Die Deutsche Bank hat sich im ersten Quartal überraschend gut geschlagen. Inmitten der Corona-Krise erzielte das Institut einen Vorsteuergewinn von 206 Millionen Euro, wie der deutsche Branchenprimus in der Nacht zum Montag mitteilte. Auch wenn das im Vergleich zu den Milliarden-Gewinnen der US-Banken wenig ist - die Aktien der Deutschen Bank schossen um fast zwölf Prozent nach oben, weil die Analysten mit einem Verlust gerechnet hatten. Doch die Bank warnte bereits, dass die Krise auf der Kapitalausstattung lasten werde. Die Branche rechnet im Laufe des Jahres mit höheren Kreditausfällen und Firmenpleiten.
"Wir sind sehr zufrieden, dass die Ergebnisse für das erste Quartal unsere Fortschritte beim Umbau unserer Bank, die operative Stärke unseres Geschäfts und unsere Widerstandskraft bestätigen", sagte Konzernchef Christian Sewing. Nach Steuern verdiente das Institut, das im Zuge des Umbaus weltweit 18.000 Jobs streicht, 66 Millionen Euro nach rund 200 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Von der Bank befragte Analysten hatten im Schnitt einen Verlust von fast 400 Millionen Euro prognostiziert. Auch bei den Erträgen schlug sich die Bank besser als erwartet: Sie verbuchte Einnahmen von 6,4 Milliarden Euro, so viel wie im ersten Quartal 2019. Wie genau sie sich Erträge auf die einzelnen Sparten verteilen, erläutert das Management am Mittwoch.
Experten gehen davon aus, dass das Investmentbanking gut gelaufen ist. "Die Corona-Pandemie dürfte dazu geführt haben, dass Kunden mehr Transaktionen abgeschlossen haben. Das wirkt sich positiv auf die Erträge aus", sagte Analyst Andreas Pläsier von Warburg Research. Auch bei den US-Banken hatte sich das in den Quartalsergebnissen gezeigt. Allerdings haben Häuser wie JPMorgan und Goldman Sachs der Deutschen Bank auch Marktanteile abgeknöpft. Im Handel mit Anleihen und Devisen sind die Frankfurter weiterhin stark, aus dem zuletzt florierenden Aktienhandel haben sie sich aber vor der Krise zurückgezogen.
Vorwärts kam das größte deutsche Geldhaus im Geschäft mit Privatkunden. Der Vertrieb habe einen "sehr guten Start ins Jahr hingelegt", sagte der Chef der deutschen Privatkundensparte, Manfred Knof, dem "Handelsblatt". Die Corona-Pandemie sorge aber für große Verunsicherung bei Kunden. Die Bank habe fast 50.000 Anträge auf Kreditstundungen erhalten.
Um sich gegen steigende Kreditausfälle zu wappnen, erhöhte die Deutsche Bank in ihrer Bilanz die Risikovorsorge um 400 Millionen auf 500 Millionen Euro. Das ist mehr als erwartet, liegt aber nach Einschätzung von Portfoliomanager Andreas Thomae von der Fondsgesellschaft Deka noch im Rahmen. US-Institute legten teilweise mehrere Milliarden auf die Seite für drohende Kreditausfälle, jedoch steigt die Arbeitslosigkeit in den USA wegen der Krise massiv an und Privatkunden sind deutlich stärker verschuldet. Die vollen Auswirkungen für die Deutsche Bank auf die Kreditausfälle und die Kapitalausstattung seien noch nicht abschätzbar, sagte Benjardin Gärtner, Leiter Portfoliomanagement Aktien beim Fondshaus Union Investment.
Nach Einschätzung der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) könnte die Zahl der faulen Kredite in den Bankbilanzen um mehr als 200 Prozent nach oben schnellen. "Vor allem im vierten Quartal 2020 und im gesamten Jahr 2021 werden wir durch die Rezession eine Welle an notleidenden Forderungen erleben", erklärte BKS-Präsident Jürgen Sonder am Montag. Den Bankbilanzen drohe "großes Ungemach". Die Bundesvereinigung mit Sitz in Berlin vertritt die Interessen ihrer derzeit 30 im Kredithandel tätigen Mitgliedsunternehmen in Deutschland.
"BANKEN SIND DIE GEBORENEN VERLIERER DER VIRUS-KRISE"
Die Kapitalausstattung der Deutschen Bank könnte dann noch angespannter werden. Die Kernkapitalquote schrumpfte per Ende März auf 12,8 Prozent von 13,6 Prozent Ende Dezember. "Wir sind fest entschlossen, unsere Bilanz zu nutzen, um Kunden zu unterstützen, die uns jetzt ganz besonders brauchen", sagte Sewing. "Durch diese Entscheidung könnte unsere harte Kernkapitalquote vorübergehend unser Ziel von mindestens 12,5 Prozent leicht unterschreiten, ohne die solide Bilanz unserer Bank zu schwächen." Auch die geplante Verschuldungsquote (Leverage Ratio) von 4,5 Prozent werde die Bank wahrscheinlich nicht schaffen. Als Reaktion auf die Krise haben die Aufseher in den vergangenen Wochen Erleichterungen für Banken beschlossen. So können sie etwa für den Notfall gebildete Puffer nutzen. Damit soll sichergestellt werden, dass sie Unternehmen dringend benötigte Kredite gewähren.
Analyst Pläsier warnte davor, dass die Kernkapitalquote der Deutschen Bank in Richtung elf Prozent abschmilzt. "Das könnte dazu führen, dass wieder Fragen über die Kapitalstärke und Spekulationen über eine Kapitalerhöhung aufkommen." Bei manchen Börsianern herrschen auch deshalb Zweifel, dass der Höhenflug der Deutsche-Bank-Aktie, die vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa erstmals seit langem wieder mehr als zehn Euro kostete, anhält. "Die Aktien werden jetzt wahrscheinlich für ein bis zwei Tage Freudensprünge machen", sagte ein Händler. Neue Kursstürze seien wahrscheinlich. "Banken sind die geborenen Verlierer dieser Viruskrise."
Auch die Ratingagenturen erwarten weitere Belastungen für die Deutsche Bank und andere Institute im Euro-Raum. S&P senkte am Freitag den Ausblick für das Deutsche-Bank-Rating auf "negativ", bestätigte aber die Bonitätsnote mit "BBB+". Die Commerzbank traf es härter, deren Kreditwürdigkeit stuften die Ratingexperten auf "BBB+" zurück.