Politik

Angriff setzt größte Raffinerie Saudi-Arabiens in Brand

Ein mutmaßlicher Angriff hat die größte saudische Ölraffinerie in Brand gesetzt. Die US-Regierung macht den Iran verantwortlich, dieser verneint eine Urheberschaft. Rund 5 Prozent der globalen Ölförderung sind blockiert, der Ölpreis dürfte am Montag stark steigen.
15.09.2019 16:16
Aktualisiert: 15.09.2019 16:20
Lesezeit: 3 min

Die folgenreichen Drohnenangriffe auf das Herz von Saudi-Arabiens Ölindustrie verschärfen die Spannungen im Iran-Konflikt und sorgen für Unruhe an den internationalen Rohstoffmärkten, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Die USA machten am Wochenende den Iran für die Attacken verantwortlich. Dieser wies die Anschuldigungen umgehend zurück und warnte vor einem Krieg.

Der Beschuss von zwei zentralen Produktionsanlagen legte nach Angaben des betroffenen staatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco mehr als die Hälfte der heimischen Förderung lahm. Das sind über fünf Prozent der Weltproduktion. An den Finanzmärkten wurde mit einem spürbaren Ölpreisanstieg gerechnet. Experten schlossen Panikreaktionen zu Wochenbeginn nicht aus.

Zu den Angriffen kam es am Samstag vor Tagesanbruch. Auf Fernsehbildern waren später hohe Flammen und Rauchsäulen zu sehen. Die Brände wurden nach Angaben des saudiarabischen Innenministeriums bald unter Kontrolle gebracht. Berichte über Tote oder Verletzte lagen nicht vor.

Die Urheberschaft der Attacken ist umstritten. Zwar übernahmen die dem Iran nahestehenden Huthi-Rebellen im Jemen die Verantwortung dafür und sprachen von zehn eingesetzten Drohnen. Aber US-Außenminister Mike Pompeo erklärte, es gebe keinen Beweis dafür, dass der Beschuss tatsächlich aus dem Jemen gekommen sei. Stattdessen gab Pompeo dem Iran die Schuld. "Inmitten aller Appelle für eine Deeskalation hat der Iran einen beispiellosen Angriff auf die weltweite Energieversorgung gestartet", hieß es in einer Twitterbotschaft des Ministers.

Zuletzt hatte US-Präsident Donald Trump ein Treffen mit seinem iranischen Amtskollegen Hassan Ruhani bei der UN-Vollversammlung in diesem Monat in New York als möglich bezeichnet. Ruhani allerdings machte eine Aufhebung der US-Sanktionen gegen sein Land zur Bedingung für solch eine Begegnung. Am Samstag telefonierte Trump mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der die Drohnenattacken als "terroristische Aggression" bezeichnete.

Die Spannungen in der Region haben zugenommen, seit Trump das internationale Atomabkommen mit dem Iran einseitig aufkündigte. Danach weitete er die Sanktionen gegen die Islamische Republik aus, die vor allem auf deren Ölindustrie abzielen. Unterstützt werden die USA dabei von ihren Golf-Verbündeten Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate.

Ein Sprecher des iranischen Außenministeriums wies den Vorwurf, sein Land sei für den Anschlag auf die saudiarabische Ölindustrie verantwortlich, als "unsinnig und unhaltbar" zurück. Der Luftwaffenchef der Revolutionsgarden, Amirali Hadschisadeh, sagte der halbstaatlichen Nachrichtenagentur Tasnim zufolge, der Iran sei bereit für einen Krieg. Er warnte zugleich: "Jeder sollte wissen, dass amerikanische Stützpunkte und Flugzeugträger in einer Entfernung von bis zu 2000 Kilometern zum Iran in Reichweite unserer Raketen sind."

Die saudischen Behörden hielten sich zunächst mit konkreten Vorwürfen zurück. Das Energieministerium stellte den Drohnenbeschuss in eine Reihe mit früheren Angriffen auf heimische Ölanlagen und Tanker in der Golfregion. Der Irak dementierte Medienberichte, wonach die aktuellen Angriffe von seinem Staatsgebiet aus erfolgten. In dem Land haben vom Iran unterstützte paramilitärische Organisationen zuletzt an Macht gewonnen. Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini wertete die jüngsten Drohnenangriffe als "reale Gefahr für die Sicherheit in der Region" und forderte die beteiligten Parteien zu "maximaler Zurückhaltung" auf.

Von dem Drohnenbombardement getroffen wurden die weltgrößte Ölraffinerie in Abkaik sowie eine weitere Anlage in Churais. Dadurch wurde eine Fördermenge von 5,7 Millionen Barrel pro Tag bis auf weiteres lahmgelegt. Eine mit der Angelegenheit vertraute Person sagte der Nachrichtenagentur Reuters, eine Rückkehr zur vollständigen Produktionskapazität dürfte eher "Wochen als Tage" dauern. Für den Ölriesen Saudi Aramco kommt der Ausfall denkbar ungelegen, denn der Konzern steuert derzeit auf den mit Spannung erwarteten größten Börsengang aller Zeiten zu. Die Börse in Riad büßte am Sonntag zeitweise 2,3 Prozent ein. Auch andere Aktienindizes am Persischen Golf gaben nach.

"Abkaik ist das Nervenzentrum des saudischen Energiesystems", sagte Rohstoffmärkte-Expertin Helima Croft von der Investmentbank RBC Capital Markets. "Selbst wenn die Exporte in den nächsten 24 bis 48 Stunden wieder hochgefahren werden, ändert dies den Anschein der Unverwundbarkeit." Analysten sagten für den Wochenbeginn einen deutlich Anstieg des Ölpreises voraus, der zuletzt bei rund 60 Dollar je Barrel (1 Barrel = 159 Liter) notierte. Manche Experten rechnen sogar mit Panik. Die Marke von 100 Dollar könnte demnach wieder in Reichweite rücken, sollte der weltgrößte Ölproduzent nicht in der Lage sein, schnell wieder seine normale Kapazität zur Verfügung zu stellen. Die USA zeigten sich bereit, auf ihre Ölreserven zurückzugreifen, um Engpässe zu verhindern.

Der Bürgerkrieg im Jemen wird weithin als ein Stellvertreterkonflikt der beiden Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran betrachtet. Die Huthi-Miliz wird von einer Militärallianz unter Führung Saudi-Arabiens bekämpft. Sie hat bereits in der Vergangenheit die Verantwortung für mehrere Drohnen- und Raketenangriffe auf Städte, Flughäfen und Ölanlagen in Saudi-Arabien übernommen, die allerdings größtenteils abgefangen wurden. Die Führung in Riad wirft dem Iran vor, die Huthis mit Waffen zu beliefern. Das wird sowohl vom Iran als auch den Huthis bestritten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Bundeswehr: Rüstung auf dem Papier – Defizite auf dem Feld
29.06.2025

Die Bundeswehr bleibt trotz 100-Milliarden-Sondervermögen kaum einsatzfähig. Es fehlt an Ausrüstung, Personal und Struktur. Ist das...

DWN
Politik
Politik Experte fürchtet politischen Schock in Europa: „Es ist tatsächlich beängstigend“
28.06.2025

Europa taumelt: Rechte Parteien sind auf dem Vormarsch, Frankreich droht der Machtwechsel. Experte Rahman warnt: Das „Trump-Moment“...

DWN
Technologie
Technologie Neue Technologien am Körper: Gehirnimplantate, künstliche Intelligenz, elektronische Tattoos
28.06.2025

Hightech greift immer direkter in den menschlichen Körper ein. Ob Gehirnimplantate, elektronische Tattoos oder künstliche Intelligenz...

DWN
Politik
Politik Machtverlust oder Wendepunkt? Irans Zukunft nach dem Konflikt
28.06.2025

Nach dem militärischen Schlagabtausch mit Israel steht der Iran politisch und gesellschaftlich unter Druck. Zwischen Machtkonsolidierung,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen So gelingt der Einstieg: KI im Personalwesen mit System etablieren
28.06.2025

Künstliche Intelligenz erobert Schritt für Schritt das Personalwesen. Deutschland liegt im europäischen Vergleich weit vorne – doch...

DWN
Politik
Politik Familienkonzern Trump: Wie der Präsidenten-Clan Milliarden scheffelt
28.06.2025

Die Trump-Familie vermischt Politik und Profit wie nie: Während Donald Trump das Weiße Haus beherrscht, expandieren seine Söhne mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Börsenausblick 2025: Drohen jetzt heftige Kursbeben?
28.06.2025

Die Sommermonate bringen traditionell Unruhe an den Finanzmärkten. Mit Trump im Weißen Haus steigen die Risiken zusätzlich. Erfahren Sie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden für heiße Luft: Ex-OpenAI-Chefin kassiert ohne Produkt
28.06.2025

Ein Start-up ohne Produkt, eine Gründerin mit OpenAI-Vergangenheit – und Investoren, die Milliarden hinterherwerfen. Der KI-Hype kennt...