In Belarus ist der umstrittene Präsident Alexander Lukaschenko überraschend schnell zu seiner sechsten Amtszeit vereidigt worden. Seine rechte Hand auf der Verfassung des Landes platziert, legte Lukaschenko am Mittwoch in einer Zeremonie im Beisein mehrerer Hundert Menschen in Minsk seinen Amtseid ab, wie die amtliche Nachrichtenagentur Belta berichtete.
Die Opposition erklärte, Lukaschenko sei "weder ein legales noch ein legitimes Staatsoberhaupt". Auch die Bundesregierung sieht in der Vereidigung des Präsidenten "keine Legitimation", wie Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin erklärte.
Die Amtseinführung Lukaschenkos geschah ohne Ankündigung. Normalerweise wird die Zeremonie als bedeutender Staatsakt Tage vorher bekanntgegeben. Ursprünglich war der Akt erst für November geplant. Die Opposition wirft Lukaschenko Wahlbetrug nach der Abstimmung am 09. August vor. Seitdem kam es zu Massenprotesten gegen den seit über 20 Jahren autoritär regierenden Staatschef, gegen die die Sicherheitskräfte teils brutal vorgingen. Tausende wurden festgenommen.
Die EU erkennt die Wiederwahl Lukaschenkos nicht an und plant Sanktionen gegen etwa 40 belarussische Regierungsvertreter, darunter auch Lukaschenko selbst.
"Seine geheime Vereidigung ist ein Versuch, die Macht zu ergreifen", sagte die nach Litauen ausgereiste Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. "Das heißt auch, nach dem Tag heute ist Alexander Lukaschenko weder das legale noch das legitime Staatsoberhaupt von Belarus", sagte sie in einer Rede vor der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Vilnius. Der einzige Ausweg aus der politischen Krise des Landes seien freie und faire Wahlen.
Der 66-jährige Lukaschenko sagte bei der Zeremonie offenbar mit Blick auf die Corona-Pandemie, "am Rande einer globalen Krise" brauche sein Land Sicherheit und Einigkeit. "Ich kann nicht, ich habe kein Recht dazu, die Belarussen alleine zu lassen." Wie in lokalen Medien zu sehen war, versammelten sich parallel dazu kleinere Gruppen in der Hauptstadt. Einige riefen in Anspielung auf die Kurzform von Lukaschenkos Vornamen "Sascha, komm heraus, wir werden Dir gratulieren". In sozialen Medien wurden für den Abend Massenproteste angekündigt. Der Oppositionelle Pawel Latuschko rief zu "unbegrenztem zivilen Ungehorsam" auf.
In Berlin bekräftigte Regierungssprecher Seibert, dass die Präsidentenwahl am 9. August weder frei noch demokratisch gewesen sei. Zudem müsse die Gewalt der Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten unverzüglich beendet, politische Gefangene freigelassen und ein nationaler Dialog mit der Opposition aufgenommen werden. Seibert bedauerte zudem für die Bundesregierung, dass die EU-Außenminister keine Einigung zu weitergehenden Sanktionen gegen Belarus erzielt haben. "Es ist und es bleibt unser Ziel, zeitnah solche restriktiven Maßnahmen zu ergreifen."
Als einziges EU-Land blockierte zuletzt Zypern einen Beschluss zu Sanktionen auch gegen Lukaschenko direkt. Die Regierung in Nikosia will dem nur zustimmen, wenn die EU wegen des Gasstreits im östlichen Mittelmeer auch Sanktionen gegen die Türkei verhängt. Mit dem Thema Belarus werden sich jetzt die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel am Donnerstag und Freitag nächster Woche in Brüssel befassen.