Politik

Teurer „Green Deal“: Tiefe Gräben zwischen Nettozahlern und Kommission um künftige EU-Beiträge

Lesezeit: 2 min
21.02.2020 09:20  Aktualisiert: 21.02.2020 09:20
In den Verhandlungen um die künftigen EU-Beiträge sind die Fronten verhärtet. Auf der einen Seite stehen die Nettozahler wie Deutschland, auf der anderen Seite Frankreich und die EU-Kommission, welche viel Geld für ihren "Green Deal" braucht.
Teurer „Green Deal“: Tiefe Gräben zwischen Nettozahlern und Kommission um künftige EU-Beiträge
Brüssel: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU,l) spricht bei dem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs mit Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates. (Foto: dpa)
Foto: Pool Philip Reynaers

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Auf dem Sondergipfel zu den EU-Finanzen ab 2021 hat sich am Donnerstagabend keine Kompromissbereitschaft unter den 27 Mitgliedstaaten abgezeichnet. EU-Ratspräsident Charles Michel erntete nach Teilnehmerangaben Kritik etlicher Länder für seinen zuletzt vorgelegten Kompromissvorschlag. Nettozahlerstaaten wie die Niederlande, Dänemark, Finnland und Österreich warnten vor zu hohen Beiträgen der einzelnen Länder. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der Präsident des europäischen Parlaments, David Maria Sassoli, betonten dagegen in den Verhandlungen, es sei mehr Geld nötig, damit die EU ihre selbst gesteckten Ziele auch erreichen könne.

Schon vor Beginn des Gipfels in Brüssel hatten mehrere Regierungschefs die Erwartungen gedämpft. "Ob es eine Einigung gibt, steht in den Sternen", sagte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Sein schwedischer Kollege Stefan Löfven betonte, die Positionen lägen sehr weit auseinander. Kanzlerin Angela Merkel betonte zwar, dass Deutschland "mit großer Entschlossenheit" für eine Einigung arbeiten werde. Aber ein Erfolg sei unsicher. Merkel traf sich unmittelbar vor dem Gipfel mit Michel und Macron zu Vier- und Sechs-Augengesprächen. Erwartet wurde, dass Michel am Abend mit einzelnen Ländern oder Gruppen von Ländern gesonderte Gespräche führt, um Kompromissmöglichkeiten auszuloten. Spekuliert wurde bereits, dass es im Falle eines Scheiterns einen weiteren Sondergipfel im März geben könnte.

Der Streit über den siebenjährigen Finanzrahmen von 2021 bis 2027 in Höhe von rund einer Billion Euro tobt seit zwei Jahren und hat sich durch den EU-Austritt Großbritanniens verschärft. Die Regierungschefs Österreichs, der Niederlande, Schwedens und Dänemarks verabredeten in Brüssel, gemeinsam darauf zu pochen, dass die Staaten auch künftig nicht mehr als ein Prozent ihrer jeweiligen Wirtschaftsleistung nach Brüssel abführen. Ein Anteil von einem Prozent würde Merkel zufolge für Deutschland nach dem Brexit eine Mehrzahlung von zehn Milliarden Euro pro Jahr bedeuten. Macron will aber wie der Belgier Michel eine Grenze von 1,07 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) einführen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte anders als die Bundesregierung die Vorschläge. Die EU müsse den Spagat schaffen, auch Zukunftsaufgaben zu finanzieren. Die Kommission hatte vorgeschlagen, die nationalen Beiträge sogar auf 1,11 Prozent des BIP zu erhöhen.

Merkel kritisierte, dass Michels Vorschläge keine faire Lastenteilung zwischen den Nettozahlern ergäben. Dies betrifft vor allem Frankreich, das wegen der hohen Agrarsubventionen aus der EU-Kasse den größten Teil seiner Überweisungen nach Brüssel wieder zurückbekäme. Deutschland und andere Staaten würden dagegen nach den Michel-Plänen massiv belastet. Österreichs Kanzler Kurz forderte wie Merkel deshalb einen Rabatt bei den eigenen Zahlungen. Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin kritisierte, dass Michel den Plan verwässert habe, dass EU-Strukturhilfen künftig an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in den Empfängerländern geknüpft werden sollen.

"Wenn die EU Ambitionen hat, muss sie diese auch mit Geld unterlegen", forderte Macron. Die geplanten weiterhin hohen EU-Subventionen für den Landwirtschaftsbereich begründete er damit, dass Europa seine "Souveränität der Ernährung" bewahren müsse und die Landwirte Hilfen bei der Umstellung auf mehr Klimaschutz bräuchten. Dagegen sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte: "Ein Drittel (des Etats) ist immer noch für Landwirtschaft vorgesehen, ein Drittel für die Kohäsionspolitik. Ich kann diesem Vorschlag einfach nicht zustimmen."

Strittig war in Brüssel unter anderem, dass die EU erstmals eigene Einnahmequellen bekommen soll. Macron unterstützte die Kommissionsidee, dass die EU eine Plastiksteuer einführen und die Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandelssystem in die EU-Kassen fließen sollten. Dies lehnt etwa Deutschland ab.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Ratgeber
Ratgeber Sicher beschaffen in Krisenzeiten

Die Auswirkungen von Krisen wie die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg und damit verbundene Versorgungsengpässe stellen auch den...

DWN
Technologie
Technologie DWN-Interview: Wetterwaffen - Utopie oder Wirklichkeit?
01.10.2023

Der italienische Wissenschaftsjournalist Marco Pizzuti spricht über die wenig diskutierte Thematik der Wetterwaffen und das starke...

DWN
Finanzen
Finanzen Anleger geben Hoffnung auf fallende Zinsen auf
01.10.2023

Über viele Monaten wollten Anleger nicht wahrhaben, dass die hohen Zinsen von Dauer sind. Doch nun ist plötzlich Einsicht eingekehrt -...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Dank Russland: Weizen so billig wie zuletzt vor 3 Jahren
01.10.2023

Eine zweite Rekordernte in Russland hat die globalen Weizen-Preise stark nach unten gedrückt. Analysten warnen nun aber vor einer...

DWN
Politik
Politik USA bieten vorerst keine weitere Militärhilfe für die Ukraine
01.10.2023

Der US-Kongress hat einen Übergangshaushalt verabschiedet, der vorerst keine weitere Unterstützung für die Ukraine vorsieht. Die EU...

DWN
Politik
Politik Slowakei: Pro-russischer Fico gewinnt Wahlen
01.10.2023

Die Partei des linksgerichteten früheren Ministerpräsidenten Robert Fico hat die Parlamentswahl in der Slowakei gewonnen. Sie kann aber...

DWN
Politik
Politik Türkei: Anschlag auf Regierungsgebäude in Ankara
01.10.2023

In der Türkei ist es am Sonntagmorgen zu einem Anschlag gekommen. Zwei Terroristen hätten einen Bombenanschlag auf Regierungsgebäude in...

DWN
Ratgeber
Ratgeber Steuervorteile beim Unternehmensverkauf: Clevere Strategien für mehr Gewinn
01.10.2023

Durch kluge Nutzung von Steuervorteilen kann der Ausgang eines Unternehmensverkaufs erheblich beeinflusst werden. Verschiedene Strategien...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft USA: Gewinne der Unternehmen steigen auf Rekordhoch
30.09.2023

Trotz historisch hoher Zinsen können die USA eine Rezession offenbar vermeiden. Die Gewinne der Unternehmen sind auf ein neues Rekordhoch...