Technologie

JPMorgan sieht digitale Zentralbank-Währungen als Gefahr für den Dollar

Wenn andere Staaten erfolgreich sind bei der Einführung digitaler Zentralbank-Währungen, so verlieren die USA einen wichtigen Aspekt ihrer geopolitischen Macht, so JPMorgan.
22.05.2020 15:59
Lesezeit: 2 min
JPMorgan sieht digitale Zentralbank-Währungen als Gefahr für den Dollar
Mehrere US-amerikanische Geldscheine, aufgenommen vor einer US-Flagge. (Foto: dpa) Foto: Arno Burgi

Laut einer Studie aus dem Haus JPMorgan Chase & Co. gibt es kein anderes Land, das so viel zu verlieren hat wie die USA, wenn sich digitale Zentralbank-Währungen (central bank digital currencies, CBDCs) durchsetzen sollten. "Dabei geht es in erster Linie um die Hegemonie des US-Dollars", zitiert Bloomberg aus der Studie. Die Ausgabe der globalen Reservewährung und des Tauschmittels für den internationalen Handel mit Waren, Gütern und Dienstleistungen bringe den USA immense Vorteile.

Während zum Beispiel herkömmliche Bankguthaben in Dollar oder Euro lediglich Ansprüche der Inhaber gegenüber ihrer Geschäftsbank darstellen, werden digitale Zentralbank-Währungen von der Notenbank selbst ausgegeben. Sie sind sozusagen digitales Bargeld und machen Geschäftsbanken zur Kontoführung oder zum Bezahlen überflüssig. Den Analysten von JPMorgan zufolge spricht einiges dafür, dass Zentralbanken digitale Währungen einführen, auch wenn die Auswirkungen geringer sein dürften, als von einigen erhofft.

Die Analysten gehen nicht davon aus, dass der Dollar in absehbarer Zeit als Reservewährung der Welt gestürzt wird. Sie schreiben aber, dass "fragilere" Aspekte der Dollar-Dominanz gefährdet sein könnten, darunter die Handelsabwicklung und das SWIFT-System. Sogar die Europäische Union könnte den Einfluss der USA auf globale Zahlungssysteme verringern wollen, so die Analysten. So habe SWIFT im Jahr 2018 den Zugang einiger iranischer Banken ausgesetzt, was ein Verstoß gegen EU-Recht gewesen sein könnte.

Wenn andere Länder künftig in der Lage wären, das SWIFT-System und die Vorherrschaft des Dollars zu umgehen, so wäre es für die USA viel schwieriger, ihre geopolitischen Ziele im Hinblick auf Sanktionen und Terrorismusfinanzierung zu erreichen, so der Bericht.

"Das Angebot einer Lösung für grenzüberschreitende Zahlungen, die auf einem digitalen Dollar aufbaut, wäre, insbesondere wenn sie so konzipiert ist, dass sie die Struktur des inländischen Finanzsystems nur minimal stört, eine sehr bescheidene Investition, um ein wichtiges Mittel zur Machtprojektion in der globalen Wirtschaft zu schützen." Für Länder mit hohem Einkommen und insbesondere für die USA stelle eine eigene digitale Zentralbank-Währung "geopolitisches Risikomanagement" dar.

Der Vorsitzende des Federal Reserve, Jerome Powell, sagte im Februar, dass die US-Notenbank die Machbarkeit digitaler Zentralbank-Währungen untersucht. Er machte jedoch keinerlei Versprechungen. Laut Lael Brainard, Mitglied im Gouverneursrat der US-Notenbank, betreibt die Fed "Forschung und Experimente zur Blockchain-Technologien und deren Einsatzmöglichkeiten für digitale Währungen, darunter ihr Potenzials für eine digitale Zentralbankwährung".

Ein Befürworter digitaler Zentralbankwährungen ist die Deutsche Bank. In einer Studie sagte sie Ende letztes Jahr, dass CBDCs einen ganz neuen Umgang mit systemischen Problemen der Weltwirtschaft ermöglichen würden. So könnten die Zentralbanken allen Bürgern zinsbringende Konten zur Verfügung stellen und so "viele Probleme lösen, die durch das derzeitige Teilreserve-Bankwesen verursacht werden". Die Geschäftsbanken wären dann nicht mehr anfällig für Bank-Runs, und die Staaten müssten nicht mehr wie im Jahr 2008 Banken retten.

Auch der Bundesverband der deutschen Banken forderte Ende letzten Jahres die Schaffung eines "programmierbaren" digitalen Euro, den Zentralbanken, Regierungen, Parlamente, Aufsichtsbehörden und Banken in die bestehenden Finanzsysteme integrieren sollten. Neben zahlreichen Vorteilen gegenüber dem bestehenden System, nannte der Verband einen weiteren Grund, der eine digitale Zentralbankwährung nötig mache: Die Zentralbanken müssten der globalen Gefahr der privaten Kryptowährungen begegnen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rohstoffmacht China: Wie Peking Europas Mittelstand in die Abhängigkeit treibt
16.11.2025

China verschiebt seine Exportkontrollen für Seltene Erden – offiziell um ein Jahr. Doch das ist keine Entspannung, sondern eine...

DWN
Technologie
Technologie Kuka weitet Stellenabbau in Augsburg aus – 560 Jobs betroffen
16.11.2025

Der Roboterhersteller Kuka plant an seinem Stammsitz in Augsburg einen größeren Stellenabbau als zunächst angekündigt. Statt der...

DWN
Immobilien
Immobilien PV-Anlagen für Unternehmen: Wie Betriebe mit Steuerbonus und Eigenstrom doppelt punkten
16.11.2025

Gewerbliche Photovoltaikanlagen gewinnen für den Mittelstand zunehmend an Bedeutung. Durch den Investitionsabzugsbetrag und die...

DWN
Politik
Politik Europa im Wandel: Populismus und Spannungen in Deutschland, England und Frankreich
16.11.2025

Europa steht vor politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, während der Zusammenhalt innerhalb der EU zunehmend brüchig wird....

DWN
Politik
Politik Von der Leyen unter Druck: Zwei Billionen Euro und kein Plan für Europas Bauern
16.11.2025

Der Streit um Agrarsubventionen spaltet die Europäische Union. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den EU-Haushalt...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzskandal bei privaten Krediten: HPS und BNP Paribas verlieren hunderte Millionen
16.11.2025

Der Markt für private Kredite außerhalb regulierter Banken erlebt ein rasantes Wachstum, das zunehmend systemische Risiken birgt. Wie...

DWN
Politik
Politik TNT-Produktion in Europa: NATO-Staaten planen neue Fabriken zur Versorgungssicherung
16.11.2025

Europa verfügt derzeit über nur eine Produktionsstätte für NATO‑Standard‑TNT, während mehrere Länder neue Fabriken planen. Wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...