Politik

Trump steht wegen Truppenabzug aus Syrien in der Kritik

Präsident Trump zieht US-Soldaten in Syrien aus dem Grenzgebiet zur Türkei ab. Republikaner und Demokraten werfen ihm Verrat an Verbündeten vor.
08.10.2019 08:15
Lesezeit: 3 min
Trump steht wegen Truppenabzug aus Syrien in der Kritik
Mit seiner Entscheidung, US-Truppen aus Syrien abzuziehen hat Donald Trump massive Kritik auf sich gezogen. (Foto: dpa) Foto: Evan Vucci

Vor einer geplanten türkischen Offensive gegen kurdische Milizen zieht Donald Trump US-Soldaten aus dem syrisch-türkischen Grenzgebiet ab - und erntet damit einen wütenden Proteststurm. Auch wenn sich Trump am Montag bemüht, die Kritik an seiner Entscheidung mit Drohungen an die Adresse Ankaras abzumildern: Die Kurdenmilizen in Nordsyrien, die wichtigsten Verbündeten der USA im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), lässt er fallen.

Seit 2017 patrouillieren US-Soldaten im Norden des Bürgerkriegslandes mit Verbündeten der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die von der Kurdenmiliz YPG dominiert werden. Ankara sieht in der YPG den syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK - dem historischen Gegner. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will in den von ihm so bezeichneten «Terrorkorridor» unter SDF-Kontrolle in Nordsyrien einmarschieren. Bislang stand Trump solchen Plänen im Weg. Der US-Präsident warnte im Januar, die Türkei werde bei einem Angriff auf die Kurden wirtschaftlich vernichtet werden.

In der Nacht zu Montag ließ dann eine Mitteilung des Weißen Hauses aufhorchen: Die Türkei werde «bald» mit ihrer seit langem geplanten Operation voranschreiten, hieß es dort. Die USA würden sie nicht unterstützen und sich auch nicht daran beteiligen. US-Streitkräfte würden aber «nicht länger in der unmittelbaren Region sein». Die Terrormiliz IS sei aus ihrem «Kalifat» vertrieben worden. Kurz: Die YPG hat ihre Schuldigkeit getan. Erdogan - mit dem Trump kurz zuvor telefoniert hatte - dürfte die Mitteilung so gedeutet haben, dass die USA grünes Licht für die Offensive geben.

Trump sagte am Montag, er wolle Amerika aus den «endlosen Kriegen» herausführen. Die USA würden nur noch dort kämpfen, wo es zu ihrem Nutzen sei, und nur noch kämpfen, um zu gewinnen. Er äußert Verständnis für seine Kritiker, sagt aber auch, dass der Einsatz in Nordsyrien nicht ewig weitergehen könne.

Entrüstung kommt sowohl von den Demokraten als auch von den Republikanern. Der Senator und enge Trump-Vertraute Lindsey Graham kündigt für den Fall eines Einmarsches eine parteiübergreifende Resolution im Kongress an, mit der Sanktionen gegen die Türkei verhängt würden. Er hoffe auf eine Zweidrittelmehrheit, gegen die Trump dann auch mit einem Veto nichts ausrichten könnte, teilt er in einem von vielen Tweets mit.

Zudem kündigte Graham an, sich dann auch für eine Aussetzung der türkischen Nato-Mitgliedschaft zu engagieren. Der republikanische Senator sagte auf Twitter: «Indem wir die Kurden sitzen gelassen haben, haben wir das denkbar gefährlichste Signal ausgesendet - Amerika ist ein unzuverlässiger Verbündeter, und es ist nur eine Frage der Zeit, bevor China, Russland, der Iran und Nordkorea sich auf gefährliche Weise aufführen.» Der Iran und Russland sind die wichtigsten Verbündeten von Syriens Präsidenten Baschar al-Assad.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus, der Demokrat Eliot Engel, nennt den Abzug «ein Geschenk an Russland, den Iran und den IS und einen atemberaubenden Verrat an den kurdischen Kräfte». Seltene Einigkeit gibt es sogar zwischen dem republikanischen Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, und der demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Auch Experten wie Trumps früherer Sondergesandter für die Internationale Allianz gegen den IS, Brett McGurk, warnen vor den Konsequenzen, die «weit über Syrien hinauswirken» würden. McGurk kritisiert: «Der Wert eines amerikanischen Handschlags sinkt.»

«Wenn die Türkei irgendetwas unternimmt, was ich in meiner großartigen und unvergleichlichen Weisheit für tabu halte, werde ich die türkische Wirtschaft vollständig zerstören und auslöschen», schreibt Trump auf Twitter. Was der US-Präsident in seiner großartigen und unvergleichlichen Weisheit für tabu hält, lässt er offen. Auch später, als er am Rande der Unterzeichnung eines Handelsabkommens im Weißen Haus Fragen von Journalisten beantwortet, bekennt Trump sich nicht ausdrücklich zum Schutz der Kurden. Vage warnt er vor schweren wirtschaftlichen Konsequenzen für die Türkei, sollte sie sich auf eine Art verhalten, die er nicht für «human» halte.

Das Weiße Haus sieht sich danach bemüht, die Entscheidung des Präsidenten zu erklären. Der Abzug der US-Truppen aus dem Grenzgebiet in Nordsyrien bedeute keineswegs «grünes Licht» für die Türken, ein «Massaker» an den Kurden zu begehen, sagt ein ranghoher Regierungsbeamter auf Nachfrage. Auch bedeute der Schritt keinen Abzug der US-Truppen aus Syrien. Tatsächlich handele es sich nur um rund 50 Soldaten, die aus dem Grenzgebiet zurückgezogen worden seien.

Aus Sicht der türkischen Regierung dürfte die Zahl sekundär sein - Hauptsache, die US-Soldaten sind aus dem Weg. Der Streit zwischen den USA und der Türkei um die YPG reicht lange zurück. Erdogan hatte den US-Soldaten in Syrien einst sogar eine «osmanische Ohrfeige» angedroht, sollten sie die YPG vor türkischen Truppen schützen.

Schlechte Nachrichten sind das für die Kurdenmilizen und die SDF in Nordsyrien. «Die US-Kräfte vor Ort haben uns gezeigt, dass sie Freundschaft und Allianz nicht wertschätzen», schreibt SDF-Sprecher Mustafa Bali am Montag auf Twitter. Er wirft den US-Truppen vor, ihrer Verantwortung nicht nachgekommen zu sein - die Gegend werde mit ihrem Abzug zu einem «Kriegsgebiet», warnt er. «Aber die SDF sind entschlossen, Nordost-Syrien um jeden Preis zu verteidigen.»

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Landtagswahlen Baden-Württemberg 2026: AfD liegt vor den Grünen – eine Partei gewinnt noch mehr
09.05.2025

Die AfD überholt erstmals laut Insa-Umfrage die grüne Partei in Baden-Württemberg, die seit 13 Jahren regiert und die größte...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Kunstmarkt: Familienangelegenheiten im Auktionshaus Lempertz - und was Unternehmer davon lernen können
09.05.2025

Lempertz in Köln ist das älteste Auktionshaus der Welt in Familienbesitz. Isabel Apiarius-Hanstein leitet es in sechster Generation. Erst...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnquartiere als soziale Brennpunkte: Armut, Migration und Überalterung – Ghettobildung nimmt zu
09.05.2025

Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit: Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland sind überfordert. Eine neue Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie auf Rekordkurs nach starkem Quartalsgewinn – und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag zugelegt – und im Handelsverlauf ein neues Jahreshoch erreicht. Das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU schlägt zurück: Diese US-Produkte stehen nun im Visier von Brüssel
09.05.2025

Die Europäische Kommission hat eine umfassende Liste von US-Produkten veröffentlicht, auf die im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Daimler-Sparprogramm: Was plant Daimler Truck in Deutschland?
09.05.2025

Der Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck strebt an, seine Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu erhöhen und hat sich mit dem...

DWN
Panorama
Panorama Endlos-Hitze droht im Sommer: Wetterextreme betreffen jüngere Generationen erheblich stärker
09.05.2025

Endlos-Hitze droht im Sommer - diese Schlagzeile geistert an diesem Freitag durch die Medien. Klar ist, dass die Folgen der globalen...

DWN
Technologie
Technologie Datenfalle USA: Warum viele Unternehmen in Gefahr sind - ohne es zu merken
09.05.2025

Viele Unternehmen übertragen täglich Daten in die USA – und merken nicht, dass sie damit in eine rechtliche Falle tappen könnten. Das...