Technologie

Alibaba setzt eigene Smart-Chips ein, um Abhängigkeit von US-Technologie zu verringern

Lesezeit: 3 min
05.10.2019 10:03
Chinas Internetriese Alibaba bringt in seinen Rechenzentren jetzt selbst entwickelte Computerchips zum Einsatz, die auch Künstliche Intelligenz ermöglichen.
Alibaba setzt eigene Smart-Chips ein, um Abhängigkeit von US-Technologie zu verringern
Alibaba-Mitgründer Jack Ma, der sich im September aus der Unternehmensführung zurückzog, hatte bereits vor einem Jahr die Notwendigkeit betont, eigene Chips zu entwickeln. (Foto: dpa)
Foto: Jin Liangkuai

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Alibaba hat den ersten selbst entwickelten Smart-Chip für Rechenzentren vorgestellt. Damit verfolgt das chinesische Unternehmen das Ziel, inmitten der anhaltenden Spannungen zwischen Peking und Washington seine Abhängigkeit von US-amerikanischer Technologie zu verringern.

Die Ankündigung ist auch ein wichtiger Meilenstein in Alibabas Bestreben, ein ernstzunehmender Akteur im Hardwarebereich zu werden. Nachdem das Unternehmen vor 20 Jahren im E-Commerce gestartet ist, folgt es nun Google, Amazon und anderen westlichen Internetrivalen mit eigenen Chips.

"Dies ist nur der erste Schritt einer 10.000 Meilen langen Reise", sagte Jeff Zhang, Technologiechef von Alibaba, Ende September auf der jährlichen Cloud Computing-Konferenz des Unternehmens in Hangzhou. "Alibaba ist zuversichtlich, dass wir nicht nur in der Lage sind, das zu tun, was ein traditionelles Hardwareunternehmen tun könnte, sondern auch das zu erreichen, was es nicht könnte", zitiert ihn Nikkei.

Mit seinen weit verbreiteten Diensten im Onlinehandel und für digitale Zahlungen ist Alibaba gut positioniert, um auf die großen Datenmengen zuzugreifen, die benötigt werden, um künstliche Intelligenz (KI) wirksam zu trainieren.

Laut Zhang weist der neue Chip, bekannt als Hanguang 800, eine Rechenleistung auf, die der von zehn Grafikprozessoren oder GPUs entspricht, einer universelleren Art von Computerchip, die zur Verarbeitung von KI-Rechnungen verwendet werden. Dieser technologische Durchbruch mache bereits einen Unterschied im E-Commerce-Geschäft von Alibaba.

So brauchte das System von Alibabas Online-Marktplatz Taobao.com früher eine Stunde, um eine Milliarde Produktbilder für die Website zu verarbeiten. Jetzt läuft das System auf dem neuen KI-Chip und nicht mehr auf GPUs, sodass es die Arbeit nach Angaben des Unternehmens in fünf Minuten erledigen.

"Die Markteinführung des Hanguang 800 ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Technologien der nächsten Generation, die die Computerkapazitäten verbessern, die sowohl unsere derzeitigen als auch unsere aufstrebenden Unternehmen antreiben und gleichzeitig die Energieeffizienz verbessern werden", sagte Zhang.

Alibaba-Mitgründer Jack Ma will die Abhängigkeit seines Unternehmens von US-Chips verringern. Die meisten Prozessoren, die in den Rechenzentren zur Berechnung komplizierter KI-Rechenaufgaben und zur Analyse von Videos, Bildern und Sprachen verwendet werden, stammen von den vier US-amerikanischen Chipherstellern Nvidia, Advanced Micro Devices (AMD), Intels Altera und Xilinx.

"Der Markt für Chips wird von Amerika kontrolliert [...] und plötzlich hören sie auf zu verkaufen", sagte Ma letztes Jahr vor einem Treffen von Studenten an der Waseda University in Tokio. "Japan, China, jedes Land sollte seine eigene Technologie haben. Ein Unternehmen sollte Verantwortung für seine Kunden, für die globale Zukunft übernehmen."

Im April 2018, wenige Tage nachdem die USA dem chinesischen Telekommunikationsausrüster ZTE den Import amerikanischer Komponenten verboten hatten, erwarb Alibaba den chinesischen Chiphersteller Hangzhou C-SKY Microsystems, um seine eigenen Möglichkeiten der Chipherstellung zu erweitern.

Washingtons hartes Vorgehen gegen Huawei in diesem Jahr hat in China die Abkehr von US-Technologie beschleunigt, wobei immer mehr Technologieunternehmen im Land versuchen, ihre Chips und andere Schlüsselkomponenten selbst zu entwickeln.

Alibaba sagte, dass es keine Pläne habe, seine selbst entwickelten Chips zu verkaufen. Aber Analysten sagen, dass die Ausstattung des Cloud-Services mit hocheffizienten KI-Chips dem Unternehmen helfen könnte, mehr Kunden in Chinas zunehmend wettbewerbsintensivem Cloud-Markt zu gewinnen.

"Es ist nicht verwunderlich, dass Alibaba einen eigenen KI-Chip entwickeln würde, da es in ganz China und in einigen Schwellenländern im großen Stil Rechenzentren startet. KI-Computing ist sehr fragmentiert und jeder Technologieriese hat andere Anforderungen", zitiert Nikkei Sean Yang, Analyst bei CINNO in Shanghai.

Die Entwicklung maßgeschneiderter KI-Chips, die spezifische Aufgaben schnell und mit geringerem Stromverbrauch erledigen, anstelle von Grafikprozessoren hat sich zu einem neuen Trend unter den Technologie-Schwergewichten weltweit entwickelt.

Im Jahr 2016 kündigte Google seine erste Tensor Processing Unit, kurz TPU, an, die mit Nvidia konkurriert. Berichten zufolge baut das Unternehmen ein Team in Indien auf, um mehr KI-Chips zu entwickeln. Facebook hat kürzlich seine KI-Chip-Ambitionen angekündigt, während Amazon im vergangenen Jahr seine eigenen Chips als Alternative zu herkömmlichen Computerprozessoren für KI-Projekte vorgestellt hat.

"Die neue Ankündigung auf KI-Chips kann nicht nur als Versuch gesehen werden, sich von den US-Chipherstellern zu entkoppeln, sondern ist auch aus geschäftlicher Sicht eine Möglichkeit für Alibaba, einen individuelleren und wettbewerbsfähigeren Cloud-Service für Rechenzentren aufzubauen, um mit Konkurrenten wie Amazon, Google, Tencent und Microsoft zu konkurrieren", sagte Yang.

Alibaba ist der unangefochtene Marktführer im chinesischen Cloud-Markt, aber sein langjähriger Konkurrent Tencent Holdings holt auf. IDC-Daten zeigen, dass Tencent im Segment "Infrastruktur als Dienstleistung" - einer der beliebtesten Formen von Cloud Services in China - im vergangenen Jahr einen Marktanteil von 11,5 Prozent erreicht hat. Das war weit hinter den 43 Prozent von Alibaba Cloud, kurz AliCloud genannt, aber es war eine deutliche Verbesserung von 7,4 Prozent im Jahr 2016.

Unterdessen verdoppeln auch andere chinesische Technologieriesen ihre Investitionen in die Cloud und streben einen Teil dieses boomenden Marktes an. Huawei sagte im September 1,5 Milliarden Dollar zu, um Softwareentwickler für seine Computersysteme zu gewinnen. Weltweit belegt Alibaba nach Amazon und Google den dritten Platz im Cloud Computing.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Ratgeber
Ratgeber Die neuen, elektrifizierten Honda-Modelle

Komfort, Leistung und elektrische Antriebe – das gibt es alles mit den brandneuen Honda-Modellen als E-Auto, Plug-in-Hybrid und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Europas Petrochemie steht mit dem Rücken zur Wand
01.12.2023

Die petrochemische Industrie in Europa gerät in schweres Fahrwasser. Wenn von Seiten der Politik nicht rasch und grundlegend...

DWN
Finanzen
Finanzen Anleger ignorieren Warnungen der EZB, wetten auf Zinssenkung
01.12.2023

Entgegen allen Warnungen der EZB wetten die Märkte auf baldige Zinssenkungen. Damit stellen die Geldpolitik auf eine harte Probe. Gibt...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutsche Banken fordern ein Comeback der Verbriefungen
01.12.2023

Nachdem schon Commerzbank-Chef Knof ein Ende ihrer Stigmatisierung gefordert hat, macht sich nun auch Deutsche-Bank-Chef Sewing für...

DWN
Finanzen
Finanzen Dax nähert sich Allzeithoch - „Zinssenkungseuphorie“
01.12.2023

Der Dax hat die Marke von 16.300 Punkten geknackt und nähert sich einem neuen Allzeithoch erreicht. Denn Anleger spekulieren auf baldige...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Grüne Ideologie bedroht deutschen Weinbau
01.12.2023

Brüssel verabschiedet Verordnungen, die den europäischen Weinbau beeinträchtigen werden. Für viele deutsche Winzer gleicht dies einem...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Deutlicher Anstieg der Firmenpleiten - Droht eine Insolvenzwelle?
01.12.2023

Gestiegene Energiekosten, Zinsen und Produktionskosten sowie geopolitische Konflikte belasten Unternehmen in Deutschland. Nicht alle Firmen...

DWN
Politik
Politik Haushaltskrise: Lindner will sparen statt neue Schulden zu machen
01.12.2023

Finanzminister Lindner will für den Haushalt 2024 keine neuen Schulden aufnehmen, sondern sparen. Aber noch ist das Aussetzen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Ausstieg aus dem Ausstieg: Schweden baut Kernkraftwerke
30.11.2023

Eigentlich hatten die Schweden per Referendum für das Ende der Kernenergie gestimmt. Doch nun hat das Parlament den Bau weiterer...