Finanzen

US-Finanzelite profitiert von angeblichem Enthüllungsbericht: Frontalangriff auf die Deutsche Bank

Das Medienportal "Buzzfeed" behauptet, bisher unbekannte Verfehlungen der Deutschen Bank aufgedeckt zu haben. DWN-Kolumnist Ernst Wolff zeigt auf, wer hinter "BuzzFeed" steht und großes Interesse an den angeblichen "Enthüllungen" hat.
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avtor
26.09.2020 11:50
Aktualisiert: 26.09.2020 11:50
Lesezeit: 5 min
US-Finanzelite profitiert von angeblichem Enthüllungsbericht: Frontalangriff auf die Deutsche Bank
Die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt. (Foto: dpa)

Die beliebte US-Website BuzzFeed (150 Millionen Besucher pro Monat) hat am vergangenen Sonntag einen Bericht veröffentlicht, in dem es um die kriminelle Rolle internationaler Banken beim Waschen und Zirkulieren von Billionen von Dollars zugunsten von Terrororganisationen, Drogenkartellen und Finanzkriminellen geht.

Die Informationen stammen aus einem Datenleck des „Financial Crimes Enforcement Network” (FinCen), einer auf Geldwäsche und andere Finanzdelikte spezialisierten Abteilung des amerikanischen Finanzministeriums. BuzzFeed hat die Informationen nach eigenen Angaben vor achtzehn Monaten zugespielt bekommen und anschließend gemeinsam mit vierhundert Journalisten aus 88 Ländern ausgewertet.

Die Koordination der Recherchen übernahm das Netzwerk „International Consortium of Investigative Journalists” (ICIJ), zu dessen Medien-Partnern unter anderem die französische Zeitung Le Monde, das italienische Magazin L’Espresso und die BBC zählen. In Deutschland waren Journalisten von NDR, WDR, Süddeutscher Zeitung und BuzzFeed News im Einsatz, in Österreich beteiligten sich der ORF und das Nachrichtenmagazin „profil“ an der Recherche.

Dreihundert Angestellte für zwei Millionen Verdachtsmeldungen

Beim FinCen handelt es sich um eine 1990 gegründete, im US-Bundesstaat Virginia ansässige Behörde, deren offizielle Aufgabe darin besteht, „die illegale Nutzung des Finanzsystems zu bekämpfen“. Zu diesem Zweck werden Verdachtsmeldungen von Banken bearbeitet, die als SAR (suspicious activity report, deutsch: Bericht über verdächtige Aktivitäten) bei der Behörde eingehen.

Nach geltendem US-Recht sind alle auf den amerikanischen Finanzmärkten aktiven Banken dazu verpflichtet, dem FinCen derartige Meldungen zu machen, wenn sie vermuten, dass es bei einzelnen Transaktionen nicht mit rechten Dingen zugeht. Für die Banken bedeuten diese Meldungen eine erhebliche Entlastung, da sie sich damit der Pflicht entledigen können, selbst gegen die Geldwäsche vorzugehen.

Die US-Regierung verfolgt in Bezug auf die Nachforschungen des FinCen eine Politik absoluter Geheimhaltung. Erst Anfang dieses Jahres erklärte das Finanzministerium, dass die unbefugte Offenlegung von Verdachtsmeldungen ein Verbrechen sei und dass Verstöße gegen geltendes Recht umgehend dem Justizministerium gemeldet würden.

Wer annimmt, dass diese Geheimhaltung einer höheren Aufklärungsquote dient, der sollte einen genaueren Blick auf den Personalstand der Behörde werfen: Im FinCen arbeiten ganze dreihundert Angestellte, die pro Jahr von den Banken mit mehr als zwei Millionen Meldungen beschäftigt werden.

Beim FinCen handelt es sich also ganz offensichtlich um eine reine Alibi-Behörde, deren Unterbesetzung es den Großbanken einfach macht, sie mit einer Überzahl an Meldungen zu überschwemmen und es den Sachbearbeitern so zu erschweren, die Spreu vom Weizen zu trennen. Im Grunde verhindert das FinCen also nicht die Kriminalität im Finanzsektor, sondern es begünstigt sie.

Was beanstanden die investigativen Journalisten?

Angesichts dieser Tatsachen wäre es nur zu begrüßen, wenn Journalisten in diesem Bereich für Aufklärung sorgen und der Öffentlichkeit deutlich machen würden, welche Art von Geheimniskrämerei hier betrieben und wie dadurch kriminelle Machenschaften im Finanzsektor erleichtert werden.

Sieht man sich die Veröffentlichungen der investigativen Journalisten allerdings genauer an, so findet man kaum ein Wort über die Unterbesetzung des FinCen und die Möglichkeiten, die diese den Banken bietet, mit schmutzigen Geschäften ungeschoren davonzukommen.

Stattdessen warten die Journalisten, wie BuzzFeed schreibt, mit einer „grundlegenden Wahrheit der Moderne“ auf: „Die Netzwerke, durch die schmutziges Geld die Welt durchquert, ... ermöglichen ein Schattenfinanzsystem, das so weitreichend und unkontrolliert ist, dass es untrennbar mit der sogenannten legalen Wirtschaft verbunden ist. Banken mit bekannten Namen haben hierzu beigetragen".

Höchst interessant wird es, wenn man sich ansieht, mit welchen Zahlen diese für die breite Öffentlichkeit wohl kaum welterschütternde Erkenntnis untermauert wird. Von den untersuchten FinCen Files mit etwas mehr 2100 Geldwäsche-Verdachtsmeldungen, die in den Jahren 2000 bis 2017 angezeigt wurden, stammen nämlich insgesamt 982 von der Deutschen Bank. Von den zwei Billionen Dollar, um die es in der Recherche geht, entfallen 1,3 Billionen auf das Frankfurter Geldinstitut.

Nun weiß jeder, der sich mit der Finanzwirtschaft beschäftigt, dass die Geschäftsmethoden der Deutschen Bank nicht gerade sauber sind. Gegenwärtig laufen weltweit etwa 7000 Verfahren gegen das Geldinstitut. Das allerdings ist in der Branche, in der neben Finanzexperten vor allem Juristen arbeiten, nichts Ungewöhnliches – insbesondere in den USA.

Ungewöhnlich ist jedoch die Härte, mit der dort seit Jahren juristisch gegen die Deutsche Bank vorgegangen wird. In den vergangenen fünf Jahren musste sie mit knapp fünf Milliarden Dollar ein Mehrfaches der Strafgelder zahlen, zu denen sämtliche amerikanische Banken zusammengenommen verurteilt wurden.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier nicht nur mit zweierlei Maß gemessen wird, sondern auch, dass sich hinter den Veröffentlichungen von BuzzFeed möglicherweise etwas ganz anderes als das Interesse an Aufklärung verbergen könnte. Daher zuerst ein Blick auf die Website BuzzFeed:

Wer steckt hinter BuzzFeed?

Bei BuzzFeed handelt es sich um einen 2006 gegründeten US-amerikanischen Konzern, der sich selbst als „führendes unabhängiges digitales Medienunternehmen, das Nachrichten und Unterhaltung für Hunderte von Millionen Menschen auf der ganzen Welt bereitstellt“ bezeichnet.

Wie so oft lohnt sich auch hier, in die Kasse des Unternehmens zu schauen. 2008 sammelte BuzzFeed von Hearst Ventures und Softbank 3,5 Millionen Dollar ein, 2012 von New Enterprise Associates, Lerer Ventures, Hearst Interactive Media, Softbank, and RRE Capital insgesamt 15,5 Millionen Dollar. 2012 steigerte BuzzFeed seine Werbeeinnahmen, indem es gesponserte Inhalte für die Obama-Regierung veröffentlichte.

2015 investierte NBC Universal, das nach Time Warner und Viacom drittgrößte Medienunternehmen der Welt, zweihundert Millionen Dollar in BuzzFeed. Seit 2019 finanziert Facebook zwei BuzzFeed-Nachrichtensendungen für den Video-on-Demand-Dienst Watch.

Anders ausgedrückt: BuzzFeed ist alles anderes als ein unabhängiges Unternehmen, sondern hängt am Tropf einiger der größten Geldgeber der USA.

Wer steckt hinter dem "Consortium of Investigative Journalists" (ICIJ)?

Das Internationale Netzwerk investigativer Journalisten existiert seit 1997 und charakterisiert sich auf seiner Website folgendermaßen selbst: „Als gemeinnützige Organisation mit Sitz in den USA sind wir sowohl eine kleine, einfallsreiche Nachrichtenredaktion mit einem eigenen Reporterteam als auch ein globales Netzwerk von Reportern und Medienorganisationen, die gemeinsam die wichtigsten Geschichten der Welt untersuchen.“

Das klingt sehr bescheiden, darum auch hier ein Blick auf den Hintergrund: Das ICIJ ist ein Projekt des Center for Public Integrity (CPI), einer 1989 gegründeten US-amerikanischen Non-Profit-Organisation, die sowohl von Privatpersonen als auch von Stiftungen finanziert wird.

Das CPI gibt auf seiner Website zwar die Namen aller Sponsoren bekannt, nicht aber die Höhe ihrer Spenden. Zu den wichtigsten Geldgebern dürften unter anderem die Ford Foundation und die von George Soros gegründeten Open Society Foundation sowie die Sunlight Foundation zählen, deren politische Ambitionen ja allgemein bekannt sind.

Das ICIJ ist in der Vergangenheit bereits mehrmals in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, zuletzt durch die Veröffentlichung der Panama Papers. Wie im Falle der FinCen Leaks handelte es sich damals um vermeintlich „sensationelle“ Enthüllungen, die allerdings überaus einseitig waren: Während eine südamerikanische Steueroase akribisch unter die Lupe genommen wurde, wurde über die US-Steueroasen Delaware, Wyoming, Nevada und South Dakota so gut wie nicht berichtet.

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Ernst Wolff

                                                                            ***

Ernst Wolff, 69, befasst sich mit der Wechselbeziehung zwischen internationaler Politik und globaler Finanzwirtschaft.

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