Die Seestreitkräfte der Vereinigten Staaten beherrschen die Meere. Prunkstück der US-Navy: Ihre elf Flugzeugträger. Doch die Tage der seegestützten Luftwaffenbasen könnten gezählt sein. Derzeit wird nämlich in amerikanischen Verteidigungskreisen, einschließlich des Pentagons selbst, eine hitzige Diskussion darüber geführt, ob die riesigen Kriegsschiffe noch zeitgemäß sind. Wobei es in der Diskussion ausschließlich um die Bekämpfung eines bestimmten Gegners geht: China. Und zwar auf einem klar umrissenen Kriegsschauplatz: Dem Pazifik.
So sagte auf der traditionellen „Defense News Conference“ - an der vor allem hochrangige Militärs, Analysten, Industrievertreter und Lobbyisten teilnehmen - der Leiter des Bereichs Forschung und Ingenieurwesen im Pentagon, Mike Griffin: „Wovor hat die chinesische Regierung wohl mehr Angst? Vor 2000 im Pazifik stationierten Überschall-Raketen oder vor einem einzelnen Flugzeugträger? Die beiden Dinge kosten in etwa gleich viel. Das sind die Fragen, die wir uns in Zukunft stellen müssen.“
Hintergrund: Die Kosten eines Flugzeugträgers sind gewaltig. Der Bau des letzten vom Stapel gelaufenen Trägers, der „USS Gerald R. Ford“, verschlang 13 Milliarden Dollar. Betriebs- plus Personalkosten schlagen im Jahr mit guten 150 Millionen Dollar zu Buche. Dazu kommen noch die gewaltigen Kosten für den Bau und den anschließenden Unterhalt der zahlreichen Begleitschiffe (im Schnitt pro Träger fünf Kreuzer und Zerstörer, zwei Jagd-U-Boote sowie ein Versorgungsschiff). „Träger frisst Flotte“, lautet ein klassischer Marine-Spruch.
Darüber hinaus sind Flugzeugträger heutzutage vom Feind einfacher zu bekämpfen als in früheren Zeiten. In Manövern hat sich gezeigt, dass deutsche U-Boote mit konventionellem Antrieb (also nicht dem viel lauteren Atom-Antrieb der US-Submarines) den Trägern gefährlich nahe kamen. Dazu kommt, dass die schwerfälligen Riesen relativ leicht zu Zielen von an Land stationierten Raketen werden können (China hat in den letzten Jahren seine Fähigkeiten, die See vor seiner Küste zu beschießen, stark ausgebaut, nicht zuletzt im Hinblick auf einen möglichen militärischen Konflikt um Taiwan).
Aber: Viele Militärs und Analysten sind der Meinung, dass Flugzeugträgern weiterhin eine massive militärische Wirkung verfügen. So hat US-Konteradmiral Roy „Trigger“ Kelley kürzlich in einem sehr emotionalen Artikel die - in seinen Augen - enormen Fähigkeiten von Trägern folgendermaßen beschrieben: „Kein anderes Waffensystem, auch keine Kombination von kleineren Waffensystemen, sind so tödlich, beweglich und unverwüstlich wie ein großer, atomgetriebener Flugzeugträger und sein Fluggeschwader. Träger verfügen über die Einsatzschnelligkeit, das Durchhaltevermögen, die multidimensionale Kraft und die Übersicht über das gesamte Operationsfeld, die Amerika benötigt, um in einem Konflikt mit einer anderen Supermacht die Oberhand zu behalten. Eine Trägerkampfgruppe kann allein durch ihre bloße Präsenz die Ereignisse im Sinne unserer Nation beeinflussen.“ Die Träger seien im Laufe der Jahre immer wieder an die wechselnden Anforderungen angepasst worden, sie seien sehr „anpassungsfähige“ Systeme und daher nach wie vor äußerst „relevant“.
Diejenigen, die auch weiterhin auf Flugzeugträger setzen wollen, führen aber nicht nur ihre militärische Wirksamkeit ins Feld. Ihr zweites pro-Träger-Argument lautet, dass gerade die Tatsache, dass ein Flugzeugträger weniger Wirkung entfaltet als eine Vielzahl von Raketen, für den Träger spricht. Sollte es nämlich zu einem begrenzten militärischen Kräftemessen mit China kommen, wäre die Drohung, den Träger zum Einsatz zu bringen, glaubhaft. Nicht aber die Drohung, Peking oder Schanghai mit Raketen zu beschießen, was unweigerlich zu einer entsprechenden Gegenreaktion Chinas führen würde, die San Francisco, Denver oder Kansas City in Ruinen verwandeln würde. Raketen würden abschreckend auf Mächte wie den Iran oder Nord Korea wirken, schreibt der pensionierte U-Boot-Officer und jetzige außenpolitische Analyst, Bryan Clark, aber nur in begrenztem Maße auf andere Supermächte. „Ich glaube nicht, dass sie (die chinesischen Machthaber - Anm. d. Red.) Raketen als glaubhafte Drohung ansehen. Darum ist der Wert von Raketen als Mittel der Abschreckung geringer.“
Unter Donald Trump haben die Verteidigungsausgaben der USA dieses Jahr mit 716 Milliarden Dollar (das entspricht mehr als 40 Prozent des russischen und rund fünf Prozent des chinesischen Bruttoinlandprodukts) einen neuen Rekordwert erreicht. Das „Zentrum für Internationale und Strategische Studien“ (CSIS/ Sitz: Washington) hat allerdings errechnet, dass mehrere Verteidigungsetats unter Obama höher ausfielen, wenn man sie um die Inflation bereinigt.
Das deckt sich damit, dass die letzten Jahre gezeigt haben, dass die USA zunehmend weniger in der Lage sind, ihrer (selbstauferlegten) Aufgabe als Weltpolizist gerecht zu werden. Der US-Präsident mag poltern, aber wo stehen seine Truppen in Syrien? Nirgendwo, er hat sie abgezogen. Die Vereinigten Staaten beschäftigen sich zunehmend mit sich selbst, ihre Institutionen, ihre Menschen sind müde. Dieser Umstand spricht eher dafür, dass sich die Amerikaner dazu entscheiden werden, auf Raketen zu setzen, keine neuen Träger zu bauen, die noch vorhandenen im Hafen und ihre Besatzungen zu Hause zu lassen.
Für die diesbezüglichen Entscheidungen, die in den kommenden Jahren in den Machtzirkeln von US-Politik und -Militär getroffen werden, interessiert sich der größte Teil der Öffentlichkeit wenig. Aber sie werden die geopolitischen Entwicklungen unserer Zeit entscheidend mitbestimmen.