Politik

Aufbau Ost kostete bisher über 1,6 Billionen Euro

Lesezeit: 3 min
11.05.2019 15:02
Seit 1991 wurden aus den alten in die neuen Bundesländer 1,6 Billionen Euro transferiert. Bayern und Hessen mussten bisher die finanzielle Hauptlast tragen.
Aufbau Ost kostete bisher über 1,6 Billionen Euro

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Nach der Wiedervereinigung sind zwischen 1991 und 2013 insgesamt 3,4 Billionen Euro aus den alten Bundesländern in die neuen Bundesländer geflossen, berichtet das ifo-Institut in einer Studie. 2,2 Billionen Euro sind in den Sozialbereich gegangen. Die direkten oder indirekten ausschließlichen Finanztransfers lagen bei 560 Milliarden Euro (Soli I und II, Fond Deutsche Einheit, Investitionszulagen). Die restlichen Zahlungen erfolgten über den Länderfinanzausgleich. In diesen 22 Jahren wurden in den neuen Bundesländern Steuereinnahmen in Höhe von 1,8 Billionen Euro erzielt. Es erfolgte somit ein Nettotransfer von West nach Ost in Höhe von 1,6 Billionen Euro.

“Der Osten bleibt abhängig und wird sich auch auf längere Sicht nicht selbst finanzieren können”, so der MDR.

Kein erkennbarer Erfolg beim Aufbau Ost

Der Christian Science Monitor führt aus, dass eine wachsende Anzahl an Menschen der Geberländer im Westen Deutschlands frustriert seien, weil das aktuelle Transfersystem die Einnahmen verschwendet, die sie selbst dringend benötigen, und dass es Zeit für Deutschland ist, seine Vorstellung von “Solidarität” zu überdenken. Über 61 Milliarden Euro würden jährlich in die fünf neuen Bundesländer fließen, ohne dass ein erkennbarer wirtschaftlicher Erfolg beobachtet wurde. Die fünf neuen Bundesländer erhalten nicht nur über den Länderfinanzausgleich Summen, sondern auch über den Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent, der ausschließlich zum Wiederaufbau Ost-Deutschlands gedacht war.

Helmut Kohl, der auch als “Vater der Wiedervereinigung” gepriesen wird, hatte eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags bis zum Jahr 1999 versprochen. Dieses Versprechen wurde nicht eingehalten. Bundeskanzlerin Angela Merkel argumentiert, dass es zwischen Ost und West “systematische Unterschiede” gibt. “Deshalb wird es auch nach wie vor eine spezifische Förderung für die neuen Bundesländer geben”, zitiert die Deutsche Welle Merkel. Der Aufbau Ost wird also weitere Finanztransfers nach sich ziehen.

Nach der Wiedervereinigung wurden Berlin und andere östliche Regionen aus der wirtschaftlichen Flaute geholt. Es entstanden neue Universitäten und Autobahnen und es wurden die hohen sozialen Kosten gedeckt, beispielsweise die Renten von Millionen von Deutschen, die sich unter dem Kommunismus weder um Renten sorgen noch einen Beitrag an das Rentensystem leisten mussten. Allerdings konnten trotz dieser großen Kraftanstrengungen Deutschlands, die weltweit einmalig gewesen sind, keine nachhaltigen Strukturen geschaffen werden, um massive Investitionen anzuziehen.

Kritik an “Abhängigkeits-Kultur” 

Joachim Ragnitz, Direktor des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung in Dresden, sagt, dass genau durch diese Methode in einigen Regionen des Ostens eine “Abhängigkeits-Kultur” gefördert wurde. In vielen ländlichen Regionen des Ostens konnte die Arbeitslosigkeit nicht verringert oder die industrielle Produktivität nicht verbessert werden. Es bleibe völlig offen, ob der Osten Deutschlands den Rückstand überhaupt jemals aufholen wird, zitiert der Christian Science Monitor Ragnitz.

Der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) zufolge liegt dies unter anderem an der Bevölkerungsentwicklung der neuen Bundesländer. Seit 1989 ist die Bevölkerung in den neuen Bundesländern um 14 Prozent zurückgegangen. Im Jahr 2020 soll die Bevölkerung um weitere zehn Prozent schrumpfen. Allerdings ist dieser Trend nicht auf die Abwanderung von jungen Menschen, sondern auf den drastischen Rückgang der Geburtenrate zurückzuführen. In Verbindung mit einer alternden Bevölkerung ist es nahezu unmöglich ein hohes Wirtschaftswachstum zu erreichen.

Die Bundesregierung hat den Solidarpakt II bis Ende 2019 verlängert. Insbesondere Bayern und Hessen setzen sich im Rahmen des Länderfinanzausgleichs für eine “gerechte” Verteilung der finanziellen Lasten in Deutschland ein. 11,45 Milliarden Euro wurden 2018 zwischen den Ländern umverteilt - im Jahr zuvor waren es rund 11,2 Milliarden Euro gewesen. Das geht aus den Daten des Bundesfinanzministeriums hervor.

Bayern ist das finanzielle Rückgrat Deutschlands

Bayern musste von der Gesamtsumme mehr als die Hälfte schultern: Die bayerischen Zahlungen stiegen um 785 Millionen auf 6,67 Milliarden Euro. Weitere Zahler-Länder waren Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg. Größter Empfänger war Berlin mit 4,4 Milliarden Euro.

2017 hatte sich der damalige bayrische Finanzminister und aktuelle Ministerpräsident Bayerns, Markus Söder, zwar nicht gegen den Länderfinanzausgleich, aber gegen den Solidaritätszuschlag ausgesprochen. Dieser müsse bis zum Jahr 2022 abgeschafft werden. “Wenn der Aufbau Ost, der Solidarpakt, an der Stelle erfüllt ist, dann macht es auch durchaus Sinn, endlich diese Abgabe abzuschaffen”, zitiert Reuters Söder.

In der SPD wurde vor einer Abschaffung gewarnt. Zwar habe der Soli nach dem Auslaufen des Solidarpakts II Ende 2019 keine verfassungsrechtliche Grundlage mehr, erklärte Fraktionschef Thomas Oppermann. Allerdings müssten andere Aufgaben finanziert werden, etwa die Stabilisierung des Rentenniveaus. Die Soli-Einnahmen von etwa 20 Milliarden Euro jährlich stehen allein dem Bund zu, der deswegen ohne die Länder entscheiden kann.

Doch der aktuelle  Bundesinnenminister und ehemalige Ministerpräsident Bayerns, Horst Seehofer, ist nicht nur ein Kritiker des Solidaritätszuschlags, sondern auch ein Kritiker des Länderfinanzausgleichs. Berlin sei noch nicht mal fähig, einen Flughafen zu bauen, obwohl Berlin über den Länderfinanzausgleich mit Milliarden unterstützt werde, sagte er 2013 auf dem CSU-Parteitag in München. “Wir sind solidarisch, aber nicht dumm“, so Seehofer.


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