Wirtschaft

Werden Russlands Ölfelder bald von ausländischen Unternehmen dominiert?

In Russland befinden sich die Dienstleister für Öl- und Gasfirmen in einer prekären Lage. Die sonst so sparsame Regierung ergreift bereits erste Unterstützungsmaßnahmen.
13.09.2020 13:12
Lesezeit: 3 min

Die russische Ölservice-Industrie könnte sich bald mehrheitlich in der Hand von ausländischen Investoren befinden. Das ist zumindest die Einschätzung des Energie-Ministeriums. (Ölservice-Unternehmen sind Kapitalgüter-Hersteller und Dienstleister für die Öl-und Gas-Exploration und -Förderung) Demnach könnte der Anteil ausländischer Firmen am russischen Ölservice-Markt von aktuell 18 Prozent auf mehr als 50 Prozent im Jahr 2022 steigen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Hintergrund sind die massiv gesunkene Erdöl- und Erdgas-Nachfrage infolge der Corona-Krise, und damit verbunden zusätzlich ein starker Preiseinbruch. Weil ihre Erlöse massiv komprimiert sind, reduzieren Gazprom, Rosneft, Lukoil und andere Energie-Riesen die Investitionen in neue Öl- und Gasfelder beziehungsweise Explorationsprojekte. Dies schlägt direkt auf die Einnahmen der Mineralöl-Dienstleister durch. Die Preise sind zwischenzeitlich um mehr als die Hälfte eingebrochen und notieren immer noch deutlich unter dem Niveau vom Jahresanfang. Die Branche war auf die Talfahrt bei den Erlösen überhaupt nicht vorbereitet.

In Russland sind die großen Öl- und Gaskonzerne mehrheitlich in Staatshand – auch aus strategischen Gründen. Russland ist enorm abhängig von seinem Ressourcenreichtum – ist dieser einmal in ausländischer Hand, sind dem russischen Staat keine Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft mehr garantiert. Außerdem wäre man dann geopolitisch enorm angreifbar aus (wahrscheinlich vorwiegend amerikanischer) Richtung anderer großer Nationen.

Die Dienstleister befinden sich dagegen vor allem in Privatbesitz. Der russische Markt für Dienstleistungen an die Mineralölindustrie beträgt schätzungsweise 1,5 Billionen Rubel (umgerechnet etwa 20 Milliarden Dollar). 46 Prozent davon entfällt auf unabhängige Firmen, 36 Prozent sind mit den großen Öl- und Gasmultis verbunden und 18 Prozent machen ausländische Firmen aus.

Die Ölservice-Firmen stecken in großen Schwierigkeiten

Bei den privaten russischen Ölservice-Unternehmen wird offenbar die Liquidität zunehmend knapp, was (ausländischen) Unternehmen und Investoren eine günstige Einstiegschance ermöglicht. Ein noch größeres Problem ist aber Folgendes: Die schon am Markt aktiven ausländischen Firmengruppen könnten den einheimischen Unternehmen Marktanteile abnehmen. Die ausländischen Unternehmen sind viel größer und kapitalkräftiger. Global gesehen dominieren die drei amerikanischen Branchenriesen Schlumberger, Halliburton und Baker Hughes. Angesichts der schweren Rezession in der weltweiten Erdöl- und Erdgas-Förderung suchen diese nach neuen Märkten. Russland mit seiner riesigen Energieproduktion erscheint deshalb sehr attraktiv. Doch diese amerikanischen Firmen sind bereits heute bei ihren Ölservice-Aktivitäten in Russland durch die Sanktionen der Trump-Regierung eingeschränkt. Würde ihr Einfluss steigen, wäre Russlands Öl- und Gasexploration zukünftig faktisch durch die US-Regierung mitbestimmt.

Energieminister Alexander Novak befürchtet einen Verlust an technischem Wissen in der einheimischen Branche und damit letztlich im ganzen Land. Die Kapazitätsauslastung in der vorgelagerten Öl-Produktion müsse deutlich steigen, damit die heimischen Service-Unternehmen wieder normal wirtschaften können.

Der Staat hat bereits reagiert und zwölf Erdölfeld-Service-Firmen als „besonders wichtig“ für die russische Wirtschaft identifiziert, Erdgas-Dienstleister und -produzenten dürften bald folgen. Auf Geheiß von Präsident Putin wird außerdem ein Fonds zur Unterstützung nicht abgeschlossener Bohr-Projekte aufgelegt. Den russischen Behörden zufolge sind die Finanzierungen für Bohrungs-Unternehmungen um 40 Prozent eingebrochen.

Die Optionen der russischen Regierung

Die Entscheidung über die zukünftige Industriepolitik in diesem nicht allzu großen Sub-Sektor ist für den ganzen Energiesektor und indirekt für die Gesamtwirtschaft und für das politische Regime in Russland von erheblicher Tragweite.

Bisher konnten sich kleinere, unabhängige Ölservice-Unternehmen gut am Markt behaupten, weil die Erdöl- und Erdgas-Preise seit den frühen 2000er Jahren in einer historischen Hochphase waren. Jetzt ist eine Restrukturierung unumgänglich. Die russische Regierung wird dabei sorgfältig abwägen, was ihre Interessen sind.

Ob man in Moskau wohl über eine (Teil-)Verstaatlichung der Öldienstleistungs-Firmen nachdenkt? Das ist nicht unwahrscheinlich. Der Energie-Sektor ist zentral für die heutige Russische Föderation, etwa für Steuern, Außenhandel und Devisen-Reserven. Anders als viele andere Bereiche (Russlands Niveau bei Staatsquoten, Steuerlast und Staatsverschuldung ist sehr niedrig im Vergleich mit anderen Industrie- und Schwellenländern) ist die Energie-Branche unter Präsident Putin wieder starkem staatlichem Einfluss ausgesetzt.

Wahrscheinlich wäre eine durch staatliche Hand gelenkte Konzentration auf weniger, dafür schlagkräftigere Unternehmen, die entweder privat bleiben oder den Staat als Minderheits- oder Mehrheitsaktionär haben. Diese Unternehmen würden auch im Ausland als Wettbewerber auftreten können.

Eine weitere Option wäre eine indirekte Übernahme durch den Staat über einen der großen Oligopolisten, womit diese ihren Marktanteil erhöhen würden. Gazprom, Rosneft und Co. verfügen über reichlich Liquiditätspolster, können in der Not von der Regierung gestützt werden und sind deshalb in der Lage, die intern organisierten Dienstleister deutlich länger wettbewerbsfähig zu halten. Doch sie würden immer auch die Interessen des Mutterkonzerns im Auge haben, und Know-how vor allem für diese konzentrieren. Eine solche Lösung hätte Konsequenzen auch für die Erdöl- und Erdgas-Exploration und würde dort zu einer Konzentration führen. Wenn man ein kompetitives, innovatives Umfeld behaupten will, ist eine zu weit gehende Konzentration schädlich.

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