Politik

„The Great Decline“: Es gibt Anzeichen für das Ende der USA als Weltmacht

Der frühere Bürochef von US-Außenminister Colin Powell sieht in der Militär-Struktur der USA Anzeichen dafür, dass das Land als Weltmacht an Bedeutung verliert.
29.09.2020 15:26
Aktualisiert: 29.09.2020 15:26
Lesezeit: 2 min
„The Great Decline“: Es gibt Anzeichen für das Ende der USA als Weltmacht
Das Weiße Haus. (Foto: dpa) Foto: Andrea Hanks

Der ehemalige Büro-Chef von Colin Powell, Oberst a.D. Lawrence Wilkerson, sieht die Zukunft der militärischen Macht der USA äußerst pessimistisch. Bei einer Rede vor Studenten des Lone Star College in Kingwood, Texas, sagte er: „Imperien konzentrieren sich kurz vor ihrem Untergang auf militärische Gewalt als das A und O der Macht. Sie setzen in der Phase ihres Abstiegs auf Söldner statt reguläre Soldaten, die sich aus den Bürgern zusammensetzen. Wenn ein Angriff durch die ,Barbaren‘ stattfindet, der vor allem wegen der Fahrlässigkeit des Imperiums zum Tod von 3.000 Bürgern führt, ziehen sie hinaus und töten im Gegenzug 300.000 Menschen und geben dafür drei Billionen Dollar aus. Sie verschärfen die Bedrohungen durch ihre eigenen Handlungen. Das kennen wir von irgendwo her, oder? Das ist es, was Imperien tun – insbesondere dann, wenn sie kurz vor dem Kollaps stehen.“

Der Autor hat eine gewisse Glaubwürdigkeit: Sein Chef, Colin Powell, hatte die entscheidende, aber unzutreffende Begründung für den Krieg der USA gegen den Irak in die Welt gesetzt. Powell hat sich später dafür entschuldigt, behauptet zu haben, der Irak verfüge über Waffen zur Massenvernichtung. Wilkerson selbst sagte in der Fernsehsendung"Democracy Now", dass die Lüge dadurch zustande gekommen sei, dass alle Beteiligten so von der eigenen Propaganda gefangen gewesen seien, dass man die entsprechenden Geheimdienst-Berichte nicht mehr hinterfragt hätte.

Wilkersons Ausführungen erinnern sehr an das äußerst lesenswerte Buch „Are we Rome?“ von Cullen Murphy, das vor einigen Jahren von heute in der Obama-Administration tätigen, hochrangigen Diplomaten an verschiedenen Elite-Universitäten als ein "must read" herumgereicht wurde.

Murphy hatte, ähnlich wie Wilkerson, das grundsätzliche Desinteresse einer Weltmacht am Rest der Welt als ein typisches Zeichen des Verfalls ausgemacht.

Auch die klassischen Medien der USA kritisieren mittlerweile diese Entwicklung ganz offen. CBS News etwa berichtete bereits im Jahr 2010: „Im Jahr 2020 wird das Pentagon nach den aktuellen Plänen ein ,militärisches Ave Maria‘ für ein sterbendes Imperium aussenden. Es wird fortgeschrittene tödliche Luft- und Raumfahrtrobotik zum Einsatz bringen, die – trotz des abnehmenden wirtschaftlichen Einflusses Washingtons – als letzte Hoffnung zur Bewahrung der Weltmacht gelten. Jedoch werden bis zu diesem Jahr Chinas globales Netzwerk aus Kommunikationssatelliten, die von den leistungsstärksten Supercomputern der Welt gestützt werden, voll funktionsfähig. Diese Entwicklung bietet Peking eine unabhängige Plattform für die Militarisierung des Weltraums und ein leistungsfähiges Kommunikationssystem für Flugkörper oder Cyber-Streiks auf allen Quadranten der Welt.“

Die USA haben über 500 Satelliten im Weltall. China und Russland bereiten angeblich eine Anti-Satelliten-Waffe vor. Washington fürchtet kriegerische Absichten Pekings und bereitet sich auf einen möglichen „Krieg der Sterne“ vor. Das hatte der US-Befehlshaber des Weltraumkommandos der Air Force (AFSPC), John Hyten, vor wenigen Jahren angekündigt.

Laut dem außenpolitische Chef der Europäischen Union, Josep Borrell, ist es wahrscheinlich, dass China die USA als weltpolitisches Machtzentrum ablösen wird. „Analysten haben lange über das Ende eines von Amerika geführten Systems und die Ankunft eines asiatischen Jahrhunderts gesprochen. Dies spielt sich jetzt vor unseren Augen ab“, zitiert die L.A. Times den Spanier, der seine Aussagen auf einem Treffen mit deutschen Diplomaten tätigte. Auf der EU wachse nun der Druck, sich für eine Seite zu entscheiden.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) zweifelt an, dass China bereits als Nachfolger der USA angesehen werden kann. „Die meisten Wetten lauten auf China. Aber ist es so einfach?“, fragte Maas. „Und werden internationale Unternehmen weiter ,just in time‘ in China produzieren, wenn die Ursachen einer solchen Krise nicht nachprüfbar aufgearbeitet werden?“, meint er.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie KI als Mobbing-Waffe: Wenn Algorithmen Karrieren zerstören
13.07.2025

Künstliche Intelligenz soll den Arbeitsplatz smarter machen – doch in der Praxis wird sie zum Spion, Zensor und Karriere-Killer. Wer...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Keine reine Männersache – Geschlechterunterschiede beim Investieren
13.07.2025

Obwohl Frauen in sozialen Medien Finanzwissen teilen und Banken gezielt werben, bleibt das Investieren weiterhin stark männlich geprägt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Renault: Globales KI-System soll helfen, jährlich eine Viertelmilliarde Euro einzusparen
13.07.2025

Produktionsstopps, Transportrisiken, geopolitische Schocks: Renault setzt nun auf ein KI-System, das weltweite Logistik in Echtzeit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kaffeepause statt Burn-out: Warum Müßiggang die beste Investition ist
12.07.2025

Wer glaubt, dass mehr Tempo automatisch mehr Erfolg bringt, steuert sein Unternehmen direkt in den Abgrund. Überdrehte Chefs,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Kapitalmarktunion im Rückstand: Banker fordern radikale Integration
12.07.2025

Europas Finanzelite schlägt Alarm: Ohne eine gemeinsame Kapitalmarktunion drohen Investitionen und Innovationen dauerhaft in die USA...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauzinsen aktuell weiterhin hoch: Worauf Häuslebauer und Immobilienkäufer jetzt achten sollten
12.07.2025

Die Zinsen auf unser Erspartes sinken – die Bauzinsen für Kredite bleiben allerdings hoch. Was für Bauherren und Immobilienkäufer...

DWN
Finanzen
Finanzen Checkliste: So vermeiden Sie unnötige Kreditkarten-Gebühren auf Reisen
12.07.2025

Ob am Strand, in der Stadt oder im Hotel – im Ausland lauern versteckte Kreditkarten-Gebühren. Mit diesen Tricks umgehen Sie...

DWN
Technologie
Technologie Elektrische Kleinwagen: Kompakte Elektroautos für die Innenstadt
12.07.2025

Elektrische Kleinwagen erobern die Straßen – effizient, kompakt und emissionsfrei. Immer mehr Modelle treten an, um Verbrenner zu...