Deutschland

Altmaiers Industrie-Strategie gerät nicht aus der Schusslinie

Die Industrie-Strategie des Wirtschaftsministeriums kommt nicht aus der Kritik. In ihr spiele mit dem Mittelstand die stärkste wirtschaftliche Kraft des Landes so gut wie keine Rolle, sagen Beobachter.
24.06.2019 12:32
Lesezeit: 2 min

“Wir sollten den Wettbewerb mit China annehmen, aber uns dabei auf unsere eigenen Stärken besinnen. Es gibt viele leistungsbereite Akteure. Vor allem im Mittelstand haben wir viele Hidden Champions, die Produkte von hoher Qualität herstellen und damit überaus erfolgreich sind. Es muss darum gehen, diesen Vorsprung zu halten und nicht darum, den Kurs zu wechseln. Das Streben danach, stets besser zu sein, ist immer noch der richtige Weg. Gleichzeitig auf politischer Ebene nachdrücklich auf eine gegenseitige Marktöffnung zu drängen, ist aber ebenfalls unverzichtbar”, sagt der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt.

Mit diesen Worten kritisiert Schmidt die Industriestrategie von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier wonach eine aktive staatliche Industriepolitik umgesetzt werden soll, um mit China und den USA zu konkurrieren zu können. Deutschland und Europa drohen nach Angaben von Altmaier bei wichtigen Zukunftstechnologien wie der Künstlichen Intelligenz, dem autonomen Fahren oder der Batteriezellenfertigung für E-Autos abgehängt zu werden. Darum hält es Altmaier es für nötig, neue “nationale wie europäische Champions” zu schaffen. Sein Vorbild ist der europäische Flugzeugbauer Airbus.

Im Bericht Nationale Industriestrategie 2030 gibt das Bundeswirtschaftsministerium zu, dass in der Vergangenheit staatliche Eingriffe auch ins Leere gelaufen sind, weil “der Staat ganz grundsätzlich nicht der bessere Unternehmer” sei. Allerdings wird auch ausgeführt: “Die vorgelegte Industriestrategie wählt daher bewusst einen völlig anderen Ansatz. Sie definiert, in welchen Fällen ein Tätigwerden des Staates ausnahmsweise gerechtfertigt oder gar notwendig sein kann, um schwere Nachteile für die eigene Volkswirtschaft und das gesamtstaatliche Wohl zu vermeiden. Sie ist zugleich ein Beitrag zur Gestaltung einer zukunftsfesten Marktwirtschaft und Basis für eine ordnungspolitische Debatte, die geführt werden muss.”

Doch Schmidt hält nichts von der Idee. “Es wird ja immer wieder gesagt, dass es in Deutschland zuvor keine Industriestrategie gegeben habe. Das halte ich für eine komplett falsche Einschätzung. Natürlich hat es eine sehr klare Industrie- und Innovationsstrategie gegeben, und das seit Jahren. Wir haben neben unseren Universitäten als Ort der Verbindung von Forschung und Lehre sehr leistungsfähige außeruniversitäre Forschungsgemeinschaften wie die Max-Planck-Gesellschaft, die Leibniz-Gemeinschaft oder die Fraunhofer-Institute, die von der Grundlagenforschung bis zur angewandten Industrieforschung ein breites Spektrum abdecken”, zitiert die dpa Schmidt.

Zuvor hatten die mittelständischen Familienunternehmer Altmaier bei seiner Industriestrategie einen “Irrweg” vorgeworfen. Der Ansatz des CDU-Politikers, “planwirtschaftliche und protektionistische Elemente” anderer Wirtschaftssysteme nachzuahmen, würde die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nachhaltig schädigen, heißt es in einem Gegenpapier des Verbandes.

Der Präsident des Verbandes, Reinhold von Eben-Worlée, sagte am Mittwoch in Berlin, es sei nicht Aufgabe des Staates, “nationale Champions” aufzubauen - wie es Altmaier will. Stattdessen müsse der Mittelstand als Stütze der deutschen Wirtschaft gestärkt werden. Der Mittelstand tauche in dem Papier aber gar nicht auf.

Am Montag veröffentlichten der BDI und die Arbeitgeber einen offenen Brief, in dem sie auf das Fehlen der Interessen des Mittelstandes in der Industrie-Strategie aufmerksam machen.

Darin heißt es:

„Ziel des industriellen Mittelstandes ist es, konstruktiv die Debatte um eine Stärkung des Mittelstands voranzubringen. Es ist enttäuschend, dass es die Koalition in bald 500 Tagen nicht geschafft hat, eine tragfähige Mittelstandsstrategie zu entwickeln.(…) Wachstumsprognosen fallen, die Auftragseingänge in der Industrie nehmen ab, Zukunftsinvestitionen unterbleiben: Gerade der standorttreue Mittelstand und die traditionellen Familienunternehmen geraten zunehmend unter Druck. (…) Die Bundesregierung sendet zwar Signale an Mittelstand und Familienunternehmen, dass wir nicht völlig vergessen sind, es bleibt aber bei Ankündigungen. Wir benötigen jedoch dringend praktische Politik. Die Top-3-Prioritäten sind der Stopp weiterer Energiepreissteigerungen, die zu enormen Belastungen des Mittelstands geführt haben, der massive Ausbau digitaler Infrastruktur in ländlichen Regionen, in denen der Mittelstand klassischerweise beheimatet ist, sowie ein konsequenter Bürokratieabbau noch in diesem Jahr.“

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