Laut eines Berichts des Handelsblatts kritisiert Thompson in seinem knapp 200 Seiten starken vertraulichen Bericht VWs Whistleblower-System. Der Autokonzern müsse das Vertrauen der Mitarbeiter in das System stärken. Es müsse sichergestellt werden, dass besorgte Mitarbeiter tatsächlich die Möglichkeit haben, Hinweise auf Fehlverhalten zu geben, ohne dass sie mit Konsequenzen rechnen müssen, und dass die Mitarbeiter auch wirklich wissen, wie und wo sie solche Hinweise abgeben können.
Für die Einleitung der notwendigen Maßnahmen setzt Thompson VW Fristen, die sich zwischen einem und sechs Monaten bewegen. Der Handelsblatt-Titel, in dem steht, dass der US-Aufseher „weiter Druck“ mache, sei unglücklich formuliert, sagte der Volkswagen-Sprecher für den Bereich „Integrität und Rechtsangelegenheiten“, Andreas Meurer, den Deutschen Wirtschaftsnachrichten. Und weiter: „Es gibt keine Missstimmungen, die Zusammenarbeit läuft gut. Natürlich entsteht uns durch seine Anwesenheit viel Arbeit, werden viele Kapazitäten gebunden. Aber er gibt gute Hinweise, liefert viele Ideen.“ Seinen ersten Bericht legte Thompson im August letzten Jahres vor - er ist öffentlich einsehbar.
Thompson wurde 2017 von den amerikanischen Justizbehörden eingesetzt, um die Aufarbeitung des Diesel-Skandals bei VW zu überwachen. Der 73-jährige Amerikaner ist Anhänger der Republikanischen Partei, diente als stellvertretender Justizminister unter Präsident George W. Bush und ist mittlerweile Jura-Professor sowie Partner einer einflussreichen Anwalts-Kanzlei. In einem Interview im Dezember 2017 sagte er: „Damit VW ein hohes Niveau bei Kultur, Integrität und Compliance erreichen kann, müssen die Mitarbeiter verstehen, wofür das Unternehmen steht. Das erfordert viel Training.“ Und weiter: „Wir werden auch die Frage klären müssen, warum dieses verdorbene System so lange Zeit unentdeckt geblieben ist.“
Thompson kommt im Durchschnitt einmal pro Monat für eine Woche nach Deutschland. In Wolfsburg wohnt er im 5-Sterne-Superior-Hotel „Ritz Carlton“. Auf den Werksgeländen in Wolfsburg und Ingolstadt haben VW beziehungsweise Audi ihm jeweils ein Büro eingerichtet. Darüber hinaus stehen dem Top-Juristen zwei VW-Büros in den USA sowie ein Büro an seinem Wohnort in Kalifornien zur Verfügung.
Thompsons Team besteht aus rund 60 Mitarbeitern, darunter US-Juristen, deutsche Juristen (beispielsweise Experten für das deutsche Datenschutzrecht) sowie deutsche Technik-Experten. Thompson - also auch die US-Regierung - hat Zugang zu allen Büros und Dokumenten bei VW und Audi. Der Gesamtkonzern übernimmt auch sein Gehalt (Höhe nicht bekannt). Meurer im Gespräch mit den DWN: „Er ist natürlich kein Angestellter von VW, aber es existiert eine vertragliche Vereinbarung mit VW.“ Insgesamt belaste das Monitoring VW mit Kosten in Höhe von etwa einer halben Milliarde Euro, so Meurer.
VW hatte gegenüber der US-Justiz zugegeben, Behörden und Kunden jahrelang mit falschen Abgas-Angaben betrogen sowie das Umweltrecht verletzt zu haben. Auch, dass er die Justiz behindert habe, hatte der Autobauer gestanden. Der strafrechtliche Vergleich hat ein Volumen von gut 4,7 Milliarden Euro. Insgesamt kostete die Aufarbeitung der weltweit millionenfachen Abgasmanipulation VW bislang knapp 30 Milliarden Euro.
Larry Thompson ist nicht der einzige Aufpasser, den die amerikanische Justiz bei deutschen Großunternehmen eingesetzt hat. So waren oder sind Aufpasser bei Siemens (mit Louis Freeh sogar ein ehemaliger FBI-Chef), bei der Deutschen Bank, der Commerzbank sowie bei Bilfinger tätig. Auch wenn die US-Justiz in Deutschland - zumindest offiziell - über keinerlei Befugnisse verfügt, ziehen deutsche Unternehmen „die Einmischung der USA bei der Verfolgung von Delikten außerhalb der eigenen Grenzen Prozessen in Amerika vor“, zitiert die „Wirtschafts Woche“ einen deutschen Anwalt, der häufig bei amerikanischen Ermittlungen gegen deutsche Firmen konsultiert wird.
Die Aufpasser können weitestgehend schalten und walten, wie sie wollen - sogar an Vorstandssitzungen dürfen sie teilnehmen. Die Möglichkeit, dass dabei Geschäftsgeheimnisse in die falschen Hände gelangen, womöglich Unternehmens-Strategien und technische Innovationen an Konkurrenten gehen, ist nicht auszuschließen - ob es solche Vorfälle bereits gegeben hat, ist nicht bekannt.
Zu Reden gab der Fall der Schweizer Großbank Credit Suisse. Auch diese wurde von einem US-Aufpasser überwacht. Als die vereinbarte Frist seines Aufenthalts verstrichen war, blieb der Jurist einfach und verursachte zusammen mit seinem Team weiterhin Kosten im dreistelligen Millionenbereich für die Bank.