzung erloschen frühere Verfügungsberechtigungen.
Trotz der historischen politischen Umwälzung in Deutschland und der öffentlichen Diskussion um das Volks- und Parteivermögen in der DDR wurden bei der Bank Cantrade zum Konto der ostdeutschen Gesellschaft keine vertieften Erkundigungen eingeholt, wie aus dem Urteil des Bundesgerichts hervorgeht.
So wurden am 11. Juni 1990 von einer DDR-Bank fast 67 Mio. Deutsche Mark auf das Konto überwiesen. Der zuständige Kundenberater liess sich mit der Erklärung abspeisen, dass es sich bei diesem Geld um die Rückzahlung eines Kredits der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) an die DDR handle. Warum die Summe dann an die ostdeutsche Gesellschaft und nicht an die KPÖ überwiesen wurde, fragte damals niemand.
Wie weiter aus dem Entscheid des Bundesgerichts zu erfahren ist, zahlte die Bank Cantrade am 4. Dezember 1990 fast 20 Mio. Deutsche Mark in bar an die Geschäftsführerin der ostdeutschen Gesellschaft aus. Auch da stellte sich bei der Bank niemand die Frage, wem dieses Geld tatsächlich gehörte.
Das Bundesgericht verwendet für das Verhalten der Bank deutliche Worte: Die Verantwortlichen hätten „elementare Sorgfaltspflichten verletzt, die sich jeder verständigen Person in der gleichen Lage aufdrängen mussten“.
Es handle sich um „offensichtliche Versäumnisse“ und entgegen den Vorbringungen der Bank Julius Bär könne „nicht von einem bloss leichten Verschulden ausgegangen werden“. Das Bundesgericht hat deshalb festgestellt, dass alle Beträge zu ersetzen seien, die seit dem 11. Juni 1990 abgeflossen sind.
Verrechnung unzulässig
Mit der Geschäftsführerin der ostdeutschen Gesellschaft schloss die BvS im Januar 2009 einen Vergleich. Sie musste 106 Mio. Euro, die sie auf einem Konto der Zürcher Kantonalbank hatte, an die BvS überweisen. Im Gegenzug wurden alle weiteren Forderungen gegen sie eingestellt.
Das Zürcher Obergericht entschied, dass mit diesem Vergleich, beziehungsweise mit dieser Zahlung, die Schuld der Bank gegenüber der BvS getilgt sei. Aus diesem Grund verneinte sie einen Anspruch der BvS gegenüber der Bank Julius Bär.
Das sieht das Bundesgericht anders. Der Vergleich sei zwischen der Geschäftsführerin und der BvS geschlossen worden. Die Bank sei darin nicht involviert gewesen. Eine Verrechnung der Ansprüche sei deshalb nicht zulässig.
Jedoch wird das Zürcher Obergericht nochmals prüfen müssen, ob die Forderungen der BvS allenfalls aus anderen Gründen untergegangen sind.