Wirtschaft

Ölpreis-Krieg und Pandemie: Saudi Aramco hat sich völlig verkalkuliert

Der saudische Öl-Riese Saudi Aramco hatte einen Ölpreis-Krieg gegen Russland angezettelt, den er verloren hat. Die Pandemie hat die Ölpreise drastisch zurückgehen lassen. Doch der Konzern muss dieses Jahr Dividenden in Milliardenhöhe ausschütten. Das wird aber nicht möglich sein.
12.09.2020 12:08
Lesezeit: 2 min
Ölpreis-Krieg und Pandemie: Saudi Aramco hat sich völlig verkalkuliert
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman. (Foto: dpa) Foto: Ralf Hirschberger

„Jedem mit einem halben Gehirn war klar, dass der letzte von Saudi-Arabien ausgelöste Ölpreiskrieg für die Saudis zu einem erbärmlichen Scheitern führen würde, genau wie die vorherigen Bemühungen von 2014 bis 2016 und aus den gleichen Gründen“, so der Energie-Analyst von Oilprice.com, Simon Watkins, in einer Analyse.

Trotz des 50-prozentigen Einbruchs des Nettogewinns des saudischen Öl-Riesen Saudi Aramco im ersten Halbjahr dieses Jahres ist das Unternehmen weiterhin verpflichtet, allein in diesem Quartal 18,75 Milliarden US-Dollar an diejenigen auszuschütten, die die Aramco-Aktien während des Börsengangs gekauft hatten.

Diese Dividenden-Verpflichtung - sie wird sich für das gesamte Jahr auf insgesamt 75 Milliarden US-Dollar belaufen - muss erfüllt werden. Sie muss durch Budgetkürzungen bezahlt werden, die über die 15 Milliarden US-Dollar der jährlichen Investitionen von Aramco hinausgehen.

„Unabhängig von den Kürzungen bleibt es eine krasse Tatsache, dass die beiden Dividenden für die ersten beiden Quartale dieses Jahres - 37,5 Milliarden US-Dollar - den gesamten freien Cashflow von Aramco von 21,1 Milliarden US-Dollar im gleichen Zeitraum bei weitem übertreffen“, meint Watkins.

Die Hauptrolle bei dieser Fehlkalkulation spielt Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS), auf den sich Watkins mit seinem Vorwurf des „halben Gehirns“ bezieht.

Jetzt könnte Aramco gezwungen sein, das zu tun, was früher undenkbar war: Geschäfte aufzugeben und Vermögenswerte zu verkaufen.

Angebote für den Einstieg in das Raffineriegeschäft in China und Indien - zwei der weltweit größten Energieverbraucher - scheinen in den vergangenen Wochen auf Eis gelegt worden zu sein. Medienberichten zufolge wird Aramco auch den Ausbau einer großen Raffinerie in den USA verzögern.

Die Neuausrichtung der Prioritäten könnte angesichts des politisch sensiblen Charakters einiger Projekte langfristige Konsequenzen für das Unternehmen und das saudische Königreich haben.

Das große Problem für Aramco sind die Aussichten für die Ölpreise, wobei die Brent-Rohöl-Futures, die globale Benchmark, immer noch 33 Prozent unter dem Jahresbeginn liegen. Zwischen April und Juni sank der Nettogewinn von Aramco um mehr als 73 Prozent auf 6,6 Milliarden US-Dollar, da die durch die Pandemie bedingte Lockdown die Nachfrage nach Energieprodukten stark verringerte.

Jim Burkhard, Leiter der Ölmärkte bei IHS Markit, sagte kürzlich gegenüber Kunden, dass die Nachfrage erst spätestens Ende des ersten Quartals 2021 das Niveau vor der Pandemie erreichen werde.

„Damit die Nachfrage vollständig zurückkehren kann, müssen Reisen - insbesondere Flugreisen und Pendeln zur Arbeit - wieder normal werden. Und das wird erst geschehen, wenn das Virus eingedämmt und wirksame Impfstoffe gefunden sind“, sagte Burkhard in einem Bericht.

Es bietet sich somit folgendes Bild: Saudi-Arabien hat den Ölpreis-Krieg gegen Russland verloren. Die Corona-Pandemie hat den Ölpreis zusätzlich zurückgehen lassen. Saudi Aramco muss jährlich 75 Milliarden US-Dollar an Dividenden ausschütten. Das wird aber unter den gegebenen Umständen nur schwer möglich sein. Deshalb muss der Öl-Riese zahlreiche Projekte einstellen. Saudi Aramco befindet sich in einer schweren Krisen-Situation - einen Ausweg zu finden, wird schwierig.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Regierungsfrust wächst: Umfrage zeigt historischen Tiefstand der Zufriedenheit
24.11.2025

Die Zustimmung zur Arbeit der Bundesregierung ist laut einer aktuellen Insa-Erhebung so niedrig wie noch nie. Nur 22 Prozent der Befragten...

DWN
Politik
Politik Rentenstreit spitzt sich zu: Spahn pocht auf Handlungsfähigkeit der Koalition
24.11.2025

Der Konflikt über die Rentenreform ist weiterhin ungelöst. Unionsfraktionschef Jens Spahn mahnt die Regierung zur Geschlossenheit – und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klimagipfel im Stillstand: Welche Beschlüsse Belém wirklich brachte
24.11.2025

Bei der Klimaanpassung und dem Schutz des Regenwaldes wurden zwar frische Finanzzusagen gemacht – doch bei den eigentlichen...

DWN
Finanzen
Finanzen Frankreichs Schulden bedrohen Europa: Kommt jetzt die Eurokrise zurück?
23.11.2025

Steigende Zinsen, explodierende Schulden, nervöse Märkte: Europa erlebt ein gefährliches Déjà-vu. Immer mehr Experten warnen vor einer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 645 Millionen Euro Verlust: Cannabis-Betrug und Geldwäsche-Netzwerk erschüttern Europa
23.11.2025

Europa ist von einem der größten Cannabis-Investmentbetrugsfälle der letzten Jahre erschüttert worden, der Anleger in mehreren Ländern...

DWN
Finanzen
Finanzen Ukraine-Friedensplan: Welche Aktien vom Ende des Ukraine-Krieges profitieren könnten – und welche nicht
23.11.2025

Frieden bedeutet nicht nur geopolitische Stabilität, es zieht auch ein gigantisches Investitionsprogramm nach sich. Wer auf die richtigen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kritische Rohstoffe: Ein Fund in Grönland sorgt für Streit
23.11.2025

In einer abgelegenen Mine in Westgrönland wurden gleich mehrere kritische Rohstoffe entdeckt, die für Mikrochipproduktion, Rüstung und...

DWN
Finanzen
Finanzen Europa-Aktien im Aufschwung: Welche Chancen Anleger jetzt nutzen können
23.11.2025

Die Kapitalmärkte befinden sich im Umbruch, Investoren suchen verstärkt nach stabilen Alternativen. Europa gewinnt dabei durch Reformen,...