Lesezeit: 2 min
27.04.2019 10:22
Für die meisten Deutschen ist der Brexit ein eher abstraktes Ereignis. Politisch und wirtschaftlich bedeutsam – aber das Herz bleibt von den Geschehnissen unberührt. Doch leben unter uns auch Menschen, denen der mögliche Austritt der Briten aus der EU mehr bedeutet als nur Zollschranken, Exportkontrollen und der Wegfall einheitlicher Maße und Gewichte.
Stolz und Vorurteil
Bianca Rowe hält den Brexit für einen Fehler. (Foto: B. Rowe)

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Einer dieser Menschen ist Bianca Rowe (sprich „row“, wie der englische Begriff für „rudern“). 1981 im niedersächsischen Nienburg als Tochter einer Deutschen und eines britischen Soldaten geboren, nennt sie beide Länder, Deutschland wie auch Großbritannien, „Heimat“.

„In beiden Ländern habe ich viele Jahre gelebt“, so die gelernte Mediengestalterin, die derzeit in Berlin wohnt, „in beiden habe ich unzählige Freunde und Verwandte“. Beiden Ländern gilt ihre Loyalität: Wenn Deutschland gegen England spielt, feuert sie das Team der Three Lions (Drei Löwen) an – im Gegenzug lobt sie die Bundesrepublik für das hervorragend ausgebaute Sozialsystem und dafür, dass hier „immer alles funktioniert“.

2016, als die Briten per Referendum für den EU-Austritt votierten, waren für die heute 37-Jährige die Folgen noch weit weg. Aber dann, mit jedem Tag, den der 29. März 2019 (das anvisierte Austrittsdatum) näher rückte, wurde sie nervöser. Denn über eins verfügte sie nicht: einen britischen Pass. „Ich wurde in Deutschland geboren, meine Mutter ist Deutsche: Also erhielt ich nach meiner Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft.“ Die Britische beantragte sie nie: „Warum auch? Ich konnte schließlich immer zwischen beiden Ländern problemlos hin- und herreisen.“

Der problemlose Grenzübertritt – er dürfte nach dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs der Vergangenheit angehören. Und so musste Rowe – die übrigens reinstes Hochdeutsch sowie Englisch mit starkem britischen Akzent spricht – letztes Jahr die britische Staatsbürgerschaft beantragen.

„Viel Aufwand“ war das, erinnert sie sich. Sowohl ihre als auch die Geburtsurkunde ihres Vaters sowie die Heiratsurkunde ihrer Eltern mussten übersetzt und offiziell beglaubigt werden. Ein Brite musste darüber hinaus bestätigen, dass „es sich bei mir wirklich um Bianca Rowe handelt“, so Rowe weiter. Das durfte allerdings kein Familienmitglied oder Freund sein. Aber es musste jemand sein, der sie kannte, und der eine Respektsperson und damit glaubwürdig war. Schließlich fand sich jemand – und zwar der Vater eines Freundes, ein pensionierter Polizei-Beamter. „Ich habe ihm die notwendigen Unterlagen sowie zwei Passbilder geschickt“, so Rowe. „Er hat ein langes Formular ausgefüllt und bestätigt, dass ich tatsächlich ich bin. Anschließend hat er alles in einen Umschlag gesteckt und nach Großbritannien geschickt.“

Der Rest ging dann überraschend schnell. Rowe hatte erwartet, dass die zuständige staatliche Stelle überlastet sein würde, „weil ich wusste, dass viele Menschen ähnliche Befürchtungen hegten wie ich und deshalb die britische Staatsbürgerschaft beantragten“. Aber offenbar hatte sich die Behörde im Vorfeld auf den Andrang eingestellt: Sechs Wochen, nachdem der Antrag in die Post gegangen war, erhielt Rowe ein Einschreiben. Sein Inhalt: ihr britischer Pass.

Gefühlsmäßig habe sich für sie nichts geändert, sinniert Rowe: „In meinem Selbstverständnis war ich immer Deutsche und Britin, auch wenn ich nur einen Pass besaß.“ Was den – möglichen – Brexit anbelangt, hofft sie, dass die Briten ihre Entscheidung, die EU zu verlassen, rückgängig machen. Allein, sie glaubt es nicht: „Die Blöße werden sich meine Landsleute nicht geben. Sie ziehen das jetzt durch. Früher oder später wird Großbritannien kein Teil der Europäischen Gemeinschaft mehr sein.“

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