Deutschland

KfW-Konjunkturkompass: Deutschland auf dem langen Weg aus dem Corona-Tal

KfW Research erwartet für 2020 Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland um minus sechs Prozent.
12.05.2020 11:53
Aktualisiert: 12.05.2020 11:53
Lesezeit: 2 min
KfW-Konjunkturkompass: Deutschland auf dem langen Weg aus dem Corona-Tal
Hessen, Frankfurt/Main: Das Logo der KfW an der Zentrale der KfW Bankengruppe. (Foto: dpa) Foto: Frank Rumpenhorst

Seit Anfang März hat die Corona-Pandemie Europa mit voller Wucht erfasst und die Konjunkturaussichten radikal verschlechtert. Wie alle Staaten der Eurozone reagierte Deutschland mit harten Eindämmungsmaßnahmen, die das öffentliche Leben und die Wirtschaftsaktivität teilweise lahmlegten. Infolgedessen dürfte die Wirtschaftsleistung hierzulande für mehrere Wochen um etwa 20-25% unter dem Vorkrisenniveau gelegen haben, in der Eurozone sogar um etwa 30%. Unter der Bedingung, dass eine zweite Infektionswelle vermieden werden kann, sollte die Wirtschaftsaktivität im April ihren Tiefpunkt erreicht haben. Mit der Rücknahme vieler Einschränkungen dürfte sie sich bis zum Sommer zumindest teilweise normalisieren, was fast mechanisch zu einem sehr hohen Wachstum im dritten Quartal führt. Für das gesamte Jahr 2020 erwartet KfW Research einen Einbruch des deutschen BIP von -6%. In den anderen großen Eurostaaten (Frankreich, Italien und Spanien) dürfte die Rezession aufgrund einer stärkeren Betroffenheit durch das Coronavirus noch deutlich tiefer als in Deutschland ausfallen, sodass die Wirtschaftsleistung der Eurozone in diesem Jahr um -7% schrumpfen wird. Für 2021 erwartet KfW Research ein Wachstum von +5% in Deutschland und +6% in der Eurozone.

Die Rückkehr zu öffentlichem Leben und wirtschaftlicher Aktivität wird in Deutschland und Europa trotz der einsetzenden Lockerungsmaßnahmen nur schleppend verlaufen - vermutlich so lange, bis eine Impfung oder ein sehr effektives Medikament vorliegt. Vor allem wird es auch bis zur Verfügbarkeit von Schnelltests, der Möglichkeit Infektionsketten nachzuverfolgen und flächendeckenden Verhaltensprotokollen für verschiedene Wirtschaftszweige aus Angst vor Ansteckungen und der hohen wirtschaftlichen Unsicherheit eine deutliche Konsumzurückhaltung geben. Zudem beschränken weiterhin notwendige Sicherheitsmaßnahmen die Kapazität in einigen Branchen und die Industrieproduktion dürfte durch Unterbrechungen der Wertschöpfungsketten und Nachfrageausfälle für längere Zeit gestört sein. Solange die Krise nicht bei allen wichtigen Handelspartnern nachhaltig überwunden wurde, werden wohl viele Investitionen aufgrund der enormen Unsicherheit unterbleiben.

"Die Corona-Krise hat Deutschland wie ein Blitz getroffen", sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. "Eine Erholung dürfte zwar schon in der zweiten Jahreshälfte einsetzen, aber dennoch wird das Vorkrisenniveau voraussichtlich erst im Herbst 2021 wieder erreicht. Die Kosten der Krise im Sinne der verlorenen Wirtschaftsleistung betragen dann etwa 300 Mrd. Euro." Das entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Dänemark.

"Ohne die schnelle Reaktion der Fiskal- und Geldpolitik würde die Rezession noch verheerender ausfallen", so Köhler-Geib. "Zuschüsse und Überbrückungskredite sowie diverse Anpassungen bei der Bankenregulierung oder dem Miet- und Insolvenzrecht helfen der Wirtschaft. Das Kurzarbeitergeld reduziert die laufenden Kosten, Arbeitsplätze bleiben erhalten und die Binnennachfrage wird gestützt. Der Großteil der Unternehmen dürfte zwar mit Blessuren, aber überlebensfähig durch die Krise kommen. Alle Maßnahmen können allerdings nur zur Überbrückung dienen. Wir müssen jetzt schnell mit Hilfe von Schnelltests, der Nachverfolgung von Infektionsketten und Verhaltensprotokollen Wege finden, Leben und Lebensunterhalt zugleich zu schützen."

Für die aktuellen Konjunkturprognosen von KfW Research überwiegen jedoch die Abwärtsrisiken. Am offensichtlichsten ist die Gefahr einer zweiten Infektionswelle. Aber auch ökonomische Zweitrundeneffekte sind möglich, wenn es infolge der steigenden Verschuldung zu Staatsschulden- oder Bankenkrisen in Europa kommen sollte. Wichtig ist daher die Stabilisierungsfunktion der Geldpolitik, die allerdings durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gefährdet wird. Positive Überraschungen für die Konjunktur sind denkbar, etwa durch schnelle medizinische Fortschritte.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Wie schützt man seine Krypto-Wallet? CLS Mining ermöglicht Nutzern eine stabile tägliche Rendite von 6.300 €.

Der Kryptowährungsmarkt erholte sich heute umfassend, die Stimmung verbesserte sich deutlich. Meme-Coins führten den Markt erneut an....

DWN
Finanzen
Finanzen Rentenplus 2026? Wann Ruheständler steuerpflichtig werden
19.11.2025

Rentner aufgepasst: Kommendes Jahr könnten die Renten in Deutschland erneut steigen. Was einerseits erfreulich ist, kann andererseits dazu...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktienstrategie: Wie Profis erkennen, wann es Zeit zum Ausstieg ist
19.11.2025

Der perfekte Verkaufszeitpunkt an der Börse ist selten. Doch wer Gewinne nicht rechtzeitig realisiert, riskiert, sie wieder zu verlieren....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Nach Exportbeschränkungen für Nexperia-Chips: Niederlande geben Kontrolle über Chip-Firma Nexperia ab
19.11.2025

Ende September hatte die niederländische Regierung die Kontrolle über Nexperia übernommen. China reagierte kurz darauf mit einem...

DWN
Finanzen
Finanzen Droneshield-Aktien stürzen ab: Anleger stoßen die Rüstungsaktie massenhaft ab – die Hintergründe
19.11.2025

Die Droneshield-Aktien befinden sich am Mittwoch in einer drastischen Abwärtsbewegung, die Anleger fliehen. Doch was steckt wirklich...

DWN
Politik
Politik COP30 in Belém: Bill Gates sieht Klimawandel nicht mehr als das größte Problem
19.11.2025

Die COP30-Klimakonferenz in Brasilien versammelt Vertreter aus aller Welt, um über den Umgang mit Klimawandel, Emissionen und nachhaltiger...

DWN
Politik
Politik Drohnenbekämpfung: Was plant Innenminister Dobrindt für Deutschland?
19.11.2025

Die Bundesregierung geht davon aus, dass Drohnen von staatlichen Akteuren zu Spionage- und Sabotagezwecken eingesetzt werden – im Fokus...

DWN
Politik
Politik Trump bereitet Krieg auf dem eigenen Kontinent vor: Venezuela rückt ins Fadenkreuz
19.11.2025

Donald Trump lässt seine Administration offen über eine Militärintervention in Venezuela nachdenken. Während Präsident Nicolás Maduro...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Familienunternehmen in Deutschland: Stabilität und Wachstum in Krisenzeiten
19.11.2025

Deutschlands größte Familienunternehmen zeigen, dass wirtschaftlicher Erfolg und Stabilität kein Widerspruch sind. Sie schaffen...