Technologie

Deutscher Auto-Analyst: "VW kann Tesla in jedem Fall überholen"

VW hat gerade damit begonnen, den Standort in Emden für die E-Produktion umzurüsten. Autoanalyst Frank Schwope von der Nord/LB erklärt im Interview mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten, warum sich der Konzern besser als Tesla entwickeln wird.
12.07.2020 11:00
Lesezeit: 2 min
Deutscher Auto-Analyst: "VW kann Tesla in jedem Fall überholen"
Präsentation eines Elektroautos vom Typ VW ID3. (Foto: dpa)

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Das „Handelsblatt“ hat berichtet, dass VW in Emden mit dem Aufbau der zweiten Elektrofabrik in Deutschland begonnen. Für rund eine Milliarde Euro wird der Standort umgerüstet. Dort sollen einmal pro Jahr 300.000 Fahrzeuge vom Band laufen.

Wie bewerten Sie dies?

Frank Schwope: Letztlich ist dieser Schritt nichts wesentlich Neues. Dass die Standorte in Zwickau, Hannover und eben in Emden für den Bau von E-Fahrzeugen umgerüstet werden sollen, hat VW schon früher kommuniziert. Allerdings ist die Investitionssumme von einer Milliarde Euro für einen Standort in Deutschland schon beachtlich.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Der Standort in Emden soll ein wichtiger Faktor sein, um das strategische Ziel des Wolfsburger Konzerns zu erreichen. So hat sich VW vorgenommen, in den kommenden Jahren weltweit zum Marktführer von E-Autos aufzusteigen. Damit würde das deutsche Unternehmen Tesla ablösen, das wie kein zweiter Hersteller für E-Mobilität steht.

Halten Sie dieses Ziel für realistisch?

Frank Schwope: Auf jeden Fall. Natürlich ist Tesla der Avantgardist in diesem Segment. Doch dürfte es für VW nicht allzu schwer werden, den US-Produzenten in vielerlei Hinsicht zu überholen. Beispielsweise, wenn es um die Stückzahlen geht. Zum Vergleich: Die US-Amerikaner haben im vergangenen Jahr 368.000 E-Wagen verkauft. Das waren 50 Prozent mehr als noch zwölf Monate zuvor. VW hat seine Volumina im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent auf 80.000 Fahrzeuge erhöht.

Mit der Umrüstung des Werkes in Emden und der anderen Standorte sowie den Fabriken in China dürfte es für das deutsche Unternehmen nicht schwer sein, in den kommenden Jahren beim Absatz die US-Amerikaner zu überholen. Bei der Qualität schneiden die deutschen Autos sowieso schon besser ab – beispielsweise bei der Verarbeitung der Fahrzeuge. Tesla hat allerdings bei der Software und Batterie-Produktion einen deutlichen Vorsprung von zwei bis drei Jahren und zudem eine deutlich schlankere Fahrzeug-Produktion.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: In Emden soll der E-SUV ID.4 vom Band laufen. Ursprünglich war hier die Produktion von kleineren E-Modellen im Polo-Format geplant, die nun wohl nach Bratislava in die Slowakei geht.

Was halten Sie davon?

Frank Schwope: Das ist der normale Lauf der Dinge. Pläne werden gemacht und dann wieder umgeworfen. Kleine Modelle werden eher an Niedriglohn-Standorten gefertigt, höherwertige Modelle eher an Hochlohn-Standorten.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Der Aufbau des neuen E-Werkes in Emden ist nicht die einzige Aufgabe, die das deutsche Unternehmen derzeit lösen muss. Das Management hat unter anderem wegen der Pandemie davon Abstand genommen, in der Türkei eine neue Fabrik für eine neue Polo-Familie zu errichten, und sucht nach einem neuen Standort.

Wie kommentieren Sie dies?

Frank Schwope: Die gegenwärtige Situation durch die Corona-Pandemie erfordert momentan keinen neuen Standort. Wir gehen davon aus, dass Auto-Produktion und -absatz im Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 2019 weltweit um zehn bis 20 Prozent einbrechen werden. Für den Volkswagen-Konzern rechnen wir im laufenden Jahr lediglich mit einem Absatz zwischen 9,2 und 9,5 Millionen Fahrzeugen. Zum Vergleich: 2019 waren es elf Millionen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Gleichzeitig hat BMW an seinem größten europäischen Fertigungsstandort im niederbayerischen Dingolfing ein Kompetenzzentrum für E-Antriebsproduktion eröffnet. Schon seit 2013 werden in Dingolfing E-Antriebskomponenten produziert, nun baut die BMW Group ihre Kapazitäten deutlich aus.

Kann man von einer regelrechten Sommeroffensive der deutschen Autobauer für die E-Mobilität sprechen?

Frank Schwope: Die „Sommeroffensive“ ist schon lange geplant. Die deutschen Hersteller sind auch durch die verschärften Abgasvorschriften gezwungen, immer mehr Elektroautos anzubieten bzw. zu verkaufen, um Strafzahlungen zu vermeiden.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Probleme müssen die deutschen Hersteller unbedingt noch lösen, um bei der Umsetzung ihrer Strategien für die E-Mobilität erfolgreich zu sein?

Frank Schwope: Ganz wichtig sind die Reichweite und die Zuverlässigkeit der Elektroautos, aber natürlich auch der Preis. Zudem muss die Infrastruktur, also Lademöglichkeiten, massiv ausgebaut werden, wobei ich hier auch insbesondere den Staat in der Pflicht sehe.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Herr Schwope, herzlichen Dank für das Gespräch.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmen
Unternehmen Flixtrain bereit zum harten Wettbewerb um Bahn-Kunden
18.11.2025

Im Fernverkehr auf deutschen Schienen herrscht bislang wenig Wettbewerb. Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern. Ein kleiner...

DWN
Technologie
Technologie Fliegende Autos: XPeng eröffnet erste Produktionsstätte für Flugfahrzeuge in China
18.11.2025

China eröffnet erstmals industrielle Strukturen für Fahrzeuge, die sowohl am Boden als auch in der Luft nutzbar sein sollen. Wird damit...

DWN
Technologie
Technologie Cloudflare down: Internetdienste X und ChatGPT massiv von Cloudflare-Störung betroffen
18.11.2025

Die Cloudflare-Dienste sind seit Dienstagmittag weltweit massiv gestört, betroffen sind darunter große Plattformen wie X und ChatGPT. Das...

DWN
Finanzen
Finanzen Nokia-Aktie und Nvidia-Aktie im Fokus: Wie die Partnerschaft 5G-Wachstum antreibt
18.11.2025

Die einst vor allem für Handys bekannte Nokia hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und rückt nun wieder in den Fokus von...

DWN
Finanzen
Finanzen Vestas-Aktie im Minus: So sollen 900 gezielte Entlassungen die Ertragsziele stützen
18.11.2025

Die Vestas-Aktie steht derzeit unter Druck. Dass das Unternehmen weltweit 900 Bürostellen abbaut, scheint den Anlegern auch Sorgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Erfolg im Job: Warum Diplome nicht mehr über Karrierechancen entscheiden
18.11.2025

Die Anforderungen an Fachkräfte haben sich deutlich verändert, und Arbeitgeber legen zunehmend Wert auf Fähigkeiten, Persönlichkeit und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht unter 90.000 US-Dollar: Kryptomarkt in extremer Angst
18.11.2025

Der Bitcoin-Kurs ist tief gefallen und löst weltweit Unruhe unter Anlegern aus. Der Fear-and-Greed-Index warnt vor extremer Angst am...

DWN
Technologie
Technologie Digitale Souveränität in Europa: Beckedahl kritisiert Bundesregierung
18.11.2025

Deutschland feiert neue Google- und Microsoft-Rechenzentren, während die digitale Abhängigkeit von US-Konzernen wächst. Der...