Finanzen

Begehrt die Welt unter Pekings Führung gegen die Herrschaft des Dollars auf?

Lesezeit: 4 min
09.05.2020 12:14  Aktualisiert: 09.05.2020 12:14
Moritz Enders, außenpolitischer Korrespondent der DWN, hat den Finanz-Experten Folker Hellmeyer interviewt. Der ist der Ansicht, dass die Art und Weise, wie die USA ihre wirtschaftliche Macht einsetzen, dazu führt, dass sich der Rest der Welt mehr und mehr von der Supermacht emanzipiert.
Begehrt die Welt unter Pekings Führung gegen die Herrschaft des Dollars auf?
Wall Street, New York: Ein gewaltiges Sternenbanner hängt an der Fassade der Börse - ein Symbol geballter amerikanischer Macht. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Sanktions-Politik der Vereinigten Staaten ist aus Sicht des Finanz-Experten Folker Hellmeyer unter anderem deshalb so erfolgreich, weil sie das internationale Zahlungssystem SWIFT dominieren und der US-Dollar die Welt-Leitwährung ist. Doch weil Amerika seine Macht missbrauche, zwinge das den Rest der Welt dazu, sich sukzessive von der Supermacht zu emanzipieren.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wenn die USA Sanktionen gegen ein Land verhängen, müssen sich die meisten anderen Länder - wie etwa die EU-Staaten - de facto daran halten, und zwar unabhängig davon, ob sie mit der Sanktionsentscheidung einverstanden sind oder nicht. Warum ist das so?

Folker Hellmeyer: Das hat mehrere Hintergründe. Die USA sind seit Ende des Zweiten Weltkriegs die westliche Führungsmacht. Aus dieser Historie leiten die USA auch für die Zukunft einen Führungsanspruch ab. Die internationalen Institutionen, beispielsweise der Internationale Währungsfonds (IWF) oder die Weltbank, beide gegründet 1944 in Bretton Woods (USA), sind zu großen Teilen Vertreter westlicher Interessen unter US-Dominanz. Auch das internationale Zahlungssystem SWIFT fällt unter diese Kategorie. Dabei spielt es hinsichtlich der US-Machtausübung keine Rolle, dass SWIFT seinen Sitz in Belgien hat, weil der US-Dollar als Weltleitwährung eine tragende Rolle im internationalen Zahlungsverkehr spielt und die USA diesen Status im Rahmen von Droh- und Sanktionspolitik ausnutzen. Man unterwirft sich seitens der USA auch nicht internationaler Gerichtsbarkeit am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag oder dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg. Daneben sind die USA auf globaler Ebene militärisch und geheimdienstlich dominant. Entscheidende Schlüsselindustrien im IT-Sektor sind von den USA beherrscht. Unter Präsident Trump wird auch dieser wirtschaftliche Sektor gegen Drittländer oder Unternehmen in Drittländern im Rahmen von Sanktionspolitik instrumentalisiert. Hier ist die Rolle eines „Primus inter Pares“ (Erster unter Gleichen) erkennbar. Vor dem Hintergrund der globalisierten Weltwirtschaft mit den kurzfristigsten Lieferketten besitzen die USA damit ein umfassendes Einschüchterungs-Potential, das willfähriges Verhalten dritter Parteien forciert.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Ließen sich neben SWIFT auch andere Bezahl-Systeme installieren? Falls ja: Unter welchen Voraussetzungen und wie würden diese funktionieren?

Folker Hellmeyer: Selbstredend ist das möglich. In Ansätzen gibt es Alternativen, beispielsweise CIPS seitens Chinas, gegründet im Jahr 2015. Dieses System ist Yuan-basiert. Die Reichweite, also die Zahl der teilnehmenden Länder und Banken, ist die entscheidende Größe. Die ist beim CIPS-System überschaubar im Vergleich zu SWIFT. CIPS kann man bisher als eine Arrondierung des globalen Systems klassifizieren. Das System bietet aber durch SWIFT sanktionierten Ländern alternative Zahlungswege. Banken in 89 Ländern waren per Ende 2018 im CIPS aktiv, unter ihnen BNP Paribas und die Deutsche Bank. China will eigene Wege gehen, die keine Unterordnung unter US-Interessen voraussetzen. China ist bedeutend und hat 19 Prozent Anteil an der Weltwirtschaftsleistung. Unter der Führung Pekings emanzipieren sich Teile der Welt von der US-Dominanz. So sind Alternativen zum IWF (New Development Bank) und zur Weltbank (AIIB) längst etabliert. CIPS ist ein weiterer Baustein.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Müssten Firmen, die auf alternative Bezahl-Systeme zurückgreifen, nicht dennoch Sanktionen in den USA befürchten?

Folker Hellmeyer: Dem Zugriff der USA kann man sich als global agierendes Unternehmen bisher nur schwer entziehen. Wer als Unternehmen in den USA aktiv ist oder den US-Dollar als Transaktions-Währung nutzt, unterwirft sich faktisch US-Recht. Am Beispiel North Stream II lässt sich das umfänglich darlegen. Die Androhung von Sanktionen veranlasste das Unternehmen Allseas Group SA, sich zurückzuziehen, da es eben auch in den USA tätig ist und tätig bleiben will.

Dabei ist der US-Dollar eine der entscheidenden Stellschrauben zur Durchsetzung der US-Politik. So lauten beispielsweise 40 Prozent aller SWIFT- Zahlungen auf US-Dollar. Die wichtigen globalen Unternehmen sind an der US-Börse gelistet. Sie haben auf US-Dollar lautende Schuldverschreibungen. Der Großteil der globalen Währungsreserven wird noch in US-Dollar gehalten. Ergo ist eine abrupte Abkehr unrealistisch. Eine sukzessive Abkehr vom US-Dollar ist seit Jahren erkennbar. Als Barometer eignet sich der Goldpreis in US-Dollar, der aktuell auf den höchsten Niveaus seit 2013 oszilliert.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Erwarten Sie, dass die Bedeutung des US- Dollars langfristig abnehmen wird?

Folker Hellmeyer: Der Missbrauch der US-Machtposition losgelöst vom internationalen Regelwerk, unter anderem der Welthandelsorganisation (WTO), zwingt den Rest der Welt sukzessive zu einer Emanzipation von den USA, wenn man im Rest der Welt den Begriff Souveränität nicht zu einer Worthülse verkommen lassen will. Insbesondere die Aktivitäten Chinas, das die Gründungen der New Development Bank, der AIIB und des CIPS forcierte, sind ein Ausdruck von Selbstbehauptung. Der US-Ansatz, dass US-Recht extraterritorial Anwendung finden soll, ist totalitär, da der Rest der Welt in den USA an der Gesetzgebung nicht partizipiert. Der Bedeutungsverlust des US-Dollars ist nicht eine Frage des „ob“, sondern lediglich des „wann“ und des „wie“.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Hat der Euro das Potential, im Welthandel zu einer Alternative zum US-Dollar zu werden?

Folker Hellmeyer: Der Euro ist die zweitbedeutendste Währung nach dem US-Dollar, damit ist er bereits eine Alternative. Er wird an Bedeutung gewinnen, aber er wird die Rolle des US-Dollar nicht übernehmen. Um das zu können, bedürfte es anderer politischer Grundlagen im Sinne der Staatlichkeit. Das ist auf Sicht nicht erkennbar.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wird China darauf hinarbeiten, dass der Yuan an Bedeutung gewinnt? Und müsste er, um dies zu erreichen, nicht frei konvertierbar sein?

Folker Hellmeyer: Alle Maßnahmen, die China trifft, zielen darauf ab, dass der Yuan mehr Bedeutung erfahren wird. Man geht aber kleine Schritte. Wir sind im sogenannten Westen sehr kurzfristig orientiert. China agiert konfuzianisch. Man hat Zeit, das Ziel zu erreichen. Man wird den Yuan auf Sicht nicht voll konvertierbar machen, da damit ein aus chinesischer Sichtweise nicht zulässiger Kontrollverlust einherginge. Der Westen sollte verstehen, dass China selbst ein Land der sieben Geschwindigkeiten ist. Länder in Transition haben andere Kontrollnotwendigkeiten als Länder, die voll entwickelt sind.

***

Folker Hellmeyer begann seine Laufbahn 1984 als Devisenhändler bei der Deutschen Bank in Hamburg und London. Der gelernte Bankfachwirt wechselte 1995 zur Helaba in Frankfurt am Main. Von April 2002 bis Ende 2017 war er Chefanalyst bei der Bremer Landesbank (BLB). Im Jahr 2018 gründete Folker Hellmeyer zusammen mit ehemaligen BLB-Kollegen die Fondsboutique Solvecon Invest GmbH in Bremen, bei der er Chefanalyst und Gesellschafter ist.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handel warnt vor „Geisterstädten“ - tausende Geschäftsschließungen
23.04.2024

Seit Jahren sinkt die Zahl der Geschäfte in Deutschlands Innenstädten - auch weitere Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof müssen bald...

DWN
Technologie
Technologie Ocean Cleanup fischt 10 000 Tonnen Plastikmüll aus Ozeanen und Flüssen
23.04.2024

Ein Projekt fischt Tausende Tonnen Plastik aus dem Meer und aus Flüssen. Eine winzige Menge, weltweit betrachtet. Doch es gibt global...

DWN
Technologie
Technologie Astronaut Alexander Gerst rechnet mit permanenter Station auf dem Mond
23.04.2024

Eine feste Basis auf dem Mond - das klingt für viele noch nach Science Fiction, soll aber schon bald Realität werden. Für Astronaut...

DWN
Politik
Politik Zeitungsverlage mahnen von Politik zugesagte Hilfe an
22.04.2024

Der Medienwandel kostet Zeitungshäuser viel Kraft und Geld. Von der Politik fühlen sie sich dabei im Stich gelassen. Sie erinnern die...

DWN
Immobilien
Immobilien Stabilere Aussichten für deutschen Gewerbeimmobilienmarkt nach Volatilität
22.04.2024

Die Nachfrage insbesondere nach Büros im deutschen Gewerbeimmobiliensektor war verhalten im Jahr 2023. Das Segment ist stärker als andere...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Iran-Konflikt: Israels mutmaßlicher Angriff und Teherans Machtspiele
22.04.2024

Ein möglicher israelischer Luftangriff gegen den Iran kennzeichnet die bisherige Spitze der Eskalation im Nahostkonflikt. Dennoch bleibt...

DWN
Politik
Politik Steinmeier reist mit Dönerspieß und Imbissbesitzer in die Türkei
22.04.2024

Zehn Jahre ist es her, dass ein Bundespräsident der Türkei einen Besuch abgestattet hat. Jetzt reist Frank-Walter Steinmeier an den...

DWN
Technologie
Technologie Auftakt der Hannover Messe: Industrie mahnt Reformen an
22.04.2024

In Hannover hat wieder die traditionelles Messe für Maschinenbau und Elektrotechnik begonnen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eröffnete...