Politik

Wenn im Mittelmeer ein Krieg ausbricht, ist Chinas Neue Seidenstraße tot - Teil 2

Für Chinas Neue Seidenstraße und für andere Mächte spielt das östliche Mittelmeer aufgrund seiner Ressourcen und als Sprungbrett auf den europäischen Markt eine wichtige Rolle. Doch die USA wollen nicht zulassen, dass das Reich der Mitte und die EU über die Neue Seidenstraße miteinander verschmelzen. Der größte Profiteur wäre Deutschland.
29.09.2020 07:00
Lesezeit: 2 min
Wenn im Mittelmeer ein Krieg ausbricht, ist Chinas Neue Seidenstraße tot - Teil 2
Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßt den chinesischen Präsidenten Xi Jinping am 07.07.2017 in Hamburg beim G20-Gipfel. (Foto: dpa) Foto: John Macdougall

Die Tatsache, dass das Mittelmeer Kreuzungspunkt dreier Kontinente ist - Europa, Asien und Afrika, - prägt die geopolitische Bedeutung des östlichen Mittelmeeres seit Jahrhunderten. So spielt es dann auch für den Bau der Neuen Seidenstraße Chinas eine wichtige Rolle - sein Wasser soll Europa und China handelspolitisch miteinander verbinden.

Weiterhin kann man es als ein „Handelszentrum“ ansehen, das dem Suez-Kanal Tiefe verleiht. Wer einen Zugang zum europäischen Markt möchte, muss im östlichen Mittelmeer vertreten sein - durch Investitionen und damit verbundene wirtschaftliche Zusammenarbeit und/oder durch eine militärische/maritime Präsenz zur Sicherung der Handelsrouten.

Die Gewässer gelten auch als Pufferzone gegen Bedrohungen. Über die Aktivitäten terroristischer Gruppen hinaus ist die Region von Afghanistan bis Afrika südlich der Sahara durch Instabilität gekennzeichnet, mit Menschenhandel aller Art, transnationaler organisierter Kriminalität, Armut und Ungleichheit, religiösem Fundamentalismus, korrupten und despotischen Regimen und gescheiterten Staaten.

Auch angesichts der Konzentration einer großen Anzahl von Menschen, die in der kommenden Zeit in Europa Zuflucht suchen werden, spielt das östliche Mittelmeer eine wichtige Rolle. Die EU hat ein großes Interesse daran, seine Gewässer zu kontrollieren, um den Zustrom von Flüchtlingen einzudämmen.

Das östliche Mittelmeer ist weiterhin eine Quelle der Energie-Diversifikation für die EU (einer Studie des United States Geological Survey aus dem Jahr 2010 zufolge beherbergt der östliche Mittelmeerraum über 122 Billionen Kubikfuß Erdgas und 1,7 Milliarden Barrel an Ölreserven). Dies beinhaltet die Suche nach neuen Lieferanten und neuen Routen. Das östliche Mittelmeer bietet beides, solange die richtigen Entscheidungen auf der Grundlage finanzieller, technischer und geopolitischer Kriterien getroffen werden. Es ist zusätzlich eine ideale Region, um militärische und andere Vorgänge im Nahen Osten zu überwachen. Und wenn es nötig ist, kann es als Bereitstellungsbereich für Operationen verwendet werden (zum Beispiel in Libyen).

Die sich für eine (welt)politisch stärkere EU einsetzende Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) spricht sich für einen „Schuman-Plan“ aus, um die Spannungen im östlichen Mittelmeer zu entschärfen (der Schuman-Plan war die Grundlage für die Zusammenlegung der deutschen und französischen Kohle- und Stahlproduktion nach dem Zweiten Weltkrieg, die letztendlich zur heutigen EU führte): „Der geopolitische Rückzug der USA und die wachsende Aggressivität Chinas sowie die normative Führungsunfähigkeit Chinas sollten Europa dazu veranlassen, eine neue, durchsetzungsfähigere globale Rolle einzunehmen. In der Tat hat die neue Europäische Kommission ausdrücklich behauptet, eine ,geopolitische Kommission‘ sein zu wollen. Vor diesem Hintergrund sollte die Europäische Union nun ihre Politik in Bezug auf ihre unmittelbare Nachbarschaft verbessern. Einer der regionalen Bereiche, an denen die EU große und direkte Anteile hat, ist das östliche Mittelmeer. Die Bedeutung der Region ist aufgrund der strategischen Entscheidungen Europas im letzten halben Jahrzehnt enorm gestiegen, um Europa von russischen Kohlenwasserstoffen unabhängig zu machen; und neue Wellen von Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten abzuhalten, die wahrscheinlich nach West- und Mitteleuropa ziehen werden."

Die Ausführungen des ECFR legen offen, warum das östliche Mittelmeer wichtig ist für die EU. Doch das ECFR irrt in der Annahme, dass sich die USA auf dem Rückzug befinden. Nachdem das ECFR in der Analyse noch hinzufügt, dass die Türkei eine Gefahr im östlichen Mittelmeer darstellt, spricht es sich in seinem „Schuman-Plan“ für eine "multilaterale Kooperation“ aus, um „Frieden und Stabilität“ in die Region zu bringen. Doch diese Aussage gleicht einer Mogelpackung, denn Russland, die USA und die Türkei sind gemeinsam mit Großbritannien die stärksten Vertreter im östlichen Mittelmeer. Ausgerechnet zu diesen Ländern soll die EU faktisch kein kooperatives Verhältnis haben. Soll hier eine Kooperation mit China andeutungsweise vorgeschlagen werden, ohne sie direkt zu erwähnen?

Es ist denkbar, dass die Ambitionen der EU im östlichen Mittelmeer in einem Fiasko enden werden. Denn eher werden sich Russland und die USA einigen, anstatt die Region der EU zu überlassen. Eine Erlangung der energiepolitischen Autonomie der EU kommt weder für Moskau noch für Washington in Frage – diese Ansicht vertritt übrigens auch Großbritannien.

Doch auch zwischen diesen Mächten herrscht im Moment Uneinigkeit. Während Großbritannien und die Türkei im östlichen Mittelmeer am selben Strang ziehen, stellt sich Frankreich gegen die Türkei, während Deutschland sich als Vermittler ins Spiel bringt. Russland hält sich bedeckt. Die USA haben hingegen eine eindeutige Haltung. Sie verfahren im östlichen Mittelmeer nach dem Motto „The winner takes it all“.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Der deutsche Markt konzentriert sich auf neue Optionen für XRP- und DOGE-Inhaber: Erzielen Sie stabile Renditen aus Krypto-Assets durch Quid Miner!

Für deutsche Anleger mit Ripple (XRP) oder Dogecoin (DOGE) hat die jüngste Volatilität am Kryptowährungsmarkt die Herausforderungen der...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrplicht trotz Wirtschaftsflaute? Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
05.07.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen KI-Schäden: Wenn der Algorithmus Schaden anrichtet – wer zahlt dann?
05.07.2025

Künstliche Intelligenz entscheidet längst über Kreditvergaben, Bewerbungen oder Investitionen. Doch was passiert, wenn dabei Schäden...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Made in Germany: Duale Berufsausbildung - das deutsche Erfolgsmodell der Zukunft
05.07.2025

Die duale Berufsausbildung in Deutschland gilt als Erfolgsmodell: Dieses System ermöglicht jungen Menschen einen direkten Einstieg ins...

DWN
Panorama
Panorama Was Autofahrer über Lastwagen wissen sollten – und selten wissen
05.07.2025

Viele Autofahrer kennen das Gefühl: Lkw auf der Autobahn nerven, blockieren oder bremsen aus. Doch wie sieht die Verkehrswelt eigentlich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung 2024: Mit diesen 8 Steuertipps können Sie richtig viel Geld rausholen
05.07.2025

Viele Menschen drücken sich vor der Steuererklärung, weil diese manchmal etwas kompliziert ist. Doch es kann sich lohnen, die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaftskriminalität: Insider-Betrug kostet Millionen - Geschäftsführer haften privat
05.07.2025

Jede zweite Tat geschieht im eigenen Büro - jeder fünfte Schaden sprengt die fünf Millionen Euro Marke. Wer die Kontrollen schleifen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Microsoft kippt den Bluescreen, doch das wahre Problem bleibt
05.07.2025

Microsoft schafft den berühmten „Blauen Bildschirm“ ab – doch Experten warnen: Kosmetische Änderungen lösen keine...

DWN
Panorama
Panorama So bleiben Medikamente bei Sommerhitze wirksam
05.07.2025

Im Sommer leiden nicht nur wir unter der Hitze – auch Medikamente reagieren empfindlich auf hohe Temperaturen. Doch wie schützt man...