Politik

Machtvolle Symbolik: US-Sanktionsdrohung trifft direkt Merkels Wahlkreis

Die Sanktionsdrohung aus den USA gegen den deutschen Ostseehafen Sassnitz-Mukran wegen der Gaspipeline Nord Stream 2 hat einen hochsymbolischen Charakter. Denn der Hafen Sassnitz-Mukran auf Rügen liegt direkt im Wahlkreis von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wer die Machtspiele in Washington kennt, weiß: Symbolik ist das A und O der US-Politik.
07.08.2020 19:13
Aktualisiert: 07.08.2020 19:13
Lesezeit: 2 min
Machtvolle Symbolik: US-Sanktionsdrohung trifft direkt Merkels Wahlkreis
15.04.2016, Mecklenburg-Vorpommern, Grimmen: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht vor einer Karte ihres Wahlkreises Vorpommern-Rügen. (Foto: dpa) Foto: Bernd W

Nach der Sanktionsdrohung aus den USA gegen den deutschen Ostseehafen Sassnitz-Mukran wegen der Gaspipeline Nord Stream 2 wird der Ruf nach Gegenmaßnahmen immer lauter. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) forderte von der Bundesregierung, „dass sie diesen Erpressungsversuchen entschieden entgegentritt“. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider sagte, Deutschland dürfe sich nicht „wie ein Vasallenstaat“ behandeln lassen. Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin nannte die Drohung eine „wirtschaftliche Kriegserklärung“. Die deutsche Wirtschaft spricht von einem „beispiellosen“ Vorgang und pocht auf Gegenmaßnahmen.

Ein Regierungssprecher erklärte auf dpa-Anfrage aber lediglich, man habe das Schreiben der US-Senatoren an den Hafen zur Kenntnis genommen. „Die Bundesregierung hat immer wieder deutlich gemacht, dass sie unilaterale, gegen deutsche und europäische Unternehmen gerichtete extraterritoriale Sanktionen, wie sie von den Vereinigten Staaten verhängt wurden, ablehnt“. Deutlicher wurde der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth: „So etwas geht natürlich überhaupt nicht, wir dürfen uns nicht erpressbar machen lassen“, sagte der SPD-Politiker dem Deutschlandfunk. Am Ende helfe kein Jammern und Wehklagen, sondern mehr europäisches Selbstbewusstsein. „Wir sollten uns von solchen Drohungen nicht beeindrucken lassen.“

Drei US-Senatoren hatten am Mittwoch in einem Schreiben an den Hafen schwere Strafmaßnahmen angedroht: „Den Vorstandsmitgliedern, leitenden Angestellten und Aktionären der Fährhafen Sassnitz GmbH wird die Einreise in die Vereinigten Staaten untersagt, und jegliches Eigentum oder jegliche Eigentumsbeteiligung, die sie in unserem Zuständigkeitsbereich haben, wird eingefroren.“

Damit wird erstmals ein Fall öffentlich bekannt, in dem sich Sanktionen direkt gegen ein deutsches Unternehmen richten. Besonders brisant: Der Fährhafen gehört zu 90 Prozent der Stadt Sassnitz und zu 10 Prozent dem Land Mecklenburg-Vorpommern. Damit richtet sich die Drohung indirekt auch gegen eine Landesregierung. Zusätzliche Brisanz erhält sie dadurch, dass der Hafen Sassnitz-Mukran auf Rügen im Wahlkreis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) liegt.

Der Hafen spielt eine zentrale Rolle beim Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, die aus Russland kommend in Lubmin am Greifswalder Bodden anlanden soll. In Sassnitz lagern die für die Fertigstellung benötigten Stahlrohre, die in einer Fabrik in Mukran mit Beton ummantelt wurden. Zudem liegt dort das Verlegeschiff der russischen Firma Gazprom, die „Akademik Tscherski“, das zusammen mit dem russischen Schiff «Fortuna» den Pipeline-Bau vollenden soll. Im Stadthafen Sassnitz hat außerdem ein Wohnschiff für rund 140 Arbeiter festgemacht. Es wird vermutet, dass sie mit dem Weiterbau der Gastrasse zu tun haben.

Es fehlen noch gut 150 Kilometer der insgesamt 2.360 Kilometer langen beiden Stränge der Pipeline. Das Projekt ist also zu 94 Prozent vollendet. Im Dezember 2019 waren die Bauarbeiten vor der dänischen Insel Bornholm abrupt gestoppt worden, weil die beiden Schweizer Verlegeschiffe wegen der ersten Sanktionswelle der USA ihre Arbeit einstellten. Jetzt sollen die zwei russischen Schiffe übernehmen. Eine Genehmigung der dänischen Behörden dafür ist seit Anfang der Woche in Kraft. Noch haben sich die Schiffe aber nicht auf den Weg nach Bornholm gemacht. Der Brief der Senatoren könnte aber mit der dänischen Genehmigung in Zusammenhang stehen.

US-Präsident Donald Trump kritisiert Nord Stream 2 seit Jahren und wirft Deutschland vor, es lasse sich militärisch vor Russland schützen, verschaffe Moskau aber gleichzeitig hohe Einnahmen aus Gasexporten. Kritiker werfen ihm vor, die Pipeline nur verhindern zu wollen, um mehr amerikanisches Flüssiggas in Europa verkaufen zu können.

Trump hatte Ende 2019 erste Strafmaßnahmen gegen bestimmte Unternehmen ermöglicht, die am Bau von Nord Stream 2 beteiligt sind. Die betrafen aber vor allem die Verlegeschiffe. Mitte Juli drohte US-Außenminister Mike Pompeo mit einer Ausweitung der Sanktionen unter dem CAATSA-Gesetz („Countering America's Adversaries through Sanctions“), die auch deutsche Unternehmen treffen könnten. Seitdem wird von US-Seite massiver Druck auf die Unternehmen ausgeübt, sich aus dem Projekt zurückzuziehen, das eigentlich Anfang 2021 vollendet werden soll.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kassenbeiträge 2026: Gesundheitsministerium hält Orientierungswert stabil
10.11.2025

Für das kommende Jahr plant Bundesgesundheitsministerin Nina Warken, den maßgeblichen Orientierungswert für die Entwicklung der...

DWN
Technologie
Technologie KI-Rechenleistung wächst rasant – Europa bleibt im Rückstand
10.11.2025

Die Rechenkapazitäten für Künstliche Intelligenz in Deutschland und Europa sollen laut einer Bitkom-Studie bis 2030 vervierfacht werden....

DWN
Finanzen
Finanzen Goldreserven: Wie der Ukraine-Krieg eine neue Geldordnung auslöst
10.11.2025

Während der Krieg in der Ukraine weiter tobt, sichern sich Zentralbanken weltweit mit Gold ab – aus Furcht vor Sanktionen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Förderstopp bremst Chinas Autoindustrie – auch deutsche Marken betroffen
10.11.2025

Nach dem Ende staatlicher Subventionen für Autos ist der chinesische Pkw-Markt erstmals seit Monaten leicht rückläufig. Im Oktober...

DWN
Politik
Politik Oberstes Gericht könnte Trumps Zölle kippen: Doch was dann?
10.11.2025

Das Oberste Gericht der USA prüft, ob Donald Trump seine Zölle rechtswidrig verhängt hat. Doch selbst wenn die Richter seine Politik...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fachkräfte von morgen fehlen: Zahl der Azubis in Deutschland sinkt weiter
10.11.2025

Die duale Berufsausbildung in Deutschland steht unter Druck: Immer weniger junge Menschen beginnen eine Lehre, während viele...

DWN
Politik
Politik Wagenknechts Zukunft im BSW: Rückzug aus der Parteispitze
10.11.2025

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht will den Bundesvorsitz ihrer Partei abgeben. Dies teilte die 56-Jährige in Berlin mit. Gleichwohl will sie...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt zieht an: Preise für Wohnungen und Häuser steigen kräftig
10.11.2025

Die Preise für Immobilien in Deutschland steigen wieder spürbar – besonders in den Metropolen. Laut aktuellen Zahlen des Verbands...