Wirtschaft

Massenentlassungen drohen: Österreichs Wirtschaft fährt mit voller Wucht gegen die Wand

Die österreichische Wirtschaft befindet sich - nicht nur wegen Corona - in einer schweren Krise.
31.05.2020 11:37
Lesezeit: 3 min
Massenentlassungen drohen: Österreichs Wirtschaft fährt mit voller Wucht gegen die Wand
Flugzeuge der "Austrian Airlines" (AUA) stehen am Flughafen Wien-Schwechat - der Flugbetrieb ist eingestellt. (Foto: dpa) Foto: Unbekannt

Die Auswirkungen des Corona-Lockdowns auf die weltweite Wirtschaft werden durch sich häufende Hiobsbotschaften immer offensichtlicher. Auch Österreich ist massiv betroffen. Ein paar Beispiele:

Dem Wiener Feuerfesthersteller „RHI Magnesita“ steht ein größerer Stellenabbau unmittelbar bevor. RHI-CEO Stefan Borgas hat angekündigt, er werde den Konzern, der weltweit mehr als 14.000 Mitarbeiter beschäftigt, „an eine geschrumpfte Weltwirtschaft anpassen“.

Der Flugzeugkomponenten-Hersteller FACC (circa 3.500 Mitarbeiter) aus Ried im Innkreis rechnet mit dem Abbau von bis zu 700 Jobs.

Der Salzburger Kupplungshersteller „Geislinger“ streicht 120 Stellen.

Der Auto-Zulieferer „Polytec“ aus Hörsching hat Kurzarbeit angemeldet und plant die Schließung seiner Filiale in den Niederlanden sowie einer weiteren ausländischen Niederlassung

Der Stahlkonzern „Voestalpine“ (52.000 Mitarbeiter) stellt sich laut Vorstands-Chef Herbert Eibensteiner „auf ein schwieriges nächstes Geschäftsjahr 2020/21 ein“ und hat europaweit Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, wobei bis zu zwanzig Prozent von ihnen laut Industriekreisen der gänzliche Verlust ihrer Stellen droht.

Insgesamt ist die Situation in Österreich katastrophal. Mittlerweile liegen 1,3 Millionen Anträge auf Kurzarbeit vor. Der EMI (Einkaufsmanagerindex) steht bei 31, der niedrigste Wert seit 2000 (erst ein Indexwert über 50 signalisiert Wachstum).

Die Kaufkraft der Bürger muss gestärkt werden

Österreich hat seinen Körperschaftssteuersatz im Jahr 2005 von 34 auf 25 Prozent gesenkt. Noch immer nicht angegangen wurde jedoch die deutliche Senkung der Lohnnebenkosten, die im Extremfall sogar mehr als 100 Prozent ausmachen können. Wohingegen der effektive Körperschaftssteuersatz im Jahr 2017 gerade mal 23,1 Prozent betrug. Da liegt so manche Lohn- oder Einkommenssteuer deutlich drüber!

Es ist jetzt an der Zeit, die Kaufkraft von Arbeitnehmern zu stärken, beispielsweise die kalte Progression bei der Lohnsteuer endlich abzuschaffen.

Auch eine Senkung der Kapitalertragssteuer (KESt) sollte endlich angegangen werden. Weil der Bürger auf sein Sparbuch keine nennenswerte Verzinsung bekommt und einen negative Realverzinsung in Kauf nehmen muss, ist er förmlich dazu gezwungen, in Aktien zu investieren. Eine KESt-Senkung ist daher längst überfällig! Die Sparzinsen liegen seit 2010 unter der offiziellen Inflationsrate. Der nominelle Kaufkraftverlust über alle Preise (nicht nur den Warenkorb betreffend) beträgt nach Berechnungen des Ökonomen Gregor Hochreiter mittlerweile zwischen sieben und acht Prozent per annum. Die KESt beträgt seit dem 1. Januar 2016 27,5 Prozent auf Dividenden. Eine Senkung der KESt – am besten auf 22,5 Prozent – muss erfolgen, damit auch Kleinanleger und Sparer etwas mehr von ihren Zinsen haben in Zeiten von erhöhtem Kaufkraftverlust aufgrund der exorbitanten Geldmengen-Ausweitung wegen der Corona-Hilfspakete.

Falsche Management-Philosophien in Konzernen und Mittelbetrieben

Ich selbst habe in einem der vormals größten österreichischen Unternehmen gearbeitet. Der Aktienkurs desselben liegt übrigens heute noch unter dem IPO-Kurs (IPO steht für „Initial Public Offering“, als dem Börsengang). Nicht selten wurde von Vorgesetzten der Spruch strapaziert: „Wir müssen Schulden machen, damit wir wenig bis keine Steuern zahlen“. Also expandierte man nach Weißrussland, Serbien, Bulgarien, etc. und setzte dabei annähernd eine Milliarde Euro sprichwörtlich in den Sand.

Eine Auswahl dementsprechender Agenturmeldungen:

12. Dezember 2009, Reuters: Die Abschreibungen auf die weißrussische „Velcom“ und die serbische VIP Mobile bezifferte die Telekom Austria (TA) mit 352 Millionen Euro.

23. Februar 2012, ORF: Die Telekom Austria hatte bereits vor schlechten Zahlen gewarnt. Ein Großteil des Fehlbetrags entfiel auf das vierte Quartal, in dem die TA wegen der hohen Inflation in Weißrussland 300 Millionen auf die dortige Tochter „Velcom“ abschreiben musste.

25. Juni 2014; von Hedi Schneid, DiePresse.com: Ein Wertberichtigungsbedarf für die Mobiltel in Bulgarien in Höhe von 400 Millionen Euro riss die Telekom damals in die Verlustzone. Das Absurde dabei, es wurde gleichzeitig wiederholt betont, man könne sich die teuren Beamten nicht leisten. Managementfehler offensichtlich aber schon!

Auch hier sieht man eindeutig, dass es an realistischen, gesunden unternehmerischen Denkweisen mangelt. Generell wird nicht selten mit hohem Risiko durch Ver- und Überschuldung expandiert und Übernahmen gestemmt. MAN übernahm damals „Steyr Trucks“. Damit wurde die Konkurrenz ausgeschaltet. Heute liest man, dass das Werk Steyr in spätesten zehn Jahren einen endgültigen „shutdown“ erfährt.

Selbst wenn manche Unternehmen auch diesmal gerade noch die Kurve kriegen sollten, sie bekommen ein Ablaufdatum aufgestempelt und werden spätestens beim nächsten Gegenwind von der Wirtschaftsbühne gefegt. Übrig bleiben werden jene, die Unternehmenserweiterungen mit vorher angehäuften Gewinnrücklagen oder nur durch Ausgabe junger Aktien stemmen und nicht mit höherer Verschuldung. Gerhard Hofer schreibt am 24. Mai in „Die Presse“: „Vor sieben Jahren kritisierten die ehemalige ÖVP-Finanzministerin, Maria Fekter, und der damalige grüne Finanzsprecher Werner Kogler in Alpbach in trauter Einigkeit, dass Fremdkapital steuerlich besser gestellt ist als Eigenkapital. Wer Unternehmer also dafür bestraft, wenn sie das erwirtschaftete Geld im Unternehmen lassen, darf sich nicht wundern, dass viele Betriebe so schwachbrüstig unterwegs sind...“

Das kann aber meiner Ansicht auch nicht bedeuten, dass deswegen auf erwirtschaftete Unternehmensgewinne noch weniger Steuern abzuführen sind, denn dann sollte man das gleiche Prinzip auch auf Lohn- und Einkommenssteuer anwenden und auch Arbeitnehmer müssten weniger Steuern zahlen. 2009 war der erste Warnschuss. Wer bis heute nicht gelernt hat, für ausreichend Eigenkapital zu sorgen und Gewinnrücklagen zu bilden, wird diese weltweite Schuldenorgie nicht überleben.

Wenn Unternehmen nicht aufgrund ihres Kerngeschäfts überleben können, dann läuft auf Managementseite vieles schief. Es schaffen ganz wenige Konzerne, ihr Kerngeschäft erfolgreich zu wechseln oder weitere Kerngeschäfte hinzuzufügen.

Ein berühmtes Negativ-Beispiel für Expansions-Irrsinn und Vernachlässigung des Kerngeschäfts, also für die Bildung eines immer umfangreicheren Industrie-Konglomerats, ist der einstige US-Paradekonzern General Electric. Ein Studium der Unternehmensgeschichte von GE bietet ein – hoffentlich abschreckendes – Lehrbeispiel dafür, wie man einen Konzern zugrunde richtet; es sollte Pflichtlektüre für Manager werden, die in Zukunft erfolgreich wirtschaften möchten.

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Andreas Kubin

Andreas Kubin lebt in Oberösterreich, hat ein MBA mit Schwerpunkt "Finanzen" und verfügt über drei Jahrzehnte Börsen-Erfahrung. 
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