Politik

Meinung: „Sanktionen gegen Russland haben ihre politische Wirkung verfehlt“

Die Sanktionen des Westens haben nach Ansicht von Ulf Schneider, Geschäftsführer und Gründer der Beraterfirma Schneider Group, dazu beigetragen, dass die russische Bevölkerung nun mehrheitlich hinter Putin steht.
26.03.2019 16:04
Lesezeit: 2 min
Meinung: „Sanktionen gegen Russland haben ihre politische Wirkung verfehlt“
Ulf Schneider. (Foto: Schneider Group)

Im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten äußert sich Ulf Schneider zu der aktuellen Situation in Russland und dessen wirtschaftlichen Perspektiven.

„Russland hat in den letzten Jahren beträchtliche Gold- und Devisenreserven angehäuft. Die kann es nutzen, um Schwankungen bei den Öl- und Gaspreisen auszugleichen“, so Schneider. „Insofern war die russische Fiskalpolitik sehr erfolgreich. Nicht umsonst hat die Ratingagentur Moody´s die russischen Staatsanleihen vor Kurzem auf Investment Grade heraufgestuft.“

Defizite sieht Schneider allerdings noch bei der russischen Wirtschaftspolitik: „Nach wie vor gibt es Probleme bei der Modernisierung zentraler Wirtschaftsbereiche. Zwar wird in Russland unter anderem in der Physik, Atomphysik, Biologie und Medizin Spitzenforschung betrieben. Was aber fehlt ist eine wirtschaftliche Verwertung der Forschungsergebnisse, so wie sie in Deutschland beispielsweise durch die Fraunhofer Institute gewährleistet wird. Im IT-Bereich allerdings gehört Russland zur Weltspitze.“

Die wirtschaftliche Entwicklung über die letzten zehn Jahre sei bemerkenswert, meint Ulf Schneider. Inzwischen sei vor allem in den Städten eine kaufkräftige Mittelschicht entstanden. Hier lägen die Nettolöhne im mittleren Management oft zwischen 2.000 und 5.000 Euro monatlich. Schneider: „Doch unabhängig von diesen nackten Zahlen finde ich, dass sich das Lebensgefühl in Russland stark verbessert hat. Noch vor fünf Jahren wäre ich in Moskau nicht auf die Idee gekommen, einen Abendspaziergang zu machen. Die Bürgersteige waren zugeparkt, die Stadt war grau und wirkte ein wenig unwirtlich. Heute laufen Sie auf hellen Gehwegplatten, das Stadtbild ist freundlicher geworden, es gibt neue Grünanlagen. Das kulturelle Angebot – dies war allerdings auch vorher so – ist riesig. Allein in Moskau gibt es 250 Theater. Und die Moskauer selbst scheinen entspannter zu sein als noch vor fünf oder zehn Jahren.“

Die dramatischen Jahre der Jelzin-Zeit hätten bei den Russen Spuren hinterlassen. Politische und ökonomische Stabilität sei ihnen sehr wichtig. Allerdings gebe man sich auch schnell mit der wirtschaftlichen Entwicklung zufrieden. Schneider: „In Russland wird ein Wirtschaftswachstum von 2 Prozent als Erfolg betrachtet. Den Chinesen wiederum sind 6 Prozent Wirtschaftswachstum zu wenig. Insgesamt aber ist die russische Volkswirtschaft robust. Auch weitere Sanktionen können sie nicht ins Mark treffen.“

Schon die bisherigen Sanktionen haben die Position von Präsident Vladimir Putin bei den russischen Wählern eher gefestigt als beschädigt, so Schneider: „Die Bevölkerung empfindet die Sanktionen als ungerecht und stärkt ihrem Präsidenten den Rücken. Das politische Ziel, Präsident Putin zu schwächen, wurde durch die Sanktionen sicher nicht erreicht.“ Zwar habe es in Russland aufgrund der Sanktionen gewisse wirtschaftliche Einbußen gegeben. Die allerdings seien überschaubar und hätten auf die russische Volkswirtschaft einen geringeren Einfluss gehabt als etwa die Schwankungen beim Ölpreis. Darüber hinaus hätten die Sanktionen dazu geführt, dass Russland in vielen Bereichen autarker geworden sei. Insbesondere im Agrarbereich, in dem es auch zu russischen Gegensanktionen gekommen sei, mache sich dies bemerkbar.“

Eine Folge der Sanktionen, die deutschen und europäischen Firmen zu schaffen mache, seien die Importsubstitutionen. In Russland verfolge man nun eine Lokalisierungspolitik, um einen Großteil der Wertschöpfung im Land zu behalten. Investitionen in Russland auch für mittelständische Unternehmen seien also durchaus sinnvoll: „Die Korruption ist in den letzten Jahren stark eingedämmt worden. Ein Investor kann hier zwar dennoch auch auf Hindernisse stoßen. Die Bürokratie kann umständlich sein und rechtliche Regelungen sind nicht immer eindeutig. Doch wenn er Ausdauer mitbringt und hart bleibt, gelangt es ans Ziel.“

Info zur Person: Ulf Schneider ist Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter der SCHNEIDER GROUP. Das Unternehmen hat Büros in Russland (Moskau, St. Petersburg), Belarus (Minsk), der Ukraine (Kiew), Kasachstan (Almaty, Aktau, Astana), Usbekistan (Taschkent), Armenien (Jerewan), Polen (Warschau) und Deutschland (Berlin) und berät westliche Firmen mit starkem Fokus auf praktische Umsetzung in den Be-reichen Marktanalyse, Geschäftsaufbau, Outsourcing von Buchhaltung, Steuern und Berichtswesen, Import, Internal Audit/Due Diligence, Re-cruiting, Interim Management, Market Representative-Function, IT-/ERP-Systeme und Lokalisierung.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Internationale Handelskonflikte: So schützen sich exportorientierte KMU
06.06.2025

Ob Strafzölle, Exportverbote oder politische Sanktionen – internationale Handelskonflikte bedrohen zunehmend die Geschäftsmodelle...

DWN
Panorama
Panorama Musk gegen Trump: Politische Zweckbeziehung artet in öffentlichen Machtkampf aus – die Tesla-Aktie leidet
06.06.2025

Elon Musk und Donald Trump galten als Zweckbündnis mit Einfluss – doch nun eskaliert der Streit. Was steckt hinter dem Zerwürfnis der...

DWN
Politik
Politik Kim Jong Un stellt sich offen hinter Putin – USA schlagen Alarm
06.06.2025

Nordkorea liefert Soldaten und Waffen an Russland – und Kim Jong Un verspricht Putin bedingungslose Unterstützung im Ukraine-Krieg....

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Leitzinssenkung: Was das für Bauzinsen und Immobilien bedeutet
06.06.2025

Die EZB-Leitzinssenkung hat Folgen für Bauzinsen, Immobilienpreise und Sparer. Welche das sind und ob die EZB damit die Zinswende...

DWN
Politik
Politik Polens künftiger Präsident Nawrocki droht mit Blockade gegen Regierungschef Tusk: Was bedeutet das für Polen?
06.06.2025

Karol Nawrocki stellt sich offen gegen Donald Tusk – und kündigt Widerstand an. Welche Folgen hat das für Polens politische...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: Russland startet schwersten Angriff seit Monaten
06.06.2025

Im Ukraine-Krieg eskaliert die Lage erneut: Russland greift massiv an, Kiew wird erschüttert. Droht nun ein Gegenschlag – oder ist das...

DWN
Politik
Politik Merz bei Trump: Was der USA-Besuch des Bundeskanzlers wirklich brachte
06.06.2025

Der Kanzler trifft den US-Präsidenten in Washington. Freundliche Worte gab es viele – doch was bleibt nach dem Besuch von Merz bei Trump...

DWN
Finanzen
Finanzen Studie: Hohe Kosten für Einführung des digitalen Euro
06.06.2025

Die Einführung des digitalen Euro wird nach einer Studie der Beratungsgesellschaft PwC erhebliche Kosten für europäische Banken...