Finanzen

EZB plant Bad Bank wegen drohender Welle fauler Kredite

Einem Insider zufolge Insider treibt die EZB die Schaffung einer Bad Bank voran. Diese soll den Banken ihre ausfallgefährdeten Krediten abnehmen, sobald sich die Krise verschärft.
10.06.2020 09:26
Lesezeit: 2 min
EZB plant Bad Bank wegen drohender Welle fauler Kredite
Bei der EZB wird an der Schaffung einer Bad Bank gearbeitet. (Foto: dpa) Foto: Boris Roessler

Die Europäische Zentralbank (EZB) treibt offenbar konkrete Pläne für eine Art Bad Bank zum Abfedern möglicher neuer wirtschaftlicher Schockwellen in der Corona-Pandemie voran. Wie mehrere mit der Sache vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters mitteilten, ist eigens zu diesem Zweck eine Projektgruppe eingesetzt worden. Diese hat laut einem Insider Vorbereitungen für eine europäische Sammelstelle verstärkt, in der hunderte Milliarden Euro an toxischen Krediten landen könnten. Diese Bad Bank solle für den Fall eingerichtet werden, dass sich in einer verstärkten Wirtschaftsmisere und wegen erhöhter Arbeitslosenzahlen Kredite in größerem Maße als ausfallgefährdet erweisen sollten.

Laut Andrew Orr vom Beratungshaus Deloitte bereiten sich europäische Banken im Zuge der Corona-Krise bereits auf eine "Welle fauler Kredite" vor. Bereits jetzt gelten in Europa Kredite im Volumen von mehr als einer halben Billion Euro als gefährdet. Das heißt: Es ist unwahrscheinlich, dass diese jemals völlig zurückgezahlt werden können. Laut den EZB-Insidern gibt es die Befürchtung, dass diese Summe sich als Folge der Corona-Krise auf eine Billion Euro ausweiten könnte.

Die Idee einer Bad Bank zur Abwehr solcher und ähnlicher Risiken war bereits vor Jahren diskutiert worden, dann jedoch fallengelassen worden. Wie einer der Insider mitteilte, hat die EZB unter der Führung ihrer Präsidentin Christine Lagarde das Thema in den vergangenen Wochen wieder aufgegriffen und dazu auch Banken und EU-Vertreter konsultiert. Offiziell wollte sich die EZB zu den Plänen indes nicht äußern.

Wie weitere Gewährsleute mitteilen, könnte in einem der durchgespielten Szenarien der Euro-Rettungsfonds ESM als Absicherung für eine solche Bad Bank fungieren. Die Idee dahinter: Die Bad Bank würde Anleihen ausgeben und im Gegenzug Bündel von ausfallgefährdeten Krediten der Geschäftsbanken einsammeln, womit der Schock für die Kreditbranche abgemildert werden könnte. Die Banken könnten dann diese Anleihen wiederum als Sicherheit nutzen, um sich bei der EZB mit frischem Geld einzudecken.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte jüngst einen 750 Milliarden Euro großen Wiederaufbaufonds vorgestellt, mit dem die verheerenden wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abgefedert werden sollen. Zuvor waren bereits Kredithilfen im Umfang von 540 Milliarden Euro beschlossen worden - etwa für Unternehmen über die Förderbank EIB oder für Staaten über den ESM.

PROJEKT NOCH NICHT SPRUCHREIF

Das Bad Bank-Projekt könnte im späteren Jahresverlauf spruchreif werden, wenn Regierungen und Notenbankenchefs eine Notwendigkeit dafür sehen sollten. Der oberste EZB-Bankenaufseher, Andrea Enria, hat Sympathie für eine solche Bad Bank erkennen lassen. Allerdings betonte er jüngst, es sei noch zu früh, darüber schon zu diskutieren. Denn es sei noch nicht klar, wie gravierend die Auswirkungen der Corona-Pandemie ausfallen würden.

In Spanien und Irland hätten sich entsprechende Sammelstellen für toxische Kredite nach der Finanzkrise bewährt: "Viele dieser Pläne sind aufgegangen und haben Gewinne erwirtschaftet", sagt Enria. Laut dem Italiener schaut sich die EZB derzeit an, wie Banken damit zurechtkämen, sollte sich die Krise verschärfen. Derzeit seien ihre Kapitalposter wohl ausreichend, falls es nicht zu einer zweiten Virus-Welle kommen sollte.

Falls die Pläne für eine Bad Bank reifen sollten, dürfte sich insbesondere Widerstand in Deutschland regen, wo bereits eine gemeinsame europäische Einlagensicherung für Sparer für viele ein rotes Tuch ist. Hiesige Kritiker des Projekts befürchten unter anderem, bei Problemen von Banken in Südeuropa könnten heimische Geldhäuser mit in die Haftung genommen werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...