Weltwirtschaft

Gegen OPEC: China gründet neues Ölkartell

Lesezeit: 3 min
08.07.2020 09:38  Aktualisiert: 08.07.2020 09:38
China baut ein Kartell auf, das sich aus den großen staatlichen Ölgesellschaften des Landes zusammensetzt. Auf diese Weise wollen sich die Chinesen Mitspracherecht bei Mengen und Preisen verschaffen - eine Gefahr für den Petrodollar?
Gegen OPEC: China gründet neues Ölkartell
Schlepper bringen einen Öltanker an ein Terminal im Hafen von Qingdao. (Foto: dpa)
Foto: Yu Fangping

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Vier staatliche chinesische Ölraffinerien planen, ein Kartell zu bilden, um gemeinsam Rohöl am Markt einzukaufen. Auf diese Weise wollen sie ihre Verhandlungsmacht stärken und Bieterkriege untereinander vermeiden. Die Gruppe vertritt Raffinerien, die zusammen mehr als 5 Millionen Barrel Öl pro Tag importieren. Das ist fast ein Fünftel der Gesamtproduktion der OPEC-Staaten, sodass das Kartell den größten einzelnen Rohölkäufer der Welt darstellt.

Leitende Angestellte von China Petroleum & Chemical, PetroChina, Cnooc und Sinochem Group befinden sich in fortgeschrittenen Gesprächen, um Einzelheiten des Plans zu klären, sagten nicht namentlich genannte Insider zu Bloomberg. Der Vorschlag habe die Unterstützung der chinesischen Zentralregierung und einschlägiger Branchenbeobachter gewonnen. Zunächst werde die Gruppe gemeinsam Gebote für bestimmte russische und afrikanische Sorten auf dem Spotmarkt abgeben, so die Insider.

Chinas Ölimporte haben sich in den letzten zehn Jahren fast verdreifacht. Die Bildung eines Kartells der chinesischen Ölraffinerien wurde erstmals 2019 ins Gespräch gebracht und gewann in diesem Jahr an Zugkraft. Denn die OPEC und ihre Verbündeten veranlassten im Rahmen der Corona-Krise historischee Förderkürzungen. Auf diese Weise bemühten sie sich, die Kontrolle über den Markt zurückzugewinnen, wo die Ölpreis wegen der sinkenden Nachfrage ins Bodenlose fielen - vorübergehend sogar in den negativen Bereich.

Mit dem Ende von Corona steigt der Öl-Bedarf

China war das erste wirtschaftlich starke Land, das damit begann, seine Corona-Maßnahmen wieder zurückzunehmen. Inzwischen ist der Verbrauch an Brennstoffen für Transport und Industrie schon fast wieder auf dem Niveau vor Corona. Der Aufschwung der letzten Monate hat die staatlichen und unabhängigen Raffinerien des Landes dazu veranlasst, russisches und brasilianisches Rohöl auf dem Spotmarkt zu reservieren und damit die Preise wieder in die Höhe zu treiben.

Die staatlichen chinesischen Raffinerien könnten bereits im nächsten Monat in einem Probelauf gemeinsam für Öl aus der russischen Ostsibirien-Pazifik-Pipeline bieten, sagten die Insider zu Bloomberg. Zudem könnte sich das Kartell in Zukunft erweitern, um auch den zahlreichen nicht-staatlichen Raffinerien des Landes die Teilnahme zu ermöglichen, darunter jenen nicht-staatlichen Raffinerien in der Provinz Shandong rund 500 Kilometer südlich von Peking.

In der Folge der Corona-Krise hatten Öl-Importeure mit langfristigen Lieferverträgen erhebliche Probleme, die von Saudi-Arabien und anderen großen Produzenten gelieferten Mengen an Rohöl abzunehmen, die sie per Vertrag jeden Monat erhalten. Denn den Verträgen zufolge können die Mengen nur geringfügig angepasst werden, und die endgültige Entscheidung liegt beim Verkäufer. Saudi Aramco, die irakische SOMO und Adnoc aus Abu Dhabi verkaufen ihr Rohöl zu offiziellen Preisen, die Anfang jedes Monats bekannt gegeben werden.

Indische Raffinerien und Häfen sprachen sogar von "höherer Gewalt", um auf diese Weise aus den Rohöl-Lieferungen auszusteigen, nachdem die äußerst strengen Corona-Maßnahmen in dem Land die Nachfrage drastisch einbrechen ließen. Doch zuletzt haben Käufer in China und Indien wieder nach mehr Rohöl aus Saudi-Arabien nachgefragt, nachdem das Land seine Mengen im Einklang mit einer umfassenderen OPEC+-Verpflichtung reduziert hatte.

China setzt bei Rohstoffen auf Bildung von Kartellen

Durch den Zusammenschluss der Raffinerien hofft China, ein größeres Mitspracherecht bei den Mengen und Preisen des gekauften Rohöls zu erhalten. Den Insider Zufolge wächst der Ärger über mangelnde Mitsprache in dem Land, das eine immer größere Rolle auf dem asiatischen und internationalen Ölmarkt spielt, schon seit Längerem. In den letzten Jahren öffneten dort mehrere Mega-Raffinerien, die Raffinerien von Shandong sind heute regelmäßige Käufern von Rohöl aus allen Teilen der Welt, von Brasilien bis Russland.

Vor allem Unipec, der Handelszweig von Sinopec, hat die Rohölverkäufe und -preise Saudi-Arabiens und die passive Rolle Asiens immer wieder kritisiert. Das Unternehmen versuchte im Jahr 2018, seine Vertragsmengen mit Aramco neu auszuhandeln, was jedoch zu einem Streit führte. China ist der größte Ölimporteur der Welt und Saudi-Arabien ist sein größter Lieferant. Es exportierte im Mai eine Rekordmenge von 9,16 Millionen Tonnen Rohöl nach China, gefolgt von Russland mit 7,71 Millionen Tonnen und dem Irak mit 6,96 Millionen Tonnen.

Bei Erfolg wird das Kartell eine weitere Beschaffungsinitiative im chinesischen Rohstoffsektor sein. Im Jahr 2003 bildeten bereits die führenden Kupferhütten des Landes, darunter Jiangxi Copper und Tongling Nonferrous Metals, ein Kartell, das für seine Mitglieder Konzentrat von ausländischen Lieferanten einkauft. Das Kartell, das unter dem Namen "Smelters Purchase Team" (CSPT) bekannt ist, besteht inzwischen aus mehr als zehn Schmelzhütten im ganzen Land und steht für mehr als 80 Prozent der chinesischen Kupferkonzentratimporte.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...