Im Strafprozess zum Attentat auf den früheren libanesischen Premier Rafik Hariri vor 15 Jahren sehen die Richter keine direkten Beweise für eine Beteiligung der Führung der Hisbollah oder Syriens. Das erklärte das Gericht des Sondertribunals zum Libanon am Dienstag in Leidschendam bei Den Haag.
Vier Libanesen, die der pro-syrischen Hisbollah angehören sollen, sind wegen des Terroranschlages von 2005 angeklagt. Die vier sind flüchtig. Das auf Initiative der UN errichtete Tribunal hatte sechs Jahre lang in Abwesenheit der Angeklagten verhandelt. In dem Verfahren gebe es fast ausschließlich indirekte Beweise, sagte das Gericht. Die Urteilsverkündung sollte mehrere Stunden dauern. Das Urteil umfasst nach Angaben des Gerichts mehr als 2600 Seiten.
Hariri-Anschlag war Anfang vom Ende der syrischen Truppenstationierung
Bei dem Sprengstoffattentat waren außer Hariri weitere 21 Menschen getötet und 226 verletzt worden. Viele Libanesen geben Syrien die Schuld an dem Anschlag. Das Land hatte zu dem Zeitpunkt Truppen im Libanon stationiert, welche es aufgrund des öffentlichen Drucks im Libanon schließlich abziehen musste. Die schiitische Hisbollah, vom Iran unterstützt und mit der syrischen Regierung verbündet, weist jegliche Verantwortung zurück. Sollten aber weder Syrien noch die Hisbollah das Attentat durchgeführt haben, stellt deshalb sich die Frage, wer noch involviert gewesen sein könnte.
Der Terror-Anschlag war einer der schwersten in der Geschichte des Libanon: Fast 3000 Kilogramm Sprengstoff sollen die Attentäter eingesetzt haben, als sie Hariri töteten. Die Druckwelle war noch kilometerweit zu spüren. Am 14. Februar 2005 hatte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt, als Hariris Autokolonne im Zentrum der libanesischen Hauptstadt Beirut vorbei fuhr. Außer dem 60 Jahre alten sunnitischen Politiker starben noch 21 Personen, 226 wurden verletzt.
Hariri, ein schwerreicher Geschäftsmann, genießt bis heute bei vielen Libanesen großes Ansehen. Er spielte beim Wiederaufbau des Landes nach 15 Jahren Bürgerkrieg eine zentrale Rolle. Die entscheidende Frage ist, ob die Beweise, die der kanadische Chefankläger Norman Farrell vorlegte, ausreichen. Denn im Kern geht es nur um Handy-Daten. Aus unzähligen Daten baute die Anklage eine Beweiskette auf - als wäre es ein 10 000-Teile-Puzzle.
Minutiös rekonstruierten die Ankläger die Bewegungen der Angeklagten - wo sie vor und während des Attentates waren und mit wem sie telefonierten. Nur: Über den Inhalt der Gespräche ist nichts bekannt. Für die Anklage ist die Schuld zweifelsfrei bewiesen. Die Verteidiger fordern hingegen Freispruch - denn Handy-Daten seien kein Beweis, dass die Angeklagten selbst am oder in der Nähe des Tatortes waren.