Die Chancen des österreichischen Chipherstellers AMS auf eine Übernahme von Osram sind deutlich gestiegen. AMS gibt sich nun mit einer Annahmequote von 62,5 Prozent zufrieden, wie das Unternehmen am Montag mitteilte. Das dürfte leichter erreichbar sein als die 70 Prozent, die AMS bisher zur Bedingung für die 4,3 Milliarden Euro teure Übernahme des Münchner Lichtkonzerns gemacht hatte.
Der Vorstand und der Aufsichtsrat von Osram empfahlen den Aktionären zähneknirschend, das Angebot aus der Steiermark aus finanziellen Gründen anzunehmen - auch wenn sie einen Verkauf an die Finanzinvestoren Bain und Carlyle weiterhin für sinnvoller erachten würden. Finanzkreisen zufolge neigt auch der größte Aktionär von Osram, der Vermögensverwalter Allianz Global Investors, dazu, das Angebot von AMS anzunehmen. AMS hat nach eigenen Angaben ein "positives Feedback" von dem Investor erhalten, der an beiden Unternehmen beteiligt ist.
"Die finanzielle Attraktivität der Offerte war dabei höher zu gewichten als Kritikpunkte", teilte Osram mit. AMS überbietet mit 38,50 Euro je Aktie die beiden Finanzinvestoren, die nur 35 Euro zahlen wollen. Die fünf Arbeitnehmervertreter im zwölfköpfigen Aufsichtsrat votierten gegen die Empfehlung. Das Angebot von Bain und Carlyle hatten Vorstand und Aufsichtsrat noch einstimmig empfohlen.
Die Österreicher müssen sich auf heftigen Widerstand aus der deutschen Belegschaft einstellen. Betriebsräte und die Gewerkschaft befürchten, dass sich AMS an dem dreimal so großen deutschen Konzern verheben könnte und in großem Stil Arbeitsplätze streicht. "In der Gesamtschau (...) ist unsere Einschätzung, dass AMS die schlechtere Variante wäre", sagte Aufsichtsratsmitglied Irene Schulz, die im Vorstand der IG Metall sitzt, in München.
Obwohl beide Bieter den Arbeitnehmern ähnliche Zusagen machten, sei das Risiko bei AMS größer, weil die Österreicher ihren Schuldenberg mit Einsparungen bei Osram abbauen müssten. "David übernimmt hier Goliath", sagte der bayerische IG-Metall-Bezirkschef Johann Horn. AMS unterschätze, wie komplex der Münchner Konzern sei. Betriebsratschefin Irene Weininger sagte, ihr wäre am liebsten, wenn keiner der beiden Bieter zum Zuge käme. "Dann wären wir Herr im eigenen Haus."
AMS-Vorstandschef Alexander Everke warb vor Journalisten in München nochmals für die Übernahme. Der Lichtspezialist Osram und der Sensorhersteller AMS könnten zusammen neue Märkte für LED-gestützte Sensortechnik erschließen - etwa zur Steuerung autonom fahrender Autos, die sie alleine nicht erobern könnten. Everke gab sich zuversichtlich, der Osram-Belegschaft Ängste vor einem groß angelegten Stellenabbau nehmen zu können: "95 Prozent sind komplementäre Teams, die fast nicht überlappend sind." In der Verwaltung wolle AMS aber "einige hundert" Stellen abbauen. Betriebsbedingte Kündigungen schloss Everke nicht aus. "Da wird München vermutlich als erster Standort rasiert", sagte Gewerkschafter Horn. Osram beschäftigt weltweit rund 25.000 Mitarbeiter, davon rund 6500 in Deutschland.
Bayern will sich aus dem Konflikt heraushalten. Der Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sagte, die Landesregierung könne sich in dem Bieterkampf nicht auf eine Seite schlagen. Er wolle das AMS-Konzept "nicht schlechtreden. Das wird schon funktionieren."
Allianz Global Investors, die Fondstochter des Münchner Versicherungsriesen Allianz, hat mit neun Prozent der Anteile eine Schlüsselrolle inne. AllianzGI hatte das Angebot von Bain und Carlyle als zu niedrig bewertet. Finanzkreisen zufolge würde der Vermögensverwalter sein Osram-Aktienpaket nun aber an AMS verkaufen, sofern die Finanzinvestoren nicht noch gleichziehen. Beide Angebote laufen bis zum 1. Oktober. Ein AMS-Manager sagte, das strategische Konzept von AMS sei bei AllianzGI "auf positives Feedback gestoßen". Weitere knapp drei Prozent an Osram hat AMS am Markt gekauft - das geht, so lange die Aktien unterhalb des Angebotspreises notieren. Am Montag lagen sie bei 37,75 Euro.
Selbst bei einer Annahmequote von 62,5 Prozent darf AMS hoffen, am Ende auf rund 75 Prozent zu kommen und damit einen Beherrschungsvertrag schließen zu können. Denn Indexfonds, die gut zehn Prozent an Osram halten, dürfen ihre Anteile erst nach einer erfolgreichen Übernahme abgeben. Ende Oktober wollen sich die Österreicher von ihren Aktionären eine Kapitalerhöhung um 1,5 Milliarden Euro genehmigen lassen, mit der der Osram-Kauf zum Teil refinanziert werden soll.
In der offiziellen Stellungnahme machten Osram-Vorstand und Aufsichtsrat trotz der Empfehlung ihre Skepsis gegen die AMS-Offerte deutlich. Das unternehmerische Konzept von Bain und Carlyle sei tragfähiger. Der Sensorspezialist interessiert sich für das Opto-Halbleiter-Geschäft und die Autozuliefersparte. Von der Digitalsparte und der Produktion von Standard-LEDs wollen sich die Österreicher trennen. Mögliche Käufer aus der Branche seien bereits angesprochen worden. Ob die Kostensenkungen von 300 Millionen Euro im Jahr, mit denen AMS kalkuliert, machbar sind, hält Osram für fraglich.